Autor | Liza Cody |
Titel | Gimme More |
Verlag | Unionsverlag |
Erscheinungsjahr | 2000 |
Bewertung | *** |
Vor allem als Krimi-Autorin hat sich Liza Cody einen Namen gemacht. Ihre Bücher wurden vielfach ausgezeichnet, die von ihr geschaffene Ermittlern Anna Lee schaffte es sogar ins Fernsehen. Doch eigentlich hat die Londonerin eine ganz andere Leidenschaft: Musik. Genauer gesagt: Rock’N’Roll.
Dem widmet sie sich nun in Gimme More. Sie habe sich lange nicht an das Sujet herangetraut, denn „beschreiben, wie aufregend Musik ist, ohne dabei idiotisch zu klingen, ist sehr schwierig“, hat die Londonerin ganz richtig erkannt. Das Warten hat sich gelohnt: Gimme More ist nicht idiotisch, sondern spannende, unterhaltsame und erhellende Lektüre für alle, denen ihr Plattenschrank ähnlich wichtig ist wie ihr Bücherregal.
Im Zentrum des Romans steht Birdie Walker. Als Teenager verfiel sie der Musik, war dann das berühmteste Groupie Englands und wurde schließlich von Fans und Presse verteufelt, als ihr Lover Jack, der schillerndste Superstar seiner Zeit, samt seinem Haus in Flammen aufging. Jetzt ist Birdie aber plötzlich wieder gefragt, denn gleich mehrere Plattenfirmen sind scharf auf unveröffentlichtes Material von Jack.
So grandios überzeichnet Jack ist, den man sich als eine Mischung aus John Lennon (Talent, Einfluss) und Jim Morrison (Look, Lifestyle) vorstellen muss, so plausibel ist die Geschichte. Liza Cody macht aus dem komplexen Versteckspiel, den knallharten Verhandlungen und fiesen Verführungen bezüglich des legendären Materials nicht nur eine Art Kriminalroman. Sie schafft es auch, einen sehr kritischen Blick auf die Musikszene zu werfen.
Denn Birdie geht es nicht nur darum, möglichst viel Geld für die heiße Ware herauszuschlagen. Sie will auch ihr Image korrigieren, Anerkennung für ihren Beitrag als Co-Autorin der Songs von Jack und nicht zuletzt das Erbe des Mannes schützen, der die Liebe ihres Lebens war.
Von der ersten Seite an ist Birdie eine berechnende Schlampe, aber nach und nach wird klar, dass dies schlicht ihre Überlebensstrategie im Haifischbecken Musikbusiness ist. So stellt Gimme More auch die ebenso alte wie aktuelle Frage nach der Rolle und Anerkennung von Frauen im Rock.
Zudem profitiert das Buch enorm davon, dass Birdie sowohl Insider als auch Fan ist. So gelingt Liza Cody (die in den Swinging Sixties selbst als Roadie einer Band in London Teil der Szene war) eine feine Analyse des Widerspruchs zwischen Kunst und Glamour, Integrität und Ruhmessucht. Ein exzellentes Verständnis des Systems Pop beweist sie auch mit ihren wiederholten Hinweisen auf die Kreisläufe der Zeit: Musik, Geld, Frauen – alles wird in diesem Geschäft permanent recycelt und baut aufeinander auf
So wird Gimme More trotz einiger Längen und eines etwas unnötig pointierten Endes vor allem zu einem Lehrstück über den Mythos Rock. Birdie, die eigentlich längst so viel von den Schattenseiten des Ruhms gesehen hat, dass sie die Nase voll haben müsste von Rock, sucht (und findet) in ihren verzweifelsten Momenten noch immer Trost, Halt und Zauber in der Musik. Und auch Liza Cody, die mit Gimme More das Musikbusiness ein gutes Stück entmystifiziert, hat letztlich doch auch mit diesem Buch den Rock’N’Roll ein bisschen weiter glorifiziert.
Die beste Stelle ist die Einstellung von Birdie zu posthumen Veröffentlichungen von Archivmaterial: „Ich bin zufrieden mit dem, was ein Künstler mir freiwillig schenkt. Ich brauch nicht noch alles, was er machen musste, damit so ein Geschenk überhaupt zustande kommen konnte.“