Autor | Stephen King |
Titel | Joyland |
Verlag | Heyne |
Erscheinungsjahr | 2013 |
Bewertung |
Was ist bloß mit den erfolgreichsten US-Autoren der vergangenen Jahre los? John Grisham: Schreibt plötzlich über Baseball. Danielle Steel: Kreiert lieber ein Parfüm als relevante Romane. Und Stephen King? Der ist immer noch produktiv wie eh und je. Aber der König des Horrors legt nun mit Joyland ein Buch vor, in dem es fast kein Blut, fast keinen Grusel und fast keine Schockmomente gibt.
Sein Ich-Erzähler heißt Devin Jones, er träumt im Sommer des Jahres 1973 von einer Karriere als Schriftsteller, muss aber erst einmal sein Anglistik-Studium hinter sich bringen. Der junge Mann nimmt einen Ferienjob im Vergnügungspark Joyland an, einer etwas altmodischen Anlage, in der er Pommes verkauft, das Riesenrad bedient oder bei einer Affenhitze im Plüschkostüm von „Howie the happy hound“ mit den Kindern herumalbert.
Devin fühlt sich in der Welt der Schausteller so wohl, dass er am Ende des Sommers die Uni erst einmal links liegen lässt und in Joyland bleibt. Er hat nette Kollegen gefunden, Freundschaft mit einem behinderten Jungen und dessen schöner Mutter geschlossen, an deren imposanten Haus er jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit vorbeikommt – und er muss sein gebrochenes Herz kurieren, nachdem seine Angebetete Wendy per Brief mit ihm Schluss gemacht hat. Nicht zuletzt will er hinter das Geheimnis des „Horror House“ kommen: In der Geisterbahn von Joyland wurde vor vier Jahren ein Mädchen ermordet, ihr Geist spukt angeblich noch immer durch den Vergnügungspark.
Devin ist ein Erzähler, den man sofort ins Herz schließt, und in dem wohl einiges vom jungen Stephen King steckt. „Ich war einundzwanzig, Jungfrau und hatte literarische Ambitionen. Ich besaß drei Paar Bluejeans, vier Paar Unterhosen und einen heruntergekommenen Ford (mit einem einwandfreien Radio), dachte hin und wieder über Selbstmord nach und hatte ein gebrochenes Herz“, lautet ganz am Beginn seine Selbstbeschreibung.
Es ist diese Lebendigkeit der Figuren, die Joyland trägt, die den Leser schnell in den Roman hineinzieht und die am Ende am meisten Eindruck hinterlässt. Die Unbedarften, die Finsteren („Ich schreibe so lange, wie der Leser davon überzeugt ist, in den Händen eines erstklassigen Wahnsinnigen zu sein“, sagt Stephen King über sich selbst, und sein Spürsinn für das Abgründige bestätigt sich auch hier), die Sympathischen – sie alle treten wie beiläufig in diesen Plot ein und sind doch überaus gekonnt gezeichnet. „Ich halte King für einen sehr talentierten Schilderer zwischenmenschlicher Beziehungen. Seine Porträts von Kleinstadtmenschen, von Freundschaften, von Außenseitern und wie sie ihr Leben meistern, sind grandios“, hat Frank Schätzing einmal gesagt. Joyland ist ein guter Beleg für diese Einschätzung.
Wie schon in Der Anschlag (2011), dessen Handlung in den Sixties spielte, wählt Stephen King erneut einen Schauplatz weit in der Vergangenheit, und auch hier gerät der Protagonist in eine Zeit des Umbruchs. In der Sommersaison ist reichlich Andrang in Joyland, und dennoch ahnt man, dass sich dieser Park nicht mehr lange wird halten können. Es sind kleine, morbide Hinweise, aus denen hier die Spannung erwächst.
Immer wieder deutet sich an, dass Devin auf eine Katastrophe zusteuert. Das wichtigste Thema in Joyland ist die emotionale Kraft der ersten großen Liebe und vor allem des ersten großen Liebeskummers. Man ahnt, dass sie sich auch tragisch, vielleicht sogar blutig entladen kann, zumal in Joyland wiederholt die sexuelle Frustration thematisiert wird.
In der Tat gerät Devin in tödliche Gefahr und entdeckt die düsteren Seiten des Spaßbetriebs. Doch mit handwerklich gekonntem Nervenkitzel scheint sich Stephen King, der in seiner Karriere mehr als 400 Millionen Bücher verkauft hat und öfter als irgendein anderer Autor auf Platz 1 der New York Times-Bestsellerliste stand, im Herbst seiner Laufbahn keineswegs begnügen zu wollen. Devin erzählt aus dem Rückblick, er ist ein alter, vielleicht sogar weiser Mann, und deshalb weiß man, dass er seine Erlebnisse in Joyland überlebt, vielleicht sogar überwunden hat. Aber das mindert keineswegs die Spannung, sondern fügt dem Roman eine sehr reizvolle Dimension hinzu. Und es zeigt vor allem, worin die Stärke dieses Autors liegt: nicht im Effekt, sondern in der Empathie.
Bestes Zitat: „Wenn man einundzwanzig ist, gleicht das ganze Leben einer Landkarte, auf der alle Straßen zum Ziel führen. Mit fünfundzwanzig regt sich allmählich der Verdacht, dass die Landkarte auf dem Kopf steht, und erst mit vierzig weiß man das mit Sicherheit. Mit sechzig hat man sich dann endgültig verirrt, das kann man mir gern glauben.“
Ich dachte schon bei „Der Anschlag“, dass Steven King sich immer mehr vom Thriller entfernt. Schade eigentlich, streckenweise war dieses Buch ziemlich dröge. Zumindest wenn man etwas anderes erwartet hat, als man schlussendlich bekommen hat.