Autor | Claude Simon |
Titel | Die Akazie |
Verlag | Süddeutsche |
Erscheinungsjahr | 1989 |
Bewertung | **** |
Wäre Claude Simons Sprache ein Fluss, so wäre dieser groß, mitreißend, monströs. Und doch kein reißender Strom, der nur auf dem schnellsten Weg zum Ziel will. Sondern fein verästelt, sich immer wieder selbst nährend, mäandernd.
Denn nichts ist in „Die Akazie“ linear. Es gibt so viele Einschübe und Sprünge in diesen Sätzen, die manchmal mehr als eine Seite lang sind, dass man in der Grammatik des Literaturnobelpreisträgers beinahe einen Vorläufer der Programmiersprache HTML sehen mag, ein Netz, ein Geflecht, einen Kosmos.
Und doch ist „Die Akazie“ anschaulich und authentisch. Denn den Roman zeichnet eine sagenhafte Gier nach Wahrnehmung aus, die jede Geste, jeden Geruch, jedes Geräusch genau registriert und speichert.
Es ist die Geschichte zweier Generationen aus der selben Familie, über zwei Männer, die in den beiden Weltkriegen ihr Leben ließen. Simon zeigt gekonnt die Unbarmherzigkeit der Schlacht und die Ironie des Schicksals: Die beiden Protagonisten erleben durch ihr Soldatendasein einen gesellschaftlichen Aufstieg – nur um dann als Soldaten zu sterben. Der unentrinnbaren Maschinerie des Militärs, der Kunst des Krieges (der ewig komplex ist und doch nur ein ganz einfaches Ziel hat) entsprechen die langen Kettensätze in diesem Buch. Mehr noch als diese formale Perfektion beeindruckt die Schärfe, mit der Simon die Hintergründe aufzeigt.
Denn gerade die Ungerechtigkeit der Welt wird für die beiden Hauptfiguren zur Motivation, ihr Glück beim Militär zu versuchen. Sie ist es also, die letztlich zur fatalen Legitimation und morbiden Anerkennung der Kriegerkaste führt.