Film | We Need To Talk About Kevin | |
Produktionsland | Großbritannien, USA | |
Jahr | 2011 | |
Spielzeit | 112 Minuten | |
Regie | Lynne Ramsay | |
Hauptdarsteller | Tilda Swinton, Ezra Miller, John C. Reilly, Jasper Newell, Ashley Gerasimovich | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Eva ist glücklich in ihrem Beruf und glücklich in ihrer Beziehung mit Franklin. Im gemeinsamen Urlaub beschließen sie, dass es Zeit für ein Kind ist. Als ihr gemeinsamer Sohn Kevin geboren wird, steht Eva allerdings vor einer erschreckenden Erkenntnis: Sie kann das Kind nicht leiden, findet keinen Zugang zu Kevin. Auch der Junge selbst zeigt, als er heranwächst, keinerlei Interesse an einem harmonischen, innigen, liebevollen Verhältnis zu seiner Mutter. Die Sorgen, die Eva sich wegen dieser Beziehung macht, erfüllen sich, als Kevin zum Massenmörder wird und ein Schulmassaker an seiner High School anrichtet. Während er ins Gefängnis wandert, sieht sich seine Mutter mit den Anfeindungen der ganzen Stadt konfrontiert – und mit der Frage, welche Verantwortung sie selbst für das Geschehen trägt.
Das sagt shitesite:
Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Lionel Shriver schafft es, alle Stärken des Buchs zu bewahren: Ebenso wie Eva erfährt man auch als Zuschauer erst nach und nach das Ausmaß des Grauens, das sich hier ereignet hat. Ebenso wie Eva kämpft man innerlich um die Möglichkeit, die scheinbar normalste Liebe der Welt (zwischen Mutter und Kind) auch hier irgendwie zum Leben zu erwecken. Und ebenso wie Eva scheitert man am Versuch, das Massaker zu verstehen.
Ist diese Bluttat ein Hilfeschrei? Ein Vorwurf an die Mutter? Ausdruck eines kranken Geistes? Die Antworten darauf bleibt We Need To Talk About Kevin, ebenso wie der Roman, schuldig. Doch es ist ein Ereignis, Tilda Swinton beim Ringen um Antworten begleiten zu dürfen.
Originelle Kameraeinstellungen und ein mutiger Schnitt stützen diesen Effekt, ohne jemals gewollt zu wirken. Vor allem aber sorgt die großartige Idee, sich nicht auf Kevin zu fokussieren, sondern die Perspektive seiner Mutter zu wählen, für ein verstörendes Film-Erlebnis, das in seiner Intensität sehr lange nachwirkt. Eva ist Opfer und Hinterbliebene, und doch wird sie als Komplizin behandelt, geradezu als Drahtzieherin dieses Verbrechens. Dass We Need To Talk About Kevin so viel Schweigen enthält, ist die Entsprechung dieses Dilemmas: Es ist das Schweigen der Fassungslosigkeit.
Das gilt auch schon in den Jahren vor dem Massaker. Kevin wurde gezeugt in einem Rausch von Glück und Zuversicht und Liebe, doch als er auf der Welt ist, befürchtet Eva: Sie hat ein Monster zur Welt gebracht, ein Tier. Das Kind manipuliert, provoziert und tyrannisiert sie, und sie hat keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, weil sie ja für ihren Sohn verantwortlich ist – nicht nur für sein Wohlergehen (was eine Verpflichtung bedeutet), sondern auch für das Formen seines Charakters (was eine Mitschuld bedeutet).
Die Mutterschaft, als Vollendung ihres Glücks erhofft, bedeutet für sie das Ende allen Glücks. Der fortan wichtigste Mensch in ihrem Leben erweist sich als ekelhaft, überheblich, selbstverliebt und zynisch (sowohl Jasper Newell, der Kevin als Kind spielt, als auch Ezra Miller, der ihn als Teenager mimt, bringen diese beinahe unmenschlich kalte Boshaftigkeit beeindruckend gut auf die Leinwand). Sehr clever spielt We Need To Talk About Kevin mit der entscheidenden Frage, an welchem Punkt diese Beziehung noch zu retten gewesen wäre. Dass letztlich weder Mutter noch Sohn eine Antwort darauf haben, macht diese Geschichte so erschütternd.
Bestes Zitat:
„Es gibt keinen Grund. Das ist der Grund.“
Der Trailer zum Film.