Durchgelesen: David Duchovny – „Heilige Kuh“

Autor David Duchovny

Eine Kuh ist die Erzählerin im ersten Roman von David Duchovny.
Eine Kuh ist die Erzählerin im ersten Roman von David Duchovny.
Titel Heilige Kuh
Verlag Heyne
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Dass David Duchovny ein bisschen schräg ist, hatte man erwarten dürfen. Er hat den schrägen FBI-Agenten Fox Mulder in Akte X gespielt, den noch schrägeren DEA-Ermittler Dennis Bryson in Twin Peaks und den überaus schrägen Säufer Hank Moody in Californication.

Man hatte also erwarten dürfen, dass es ein bisschen abseitig wird, wenn der 54-Jährige (übrigens mit Literatur-Examen aus Princeton und Yale ausgestattet) seinen ersten Roman vorlegt. Was sich in Heilige Kuh ereignet, überrascht dann aber doch. Es kommt nicht allzu oft vor, dass man eine leicht schwatzhafte Ich-Erzählerin hat, die sich mit Homer vergleicht. Und drei Jahre alt ist. Und eine Kuh.

Sie heißt Elsie Bovary, genießt in Heilige Kuh zunächst ihr Leben auf einer Farm, tuschelt mit ihrer besten Freundin Mallory und mag es, wenn sie vom mittleren Sohn der Familie gemolken wird. Dann läuft sie eines Abends am Bauernhaus vorbei und blickt auf den darin laufenden Fernseher. Was sie entdeckt, ist ein Schock: eine Dokumentation über Massentierhaltung und Schlachthöfe. Elsie fällt in eine tiefe Depression, bis ihr wiederum das TV-Programm einen Ausweg aus ihrem drohenden Schicksal als Steak eröffnet: Elsie erfährt, dass Kühe in Indien als heilig verehrt werden. Sie beschließt, sich dorthin auf den Weg zu machen.

„David Duchovnys wahnsinnig toller erster Roman Heilige Kuh ist eine ernsthaft unterhaltende Fabel, die sich selbst nicht zu ernst nimmt“, hat die Washington Post das Buch gut zusammengefasst. Die Botschaft Duchovnys, der überzeugter Vegetarier und Tierschützer ist, wird ebenso deutlich wie in einem Sachbuch à la Tiere essen oder Michel Fabers viel verklausulierterer Fabel Die Weltenwanderin. Die Stärke seines Romans ist der Sound, der in der sehr launigen Übersetzung von Timur Vermes eine wunderbare Entsprechung findet.

Elsie reflektiert (als Kuh!) das eigene Schreiben, verrät die Tipps, die ihre Verlegerin ihr zwecks Steigerung der Auflage gegeben hat und versucht, die Gedanken ihres Publikums zu antizipieren (und oft genug als dämlich zu brandmarken). Sie spricht den Leser immer wieder direkt an, und zwar nicht nur als Leser, sondern auch als Vertreter der seltsamen Gattung Mensch. Und sie gibt sich unprätentiös und aggressiv wie eine 15-jährige Straßengöre. Wie das bei jungen Mädchen so ist, hat sie tatsächlich bald ein paar nervige Typen am Hals: Ein zum Judentum konvertiertes Schwein (Spitzname: „Schalom“) und der hyperaktive Truthahn Tom wollen sie auf ihrer Flucht von der Farm begleiten.

Durchgeknallt? Aber hallo! Bremer Stadtmusikanten für Arme? Kein bisschen! Duchovny schafft es in Heilige Kuh tatsächlich, alle denkbaren Vorwürfe vorwegzunehmen und so zu entkräften. Dazu gehören die Parallelen zu Animal Farm („unrealistisch“, lautet das Urteil von Elsie), die nach und nach immer mehr schwindende Plausibilität (die in der zweiten Hälfte zumindest teilweise durch eine höchst skurrile Eskalation des Plots und Seitenhiebe unter anderem auf Weltreligionen, Sexualmoral und den Nahost-Konflikt ausgeglichen wird), auch der Verweis auf eine mögliche Hollywood-Adaption (Heilige Kuh war ursprünglich eine Zeichentrickfilm-Idee, für die Duchovny aber kein großes Studio begeistern konnte, wie er in der Danksagung gesteht).

Nach den mehr als wohlwollenden Kritiken (als “a charming fable about dignity and tolerance, complete with anthropomorphized animals and replete with puns, double-entendres and sophisticated humor”, hat Kirkus Review das Buch gelobt) könnte es das Werk ja vielleicht doch noch auf die Leinwand schaffen. Aber auch als Roman ist Heilige Kuh, wie Elsie sagen würde: saukuhl.

Bestes Zitat: „Ihr Menschen trinkt unsere Milch, und ihr esst die Eier von Hühner und Enten. Reicht euch das nicht? Reicht es euch nicht, dass wir euch unsere Kinder geben und das Babyfutter dazu? Und wenn euch das nicht reicht, werdet ihr dann überhaupt irgendwann genug kriegen? Ihr nehmt nur und nehmt, das ist alles, was ihr könnt, ihr nehmt von der Erde und ihren wunderschönen Lebewesen, und was kriegt man von euch zurück? Nichts. Ich weiß, dass die Menschen es für eine ganz schlimme Beleidigung halten, wenn man sagt, dass sie sich wie Tiere benehmen. Aber ich kann euch sagen: Ich würde nie einem Menschen den Gefallen tun, ihn mit einem Tier zu vergleichen (…). Das Recht, ‚Tier’ genannt zu werden, müssen sich die Menschen erst wieder verdienen.“

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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