Film | Wüstenblume | |
Produktionsland | Deutschland, Österreich, Frankreich | |
Jahr | 2009 | |
Spielzeit | 121 Minuten | |
Regie | Sherry Hormann | |
Hauptdarsteller | Liya Kebede, Sally Hawkins, Timothy Spall, Juliet Stevenson, Craig Parkinson | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Waris wächst als Nomadin in Somalia auf. Als sie mit einem alten Mann zwangverheiratet werden soll, flieht sie durch die Wüste und landet zunächst in der Hauptstadt Mogadischu, dann in London. Dort muss sie sich als Obdachlose durchschlagen, bis die Studentin Marilyn sie bei sich aufnimmt und ihr einen Job als Putzfrau vermittelt. Dort wird Waris von einem Fotografen angesprochen, der sie als Model groß herausbringen möchte. Tatsächlich macht Waris eine steile Karriere auf den Laufstegen. Dann beschließt sie, ihre Popularität zu nutzen, um über das Trauma zu sprechen, das sie und Millionen andere Frauen in Afrika belastet: Genitalverstümmelung. Als kleines Mädchen wurde sie beschnitten, und jetzt setzt sie sich für ein Ende dieses grausamen Brauchs ein.
Das sagt shitesite:
Die Verfilmung der Autobiografie von Topmodel Waris Dirie ist bei den Kritikern nicht allzu gut weggekommen. Wie so oft, wird dabei vor allem das Argument vorgebracht: Der Film ist nicht so gut wie das Buch.
Das stimmt. Und doch hat Wüstenblume auf der Leinwand einige Stärken, sogar Momente, in denen der Film die Vorlage übertrifft. Der Anfang zählt dazu, der in ein paar Minuten das Leben der kleinen Waris als Idyll darstellt, im Einklang mit der Natur und ihrer Familie. Das bildet ein wichtiges Gegengewicht nicht nur zum hektischen, egoistischen, künstlichen London, in das sie dann gerät, sondern auch zum Bild vom angeblich zurückgebliebenen Afrika mit barbarischen Bräuchen, das am Ende in den Fokus rückt.
Auch die Szene der Beschneidung ist im höchsten Maße wirkungsmächtig. Der Blick auf eine alte Rasierklinge und ein paar Dornen und die Gewissheit, das damit einem schreienden, dreijährigen Mädchen gleich Klitoris und Schamlippen entfernt werden, ist kaum zu ertragen. Nicht zuletzt ist auch der Moment, in der Waris sich Marilyn offenbart sehr taktvoll, rührend und eindringlich inszeniert: Waris wird klar, dass die Beschneidung von Mädchen keineswegs normal ist, sondern so schockierend, wie sie sich anfühlt. Doch trotz der schmerzhaften körperlichen und psychischen Folgen kann sie es (zunächst) nicht über sich bringen, den Brauch zu verdammen, weil sie das Gefühl hat, damit ihre Herkunft und ihre Familie zu verraten.
Leider bleibt Wüstenblüme bei dieser Thematik nur an der Oberfläche. Der Film konzentriert sich stark auf die Frage der Sexualität und Libido. Das funktioniert halbwegs, denn es macht deutlich: Die Genitalverstümmelung ist für uns auch deshalb so schockierend, weil sie einen wichtigen Teil dessen angreift, was für uns Individualität, Freiheit und Lebensfreude ausmacht. Zur Heimatlosigkeit und Einsamkeit von Waris kommt passend dazu nach und nach die Erkenntnis, dass es da eine Art von Verbundenheit zwischen den Menschen gibt, die sie niemals wird spüren können.
Die kulturellen Aspekte und vor allem die Komplexität des Konflikts, in dem Waris steckt, kommen aber deutlich zu kurz. Stattdessen wird Waris Dirie als tapfere, zähe, stolze Frau gezeichnet, die erstaunlich materialistisch und pragmatisch agiert. Angesichts der Tragödie, die sie erlebt hat, hat dieser Film über weite Strecken eine erstaunliche (man kann auch sagen: fahrlässige) Leichtigkeit. Gelegentlich deutet Wüstenblume zwar an, wie viel Chauvinismus und Rassismus ihr auch dann noch begegnen, als sie längst nicht mehr Obdachlose ist, sondern Glamourgirl. Was Wüstenblüme aber niemals wirklich thematisiert: Als noch größeres Stigma als ihre verstümmelten Genitalien erweist sich für Waris die Tatsache, dass sie eine Frau, ein Flüchtling und eine Afrikanerin ist.
Bestes Zitat:
„Denk dabei nicht ans Geld. Das hat noch nie jemanden schöner gemacht.“
Der Trailer zum Film:
httpv://www.youtube.com/watch?v=17WXMPK1pA8