Autor | Sheila Heti |
Titel | Wie sollten wir sein |
Originaltitel | How should a person be? |
Verlag | Rowohlt |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung |
Ein Theaterstück soll sie zu Werke bringen, in dem es um moderne Frauen geht. Doch Sheila hat ganz andere Probleme: Sie ist frisch geschieden und außerdem immer wieder mit ihrer besten Freundin Margaux verkracht. Sie sucht vergeblich Ablenkung und Inspiration in der Künstlerszene von Toronto und arbeitet nicht zuletzt fleißig daran, eine unerreichte Meisterschaft in der Disziplin „Blowjob“ zu erreichen, um ihren dominanten Liebhaber zu beeindrucken.
Es ist diese Mischung aus Sinnsuche, Oberflächlichkeit und der Hoffnung, in der Kunst vielleicht die Antworten zu finden, die das Leben leichter machen, aus der Wie sollten wir sein seinen Reiz bezieht. Sheila Heti, Jahrgang 1976, hat darüber einen faszinierenden, hoch aktuellen und enorm intelligenten Roman geschrieben.
Gleich auf den ersten Seiten von Wie sollten wir sein wird klar: Es geht um nichts Geringeres als den Sinn des Lebens. Dann folgt in fast jedem Absatz ein schlauer Gedanke, ein Bonmot, eine Weltweisheit. Man musste so etwas wohl beinahe erwarten von einer Autorin, die unter anderem von Miranda July hoch gelobt wird („Ein Buch, das alles riskiert“, preist sie Wie sollten wir sein an) und zuvor einen Roman, einen Erzählungsband und eine Art künstlerischen Lebensratgeber veröffentlicht hat. Nebenher veranstaltet Sheila Heti in ihrer Heimatstadt Toronto zudem die beliebten «Trampoline Hall»-Vorlesungen, in denen Leute über Themen referieren, von denen sie keine Ahnung haben.
Auch formal wird das Buch hoch interessant: Es gibt in diesem „Roman aus dem Leben“, so der Untertitel, einige Szenen wie aus einem Drama, mit Dialogen und Regieanweisungen. Es werden E-Mails zitiert, die stets als Listen verfasst sind. Und es gibt Traumsequenzen von enormer Brutalität.
Grausamkeit ist auch sonst ein wichtiges Stilmittel in diesem Buch, auch wenn damit in erster Linie die schockierende, zugleich bewundernswerte Ehrlichkeit der Selbstanalyse gemeint ist. „Da war irgendetwas Faules in mir, etwas Hässliches, das ich niemanden sehen lassen wollte und das alles vergiften würde, was ich jemals tat“, stellt Sheila an einer Stelle fest. Etwas später erkennt sie: „Ich bin klug genug, mein Leben nicht einfach in die Grütze gehen zu lassen, bloß weil mir irgendwo da drin eine Seele fehlt. Denn ich habe sie verkauft. Und ich erinnere mich nicht, an wen. Oder warum. Oder wann.“
Es ist die Tiefgründigkeit dieser Ich-Erzählerin, die die Nabelschau in diesem Buch nicht nur erträglich und interessant, sondern inspirierend und bewegend macht. Sheila will etwas Besonderes sein, sogar „der ideale Mensch“ – und das fällt unsagbar schwer in einer Welt voller Aufschneider, Blender und 15-Minuten-Berühmtheiten, in der er es als das größte Stigma erscheint, gewöhnlich zu sein. Gerade das Herausarbeiten dieser Schwierigkeit, Identität und Individualität in einem Zeitalter permanenter Selbstdarstellung zu finden, macht diesen Roman so mutig.
Bestes Zitat: „So gesehen sollte ich mich damit zufrieden geben, für drei oder vier meiner Freunde berühmt zu sein. Und doch ist das illusorisch. Sie mögen mich als die, die ich bin, aber ich würde lieber als die gemocht, die ich zu sein vorgebe, und die zu sein ich vorgebe, möchte ich auch sein.“