Autor | Felix Römer |
Titel | Kameraden – Die Wehrmacht von innen |
Verlag | Piper |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | ***1/2 |
Die Wehrmacht war eine tapfere, schlagkräftige und vor allem anständige Armee. Kriegsverbrechen wurden nur von der teuflischen SS begangen. Diese Vorstellung war bis 1995 ziemlich unangefochten. Dann kam die Wehrmachtsausstellung und stellte eine andere These in den Raum: Auch ganz normale Wehrmachtsangehörige begingen Kriegsverbrechen, sogar reihenweise.
Auch diese Behauptung blieb seitdem nicht unwidersprochen. Doch wie war die Wehrmacht wirklich? Eine Verbrecherarmee, besessen von der Nazi-Ideologie, grausam und gesetzlos? Oder eine Truppe aus ganz normalen Männern, von verblendeten Führern in die Schlacht getrieben, wo sie nur ihre Pflicht erfüllten, so gut es eben ging? Will man diese Frage beantworten, muss man ganz nah ran an die Soldaten. Ideal wäre es, wenn man ein paar von ihnen mit Mikrofonen ausgestattet hätte, um ihre Erlebnisse an der Front, in der Etappe oder im Heimaturlaub mitzuschneiden und im Nachhinein auswerten zu können.
Solche Quellen gibt es natürlich nicht. Aber es gibt welche, die ziemlich nah heran kommen an dieses Ideal von der Innenansicht der echten, unverfälschten Wehrmacht. Der Historiker Felix Römer hat diese Quellen gefunden, erstmals ausgewertet und daraus mit Kameraden – Die Wehrmacht von innen ein faszinierendes, ebenso erhellendes wie erschütterndes Buch gemacht. Das Werk ist zugleich Lesebuch (Römer berichtet beispielsweise auch von Erfahrungen und Schilderungen aus seiner eigenen Familie und Nachbarschaft), Mentalitätsgeschichte und Überblick über Stand der Forschung zur Wehrmacht.
Die Datengrundlage sind Protokolle aus einem US-Lager, in dem deutsche Kriegsgefangene verhört wurden. Die Existenz von Fort Hunt vor den Toren Washingtons unterlag absoluter Geheimhaltung. Seit Ende 1942 war das Lager in Betrieb, bis Ende des Zweiten Weltkriegs waren hier insgesamt rund 3000 deutsche Soldaten inhaftiert. Sie mussten sich in Interviews den Fragen der US-Offiziere stellen, zudem wurden ihre Gespräche in den Zellen abgehört und dokumentiert. Die US-Dossiers umfassen mehr als 100.000 Seiten. Zu den Stärken des Materials gehört, dass hier keine Zensur und auch kaum Selbstzensur wie etwa bei Feldpostbriefen erfolgte, auch die Verdrängung und Verklärung, die in den Erinnerungen von Veteranen nach dem Krieg immer wieder zu finden ist, spielt hier noch kaum eine Rolle.
Aus ähnlichen Protokollen aus einem britischen Lager, nach dessen Vorbild Fort Hunt errichtet wurde, ist bereits das 2011 erschienene Buch Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben hervorgegangen, an dem Felix Römer ebenfalls mitgearbeitet hat. Die US-Quellen haben gegenüber den britischen jedoch noch einen entscheidenden Vorteil: Zu allen Soldaten liegen hier detaillierte Lebensläufe vor, sodass sich erkennen lässt, aus welchem Milieu der jeweilige Soldat in die Wehrmacht gekommen ist. Durch das Studium der Abhörprotokolle, kombiniert mit diesem Hintergrundwissen, „sieht man die Wehrmacht und den Zweiten Weltkrieg mit den Augen der Soldaten“, verspricht Kameraden.
Das ist ein Anspruch, der auf den knapp 500 Seiten durchaus eingelöst wird. Die Soldaten zeigten sich vor allem in den Zellen, wo sie sich unter sich wähnten, redselig und unbefangen. Sie waren neugierig auf die Erfahrungen der anderen und manchmal froh, sich das Erlebte von der Seele reden zu können. Sie begegneten einander dem Urvertrauen der Kameradschaft. Zu ihren Themen gehörten Klatsch und Tratsch, die Lage in der Heimat, die Umstände ihrer Gefangenschaft und natürlich immer wieder die Erfahrungen des Krieges. Es wurde geprahlt und verglichen, gelästert und geschimpft. „So offen und ungestört reden wie hier konnten die Männer weder in den regulären Gefangenenlagern noch im Deutschland der Nachkriegszeit“, betont Römer.
Die Protokolle der Gespräche und Verhöre zeichnen – und der wiederholte Hinweis darauf ist die große Stärke des Buches – ein sehr differenziertes Bild der Wehrmacht. Insgesamt dienten während des Zweiten Weltkriegs rund 17 Millionen Männer in Hitlers Armee, und natürlich hat nicht jeder von ihnen seine Dienstzeit gleich erlebt. Römer unterscheidet in seinem Buch zwischen den verschiedenen Schauplätzen, Waffengattungen und Dienstgraden und kommt zum Fazit: „Die Wehrmacht war so vielschichtig wie die Gesellschaft, aus der sie sich rekrutierte. Und die Spannbreite der Verwendungen, Erlebnisse und ihrer Deutungen war so groß, dass sich geradezu gegensätzliche Soldatenbiografien ergeben konnten.“
Das bedeutet: Es gab Drückeberger und Haudegen. Es gab überzeugte Nazis und Männer, die Hitler ablehnend gegenüber standen. Zwischen diesen Polen gab es aber auch Konstanten und Gemeinsamkeiten, die nicht nur als sozialer Kitt der Wehrmacht funktionierten, sondern letztlich auch ihr militärisches Potenzial bestimmten. Römer zeigt sehr gründlich die Mechanismen auf, die dabei wirkten – und die Spielräume, die jeder einzelne Soldat innerhalb dieses Systems hatte. Johannes Hürter betont diesen Aspekt in seinem Vorwort ebenfalls überdeutlich: „Die größte Leistung des meisterlichen Buchs von Felix Römer liegt vielleicht darin, dass in ihm die deutschen Soldaten als denkende und handelnde Subjekte gezeigt und analysiert werden, nicht als bloße Objekte oder gar willenlose Roboter universeller Mechanismen.“
Als entscheidende Triebkräfte für Hitlers Armee zählt Römer vor allem Soldatenethos, Pflichtauffassung und Kameradschaft auf und betont: „Politischer Linientreue bedurfte es hierzu gar nicht unbedingt.“ Auch später weist er noch einmal auf diese Dimension hin: „Politische Auffassungen und soldatisches Ethos waren zwei verschiedene Dinge, die nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen mussten. (…) Als Konservativer oder auch als ehemaliger Sozialdemokrat konnte man daher durchaus das NS-Regime ablehnen und trotzdem gleichzeitig ein begeisterter Soldat sein und Stolz auf Waffentaten und Ordensauszeichnungen empfinden, die man mit dem Hakenkreuz auf der Brust vollbracht hatte.“
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Im Militär konnte nur erfolgreich und anerkannt sein (das heißt: überleben und auf die Unterstützung der anderen Soldaten zählen), wer sich den Spielregeln des Militärs anpasste. Der Fahneneid war quer durch alle sozialen Schichten heilig, dazu kam die Prägung durch Nationalismus und Militarismus, die in Deutschland längst nicht erst mit dem Dritten Reich höchste Geltung erlangten. Auch, wenn man kein überzeugter Nazi war, so war man in der Regel doch stolzer Deutscher und stolzer Soldat. Nationalismus und Militarismus waren laut Römer „tief verankerte, langfristig kultivierte Mentalitäten, die als derart selbstverständlich galten, dass sie kaum noch reflektiert wurden“.
Beeindruckend ist diese Erkenntnis vor allem, wenn man bedenkt, welch marginale Bedeutung beides heute – gerade einmal zwei Generationen später – nur noch hat. Die Wehrpflicht ist abgeschafft, zu seinen Nachbarstaaten pflegt Deutschland freundschaftliche Beziehungen, junge Leute sehen sich als Weltbürger – solche Zustände waren für fast alle Wehrmachtssoldaten undenkbar.
Stattdessen waren in weiten Teilen der Truppe auch rassistische, antisemitische und antibolschewistische Ressentiments verwurzelt. „Die grundsätzliche Vorstellung von Differenz und Überlegenheit gegenüber anderen Völkern war in der Mentalität der Deutschen tief verankert; sie war die unvermeidliche Kehrseite des Nationalismus und ein Erbe des 19. Jahrhunderts.“
Noch einen starken Trend zeigt Römer in seinem Buch auf: Die Identifikation mit den Kameraden, der Einheit und letztlich auch dem Krieg stieg mit Grad der Involviertheit. Je länger man dabei war, desto tiefer steckte man drin. „Die Wehrmacht und der Krieg formten die Soldaten je nach Dauer und Intensität ihrer Erfahrungen“, umschreibt Römer diesen Effekt. Die Identifikation war dabei immer wieder auch Rechtfertigung für erlebte und ausgeübte Gewalt. Auch die Kameradschaft spielte eine entscheidende Rolle beim Bemühen, im Krieg einen Sinn zu sehen oder ihn zumindest ertragen zu können. Die Wehrmacht „bestand für die meisten ihrer Angehörigen in erster Linie in ihrem direkten persönlichen Umfeld, ihrer Gruppe, ihrem Zug, ihrer Kompanie“, hat Römer erkannt. Das Miteinander – und auch der Zwang zur Konformität – war dabei Überlebensstrategie und Trost zugleich. Die Kameradschaft wurde „inmitten all des massenhaften Sterbens und Tötens ein Refugium der Menschlichkeit“. Sie hatte durch den sozialen Druck, den sie ausübte, aber auch eine Kehrseite: „Einerseits kompensierte sie die Zwänge des Militärlebens, andererseits war sie selbst ein Teil davon, vielleicht sogar der beherrschendste.“
Die Bedeutung der Kameradschaft reichte dabei weit über den Bereich der persönlichen Beziehungen in den Einheiten oder der Atmosphäre in der Truppe hinaus. „Kämpfen – das hieß für viele Soldaten in erster Linie, für die Kameraden einzustehen, die ihnen am nächsten waren. Nicht zuletzt hierdurch trugen die Primärgruppen zum Funktionieren der Streitkräfte bei“, stellt Römer fest. Das bedeutet: Auch all jene, die sich nicht dem Regime, dem Vaterland oder der Wehrmacht insgesamt verpflichtet fühlten, hatten doch das Gefühl, den Kameraden verpflichtet zu sein – und ohne dieses Gefühl hätten sie womöglich deutlich weniger entschlossen oder gar nicht gekämpft. Zu Ende gedacht bedeutet das: Ohne die allgegenwärtige Idee von der Kameradschaft hätte es wohl deutlich mehr deutsche Soldaten gegeben, die kapituliert hätten, was den Krieg deutlich hätte abkürzen können.
Römer zeigt zwar, wie schwierig es in der Praxis sein konnte, sich zu ergeben und sich in Gefangenschaft zu begeben – selbst, wenn man sich kein bisschen mit dem Krieg identifizieren konnte: „Im Militär richtete sich alles nach der Gruppe, und die kollektive Dynamik drängte die individuellen Einstellungen der Soldaten, ihre politischen Überzeugungen und soziokulturellen Prägungen zumeist weitgehend in den Hintergrund. Wenn es zu handeln galt, orientierten sich die Männer an ihren Kameraden und Vorgesetzten, darauf bedacht, den gestellten Erwartungen zu genügen und die Herausforderung der Situation zu bewältigen – ob sie wollten oder nicht.“ Vor allem an der Ostfront, wo von Anfang an ein Vernichtungskrieg quasi ohne Rücksicht auf völkerrechtliche Konventionen geführt wurde, war an freiwilliges Aufgeben kaum zu denken.
Doch vor allem auf den anderen Kriegsschauplätzen gab es solche Optionen. Besondere Bedeutung kam dabei den Truppenführern zu. Sie konnten durchaus in einzelnen Situationen wählen, ob sie eine Stellung bis zum letzten Mann verteidigen wollten oder lieber die weiße Fahne hissten. Meistens entschieden sie sich fürs Weiterkämpfen, oft aus Überzeugung, legt Römer dar: „Bei den einfachen Soldaten kam es im Eifer des Gefechts häufig gar nicht zum Tragen, was sie über den Krieg, über Hitler und die Weltanschauung des Nationalsozialismus dachten. Bei den Truppenführern war dies anders, denn Ihre persönlichen Ansichten flossen in ihre Führungsentscheidungen mit ein – Truppenführer kämpften auch aus ideologischen Motiven.“
Damit spielten sie womöglich die entscheidende Rolle bei der Frage, wie lange die Alliierten brauchen würden, um die deutsche Gegenwehr zu brechen. „Im Personal der Wehrmacht lag der Schlüssel zu ihrer Kampfkraft. (…) Bis zuletzt konnte sich die Wehrmacht auf erfahrene und hoch motivierte Kämpfer stützen, die als Vorgesetzte oder informelle Führungsfiguren die Korsettstangen der Einheiten bildeten und ihre Kameraden mitrissen“, schreibt Römer. Sein Buch beleuchtet an dieser Stelle am deutlichsten das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv im Krieg: Der einzelne Soldat hatte kaum die Chance, die Flinte ins Korn zu werfen und seine Einheit im Stich zu lassen. Umgekehrt bestanden diese Einheiten aus lauter einzelnen Soldaten. Hätten sie alle kapituliert, wäre der Krieg am nächsten Tag vorbei gewesen.
Doch die Hoffnung der deutschen Soldaten auf einen Sieg währte lange, und sie speiste sich ebenfalls aus dem Miteinander in der Truppe. Die Protokolle aus Fort Hunt (die meisten Akten stammen aus der letzten Kriegsphase ab Juni 1944) belegen, dass praktisch alle überzeugt von der Stärke der Wehrmacht waren, bis in die letzten Monate des Krieges hinein. Die meisten Soldaten bekamen die große Gesamtentwicklung des Krieges durchaus mit. Trotzdem wurde die Realität von manchen verklärt. Als Ursachen für Rückschläge wurden Feigheit einzelner Einheiten oder Fehlentscheidungen von Generälen ausgemacht – nicht die Stärke der Alliierten. „Indem man die Ursachen für die Niederlagen in den eigenen Reihen suchte, erhielt man sich (…) die Illusion von eigener Handlungsmacht. Denn man blendete damit den belastenden Gedanken aus, dass die Kontrolle über das Geschehen längst beim Gegner lag.“
Solche Tricks und Selbsttäuschungen trugen dazu bei, die Kampfmoral hoch zu halten, die nach der Interpretation von Felix Römer bis zum Ende des Krieges sehr hoch war. Vor allem sehr junge Soldaten, die in NS-Zeit sozialisiert worden waren, glaubten offensichtlich oft bis zum Schluss an die Durchhalteparolen der Führung. Das galt auch für „langgediente Soldaten, die dem Krieg schon zu viel geopfert hatten und darin zu tief involviert waren, um ihn vorschnell verloren zu geben“. Viele von ihnen konnten sich nach zig Einsätzen an der Front kaum mehr ein ziviles Leben in der Heimat vorstellen. Sie befürchteten eine Unterwerfung des deutschen Volkes im Falle einer Niederlage und wurden vor allem von dem Gedanken gequält, dass ihr jahrelanges Kämpfen dann umsonst gewesen wäre.
Diese beiden Faktoren sorgten auch für die erstaunlich hohe Loyalität zu Adolf Hitler. „Der ‚Führer’ verkörperte in den Augen vieler Wehrmachtssoldaten alles Positive und Verheißungsvolle am Nationalsozialismus, während alle negativen Erscheinungen seinem persönlichen Umfeld und nachgeordneten Instanzen angelastet werden konnten.“ Hitler war demnach die „zentrale Integrationsfigur des Regimes, die viele Zweifel zerstreute und trügerische Hoffnungen näherte“. Mit dem Glauben an die Unfehlbarkeit Hitlers „bewahrten sich die Soldaten die Illusion, dass ihr Kriegseinsatz noch Sinn ergab“, stellt Römer fest. Die Aussagen in Kameraden – Die Wehrmacht von innen machen immer wieder deutlich, dass Zweifel am „Führer“ bei den Soldaten praktisch nicht vorhanden waren. „Für die Wehrmachtssoldaten stellt sich die Loyalität zu Hitler als unhinterfragter Normalzustand dar, und viele von ihnen kamen erst in der Gefangenschaft zur Besinnung.“ Auch hier beweisen die jüngeren Soldaten, die von der Propaganda der NS-Zeit geprägt waren, wieder besonders lange ihre große Verbundenheit mit Hitler.
Die Aussagen der Kriegsgefangenen zeigen aber auch, dass die Wehrmacht bei weitem keine Weltanschauungsarmee war. Die klare Mehrheit der Soldaten war mit den Zielen des Nationalsozialismus einverstanden. Aber die wenigsten hatten ein klar gefügtes oder gar unverrückbares Weltbild. Vereinfacht gesagt: Solange man den Eindruck hatte, persönlich vom Regime zu profitieren, war man damit einverstanden. „Für die Masse zählten bei der Beurteilung von Politik und Staatshandeln letztlich vor allem Erfolg oder Misserfolg“, analysiert Römer. Die meisten Soldaten waren ideologisch geprägt, ohne sich sonderlich für große Ideen, Politik oder Theorien zu interessieren. „In den Diskussionen in Fort Hunt offenbarte sich immer wieder, wie unreflektiert, inkonsistent und flüchtig sich das Weltbild vieler Soldaten tatsächlich gestaltete. Manche Wehrmachtsangehörige entwickelten überhaupt erst im Verlauf ihrer Gespräche in der Kriegsgefangenschaft eine politische Meinung, die sie vorher offensichtlich kaum durchdacht hatten“, hat Römer erkannt.
Das erklärt auch die Einstellung zu den Kriegsverbrechen, denen Römer ein eigenes Kapitel widmet. „Längst nicht jeder Wehrmachtssoldat, auch nicht jeder SS-Grenadier, wurde zum Kriegsverbrecher, doch jeder konnte potenziell dazu werden, abhängig von der jeweiligen Einheit, dem Einsatzort und den Umständen“, lautet sein Fazit. Römer belegt zudem: Obwohl über Tod oder gar das eigene Töten in der Truppe offensichtlich kaum gesprochen wurde, auch nicht in der Gefangenschaft, wussten praktisch alle in der Wehrmacht über Kriegsverbrechen und den Holocaust bescheid, aber es gab kaum eine Auseinandersetzung damit.
Wer beispielsweise an der Erschießung von Juden an der Ostfront beteiligt war – egal, ob gezwungenermaßen oder freiwillig -, verklärte in den Gesprächen in Fort Hunt sofort seine Rolle. Als die Schuld und die Verbrechen erkannt wurden, wurde umgehend Hitler dafür verantwortlich gemacht, man selbst war allenfalls Opfer – diese Strategie setzte sich dann nach Ende des Krieges in Deutschland fort.
Bis zur Wehrmachtsausstellung war diese Argumentation allgegenwärtig. Die Angehörigen der Wehrmacht haben getötet, weil sie ihre Pflicht als Soldaten im Krieg getan haben – so lautete die Position. Die Macher der Ausstellung behaupteten eher: Sie haben getötet, weil sie Nazis und Verbrecher waren. Das Buch von Felix Römer verwirft beide Positionen und liefert stattdessen ein eigenes, differenziertes, überzeugendes Bild.
Bestes Zitat: „Dies wollten gewiss die meisten Soldaten von sich sagen können: dass sie zwar hart gewesen, aber nicht grausam geworden, eben „anständig“ geblieben seien. (…) Dass sie sich im Nachhinein von der Gewalt ein Stück weit distanzieren, bedeutete freilich nicht, dass sie nicht zu allem fähig gewesen wären: Die Bewältigungsstrategien hinderten sie nicht am Töten, sondern versetzten sie erst in die Lage dazu. Dies galt auch für ihre Teilnahme an Kriegsverbrechen.“