Autor*in | Daniel Bouhs | |
Titel | Soziale Netzwerke für Nachrichtenjournalisten | |
Verlag | dapd Handbuch | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Als Handbuch, Einführung und Hilfe für den Arbeitsalltag in Redaktionen ist Soziale Netzwerke für Nachrichtenjournalisten gedacht. Heute, nur sechs Jahre nach Erscheinen des Werks von Daniel Bouhs, kann man das Büchlein aber beinahe auch als historische Quelle verstehen. Denn es zeigt die ungeheure Dynamik im Netz und insbesondere in den sozialen Medien.
Wie lange 2011 in der Zeitrechnung von Social Media her ist, macht schon das Vorwort des Buchs deutlich, in dem der damalige Chefredakteur der Nachrichtenagentur dapd, Cord Dreyer, ein beträchtliches Fremdeln mit derlei Netzwerken offenbart. Formulierungen wie „müssen sich anfreunden“, „kommen nicht umhin“ oder „unaufhaltsame Entwicklung“ lassen zwischen den Zeilen recht klar die Botschaft erahnen: Für mich als Journalisten aus dem Holzzeitalter ist das Internet eine Plage, die über uns gekommen ist. Durch dieses 2.0-Ding ist alles noch schlimmer geworden. Aber auch ich habe wohl keine Chance mehr, das Rad der Zeit zurückzudrehen.
Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, zeigen dann auch im Hauptteil des Buchs etliche Beispiele: 2011 hatte Facebook noch Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent bei den Mitgliedern, Twitter war noch nicht an der Börse, die VZ-Netzwerke existierten noch, dafür kannte noch kein Mensch das Wort „Instagram“ und die Piratenpartei war noch eine relevante, sogar aufstrebende politische Größe.
Auch die Biographie des Autors zeigt das Tempo des Wandels: Seit dem Ende der Nachrichtenagentur dapd, in deren Diensten er diesen Ratgeber verfasste, ist Daniel Bouhs (Jahrgang 1982) wieder freiberuflich tätig. Mittlerweile hat er sich als einer der vielseitigsten Netzwelt-Kenner des Landes profiliert, etwa durch seine regelmäßigen Beiträge für ZAPP, taz und das Deutschlandradio.
Naturgemäß sind etliche der Inhalte überholt, als erste Annäherung an die Welt der Social Media kann Soziale Netzwerke für Nachrichtenjournalisten aber auch heute noch für Medienmacher funktionieren, die das Netz erstmals und systematisch als Recherchequelle nutzen wollen. „Soziale Netzwerke können Bereicherung und ein ständiges Korrektiv sein: Welche Aspekte fehlen in einer Geschichte, welche sind vielleicht veraltet, welche womöglich sogar falsch? Feedback dieser Art mag zunächst lästig erscheinen. Es sorgt unter dem Strich aber für mehr Qualität, eine stärkere Faktendichte und eine üppigere Detailfülle der journalistischen Arbeit. Das gilt im Besonderen, wenn Journalisten soziale Netzwerke nicht als Ersatz für klassische Recherchen und die Kontaktpflege in der realen Welt verstehen, sondern als Ergänzung ihrer Arbeit, an die vor wenigen Jahren noch nicht einmal im Traum zu denken war“, schreibt Bouhs beispielsweise, und solche Empfehlungen sind natürlich nach wie vor zutreffend.
Das Zitat führt zu einem anderen Aspekt, der nicht nur aus medienhistorischer Sicht bei der heutigen Lektüre enorm interessant ist: Das Erscheinen des Buchs fällt in eine Zeit der Social-Media-Euphorie, in der es zwar bereits eine ausgeprägte Datenschutz-Debatte gab, aber Begriffe wie Filterblase, Hate Speech, Lügenpresse oder Fake News noch nicht einmal in Ansätzen zu erkennen waren. Im Gegenteil, ein Mitarbeiter der Rhein-Zeitung (die zu den Pionieren des Online-Nachrichtenjournalismus in Deutschland gehört und für die Bouhs als Student gearbeitet hat) wird so zitiert: „Wer einmal angefangen hat, sich als Journalist in sozialen Netzwerken zu bewegen, der bekommt viel Wärme zurück: Feedback und Anregungen.“ Für viele seiner heutigen Kollegen muss das fast ironisch wirken.
Bestes Zitat: „Dieser Weg [in die sozialen Netzwerke] ist für Medien alternativlos – so anstrengend er dem Einzelnen anfangs auch erscheinen mag. Alles in allem erweitert sich das Berufsbild von Journalisten in die digitale Welt. Ihre Recherchefelder werden komplexer und unübersichtlicher, aber zugleich auch reichhaltiger und vielfältiger.“