Künstler*in | Dry The River | |
Album | Alarms In The Heart | |
Label | Transgressive | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung | Foto oben: Cooperative Music |
Für ihr Debütalbum Shallow Bed, veröffentlicht im März 2012, bekamen Dry The River aus London recht viel Lob von Kritiker*innen. Auch kommerziell war die Platte, die Platz 30 in den UK-Albumcharts erreichte, ein veritabler Erfolg. Das zweieinhalb Jahre später vorgelegte Alarms In The Heart schnitt nur einen Platz schlechter ab. Denoch kam die Band um Frontmann Peter Liddle dann Ende 2015 bereits zu dem Schluss, dass für ihre Musik das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Dry The River lösten sich auf.
Im Rückblick wirkt das gar nicht mehr so erstaunlich, wie es für die Fans zum Zeitpunkt des Splits gewesen sein muss. Denn Alarms In The Heart, an dem die Erfolgsproduzenten Charlie Hugall (Florence & The Machine, Ed Sheeran), Paul Savage (Mogwai, Franz Ferdinand) und Peter Miles (We Are The Ocean, Futures) mitgewirkt haben, klingt an vielen Stellen schon wie ein Alterswerk.
Natürlich kann man jetzt berechtigterweise anmerken, dass dies auch schon beim Debüt der Fall war. Doch viele der hier vertretenen zehn Lieder wirken wie aus der Perspektive geschrieben, die man in Gethsemane so beschrieben findet: “Excavating down / you’d find the drowning and the drowned / And then there’s us, babe.” Vorgetragen wird das mit heiligem Eifer und biblischem Ernst, das Ergebnis ist große Songwriting-Kunst. Auch Hidden Hand, das sich irgendwo zwischen Arcade Fire und Radiohead platzieren ließe, unterstreicht, dass die Stimme von Peter Liddle förmlich automatisch ein Gefühl größter Seriosität und Sensibilität erzeugt.
Unterstützt wird das diesmal durch die Arrangements, die Valgeir Sigurðsson (Sigur Rós, Björk) beigesteurt hat. Beispielsweise im recht schwungvollen Med School verstärkt das Orchester ganz wunderbar das darin artikulierte Unwohlsein beim Gedanken, an irgendetwas Teil zu haben, auf das man kein Anrecht hat. Der Titelsong hat eine ähnlich gekonnte Dramaturgie: Alarms In The Heart ist feinfühlig, hat aber auch Lust auf Theater und im Gitarrensolo sogar auf Aggressivität. In Vessel strahlt die ebenfalls von Sigurðsson beigesteuerte Geige, es wird wieder so ein Lied, das sich wandelt wie das Wetter oder, bei diesem Titel wohl passender, wie die See, von ruhig und pittoresk bis zu aufgepeitscht und zerstörerisch.
In Rollerskate kann man ein bisschen Verwandtschaft zu den Editors erkennen, die zentrale Zeile „I couldn’t want you more than this“ wird mit jeder Wiederholung intensiver und glaubwürdiger. It Was Love That Laid Us Low offenbart ein Feuer und eine Verzweiflung, wie man das beispielsweise auch bei Glasvegas erleben kann, aber bei Dry The River ist das nach innen gerichtet statt nach außen. Everlasting Light vereint Drive und Drama, die Gitarre ist fast etwas irrlichternd, das Schlagzeug dafür umso entschlossener. Roman Candle ist ein Duett mit Emma Pollock (The Delgados), sie und Liddle scheinen sich darin gegenseitig in Schwermut übertrumpfen zu wollen.
Den Album-Schlusspunkt Hope Diamond könnte man – wissend um das dann recht bald folgende Ende der Band – in der Tat als Schwanengesang von Dry The River interpretieren. Es ist erst ein Lied, das voll und ganz in sich selbst ruht, dann entfaltet sich ein mehr als drei Minuten langes Fade Out, das schließlich zu einem reduzierten Hidden Track namens Husk führt. Man hätte schon damals vermuten können: Das ist ein Abschiedsgruß.