Draufgeschaut: Zimt und Koriander

Der kleine Fanis (Markos Osse) treibt sich am liebsten in der Küche herum.
Der kleine Fanis (Markos Osse) treibt sich am liebsten in der Küche herum.
Film Zimt und Koriander
Originaltitel Politiki kouzina
Produktionsland Griechenland
Jahr 2003
Spielzeit 103 Minuten
Regie Tassos Boulmetis
Hauptdarsteller Georges Corraface, Ieroklis Michaelidis, Renia Louizidou, Stelios Mainas, Tamer Karadagli, Basak Köklükaya, Tassos Bandis, Markos Osse
Bewertung

Worum geht’s?

Gerade will Fanis, der als Dozent für Astrophysik in Athen tätig ist, zu einem Gastsemester nach Berkeley aufbrechen, da erreicht ihn die Nachricht, dass sein Großvater zu Besuch kommen will. Die Ankündigung ist durchaus bedeutend: Als die Familie noch in Konstantinopel lebte, wo der Großvater einen Laden für Gewürze hatte, waren Fanis und sein Opa ein Herz und eine Seele. Doch dann wurde Fanis mit seinen Eltern 1964 nach Griechenland vertrieben, und seitdem hat er seinen Großvater nie mehr gesehen. Schon mehrfach hatte der einen Besuch angekündigt, doch immer kam etwas dazwischen. Sollte es diesmal klappen? Und wie würde sich das Wiedersehen nach einem halben Leben anfühlen?

Das sagt shitesite:

In der ersten Einstellung von Zimt und Koriander ist eine Brustwarze zu sehen, die mit Zucker bestreut wird, bevor ein Baby daran saugt. Die letzte Szene zeigt Fanis, der mit den Gewürzen auf dem Dachboden seines Großvaters die ganze Milchstraße nachstellt. Es braucht nicht mehr viel Transferleistung, um daraus auf die Botschaft dieses sehr poetischen, aber etwas altbackenen Films zu schließen: Die ganze Welt ist Duft, und gleich am Beginn unseres Lebens steht der Geruch.

Das Schärfen der Sinne, das Erleben von Sinnlichkeit, das Genießen der Vielfalt der Sinneseindrücke – all das sind wichtige Themen für Zimt und Koriander, und darin und in den starken Bildern, mit denen dies eingefangen wird, erinnert der Film ein wenig an Das Parfüm. Gewürze verändern den Menschen, lehrt der Großvater. Daraus entwickelt sich bei Fanis schon als kleiner Junge eine Leidenschaft für das Kochen, das für ihn schnell eine Möglichkeit wird, seine Fantasie und Individualität inmitten einer streng reglementierten Welt auszuleben, in der für kleine Jungs eher eine Karriere beim Militär als angebracht gilt als in der Küche. Zugleich lernt er: Das Essen ist nicht nur ein Genuss, sondern ein soziales Geschehen inmitten einer Familie mit reichlich Konflikten. Es steht für Gemeinschaft, Miteinander und Verbundenheit.

Das ist aber nur der eine Aspekt von Zimt und Koriander. Der zweite (und wichtigere) stellt die historische Beziehung von Griechen und Türken in den Mittelpunkt und findet dabei einen durchaus versöhnlichen Ton. Innerhalb der einzelnen Zeitebenen des Films (durch Einblendungen passenderweise als Vor-, Haupt- und Nachspeise tituliert) kulminiert deren Entwicklung in der Figur von Fanis. Ende der 1950er Jahre lebt er in Konstantinopel, in einer multikulturell geprägten Stadt, einträchtig mit den Nachbarn und in einer Familie, in der sein griechisch-stämmiger Vater eine türkisch-stämmige Frau geheiratet hat. Als sich der Konflikt um Zypern verschärft, wird das Zusammenleben schwieriger: Die Griechen werden nun als Fremde betrachtet. Nach der Ausweisung erlebt die Familie in Griechenland dasselbe: Dort gelten sie als Türken.

Umso größer ist das Bestreben der Familie, sich anzupassen – und auch dadurch wird dem heranwachsenden Fanis alles genommen, was ihm lieb ist: der Großvater, die Heimat, seine Freundin Saime, schließlich die Freude am Kochen. Er wird „aus dem Mittelpunkt seines Lebens herausgerissen und verpflanzt“, wie es an einer Stelle im Film heißt. Wie dieses Gefühl von Heimatlosigkeit – immer wieder in Erinnerung gerufen durch die erst versprochenen, sich dann zerschlagenden Besuche des Großvaters; verstärkt durch die Sehnsucht von Fanis nach Saime, der Freundin aus Kindheitstagen, die sich dann zu einer verliebten Obsession steigert – eingefangen wird, ist die größte Stärke des Films. So zeigt Zimt und Koriander letztlich: Fürs Leben und Lieben gibt es kein Rezept.

Bestes Zitat:

„Eine Beziehung ohne Streit ist wie eine Hochzeit ohne Musik.“

Der Trailer zum Film:

httpv://www.youtube.com/watch?v=hi7XsdPPvlI

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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