Howard Sounes – „Paul McCartney“

Autor Howard Sounes

Wirklich ein Porträt, und nicht bloß eine Biographie: "Paul McCartney".
Wirklich ein Porträt, und nicht bloß eine Biographie: „Paul McCartney“.
Titel Paul McCartney – Das Porträt
Originaltitel Fab – An Intimate Life Of Paul McCartney
Verlag Droemer
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

530 Einträge spuckt der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek aus, wenn man nach Büchern von/mit/über Paul McCartney sucht. Die Frage, warum es eine weitere Biographie von Sir Paul braucht, drängt sich zunächst auch bei Paul McCartney – Das Porträt von Howard Sounes auf. Der Autor gibt die Antwort selbst: Er will ausgewogener und detaillierter sein als seine Vorgänger.

In beiden Bereichen kann man Sounes wenig vorwerfen. In punkto Details kann er beispielsweise allein drei Seiten Dank an all die Gesprächspartner ins Feld führen, mit denen er bei den Recherchen für dieses Buch gesprochen hat, dazu fast 50 Seiten Quellen und auch noch Fußnoten. In punkto Ausgewogenheit kommt er niemals in Verdacht, er betrachte Paul McCartney durch die rosarote Brille. Dass Sounes kein Fan ist, macht er selbst deutlich: Erst 1990 hat er Macca erstmals im Konzert gesehen, bis dahin besaß er keine einzige seiner Nicht-Beatles-Platten.

Auch in seinen Bewertungen hält er nicht mit Kritik zurück. „So albern 1969 Spekulationen gewirkt hatten, Paul McCartney sei tot, so konnte man sich jetzt durchaus fragen, ob er sich vor seinem Abschied von den Beatles nicht einer Gehirnoperation unterzogen habe“, schreibt er etwa über die ersten Soloversuche. Die Optik gefällt ihm kaum besser als die Akustik: „Die Mode der Siebziger war keineswegs immer scheußlich, aber es lässt sich nicht leugnen, dass Paul McCartney bis weit in die Achtziger hinein entsetzliche, geschmacklose und unpassende Klamotten trug, dazu eine damals moderne, aber grauenhafte Vokuhila-Frisur.“

Die von Sounes akribisch zusammengetragenen Stimmen und Fakten, aufgeteilt in zwei annähernd gleich umfangreiche Teile über die Beatles-Ära und die Zeit danach, wirken manchmal wahllos aneinander gereiht. Eine Lobhudelei, die glühende Hymne eines Paul-Verehrers wäre sicher in mancher Hinsicht die angenehmere Lektüre gewesen. Doch gerade sein unverstellter Blick auf Paul McCartney ermöglicht es Sounes (Jahrgang 1965), viele interessante Einblicke in das Leben des Manns zu liefern, über den Beatles-Manager Tony Bramwell einmal gesagt hat: „Paul war ein Beatle. Er war der beatligste Beatle von allen.“

Howard Sounes legt den Fokus seiner Recherchen auf Frauen und Geld – zwei Interessen, die er zweifelsohne mit Paul McCartney teilt. Er zitiert genüsslich aus Scheidungsakten mit Heather Mills, zieht Vergleiche mit Bob Dylan (über den er ebenfalls eine Biographie geschrieben hat), berichtet von Pauls gutem Draht zur Queen und verrät, dass Sir Pauls Lieblingsdrink Whiskey-Cola ist. Er hat ein paar amüsante und gut belegte Anekdoten auf Lager, etwa, wie Paul seine Tante Milly zum Kiffen brachte. Oder warum McCartneys spätere Ehefrau Linda, einen Tag nachdem sie zum ersten Mal bei Paul zu Hause war, mit dessen Mitbewohner ins Bett ging.

Vor allem aber gelingt es ihm, tatsächlich dem Anspruch gerecht zu werden, der vom deutschen Untertitel aufgestellt wird: Sein Buch ist nicht nur eine Biographie, sondern ein Porträt. Sounes berichtet nicht nur, sondern er erkennt auch, was dahinter steckt. Dass Paul McCartney ebenso sentimental und romantisch wie skrupellos und egoistisch sein konnte, daran lässt der Autor keinen Zweifel. Er zeichnet gut nach, wie Paul quasi von frühester Kindheit an („Du hast dort das Supergefühl bekommen, dass die Welt etwas Großes und Tolles ist, dass sie erobert werden kann und dass du es von hier aus schaffen wirst“, sagt er über seine Schulzeit in Liverpool) lange vom Ehrgeiz fast zerfressen war, um dann – nach dem Höhepunkt seiner Karriere – immer wieder in Selbstgefälligkeit zu verfallen: „Ganz nett, aber auch ein wenig langweilig – ein Zug, der in Pauls späteren Kompositionen noch ausgeprägter wurde, als habe er irgendwann beschlossen, sich nicht mehr mit den dunklen Seiten des Lebens zu befassen.“

Nicht zuletzt würdigt das Buch durchaus objektiv auch die musikalischen Verdienste McCartneys. Dass Paul McCartney im Vergleich zu John Lennon seicht, im Vergleich zu George Harrison schlicht und im Vergleich zu Ringo Starr bloß der Boss war, kann niemand mehr behaupten, der dieses Buch gelesen hat. Und natürlich auch niemand, der McCartneys Lieder gehört hat.

Die beste Stelle ist die Einschätzung von PR-Berater Elliott Mintz, einem Freund von John Lennon, über das Ende der Freundschaft zwischen McCartney und Lennon: „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Kino, und die Filmrolle, die durch den Projektor läuft, ist zu Ende. Nun gehen nicht wie üblich die Lichter an und der Vorhang schließt sich, sondern Sie sehen nur noch das weiße Licht des Projektors auf der Leinwand. So kam es mir vor – sie hatten sich einfach nichts mehr zu sagen.“

Diese Rezension gibt es auch auf news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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5 Gedanken zu “Howard Sounes – „Paul McCartney“

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