Tom Folsom – „Dennis Hopper“

Autor Tom Folsom

Tom Folsom legt die erste Biografie von Dennis Hopper vor.
Tom Folsom legt die erste Biografie von Dennis Hopper vor.
Titel Dennis Hopper. Die Biografie
Originaltitel Dennis Hopper. A Journey Into The American Dream
Verlag Blessing
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Der dritte Todestag von Dennis Hopper liegt gerade ein paar Tage zurück, und das ist erneut ein Anlass, sich zu wundern. Dieser Mann stand wie kaum ein anderer im Auge des Sturms, den Beat-, Hippie- und Popkultur ab Mitte der 1950er Jahre ausgelöst hatten. Er hat mit James Dean gedreht, er war mit Andy Warhol befreundet, er hat Lieder von Bob Dylan inspiriert. Trotzdem hat er seine Lebensgeschichte nicht aufgeschrieben.

Tom Folsom holt das jetzt nach. Der Journalist, Jahrgang 1974, der zuvor schon das Leben des Drogenbarons Leroy Barnes und des Mafiabosses Crazy Joe Gallo zwischen Buchdeckel gepresst hat, legt nun die erste Biografie von Dennis Hopper vor. Die erstaunlichste Erkenntnis nach der Lektüre dieser 416 Seiten: Es ist ein Wunder, dass dieser Mann überhaupt 74 Jahre alt werden und mehr als 140 Filme drehen konnte. Denn Dennis Hopper hat das Leben in vollen Zügen ausgekostet, mit Drogen und Orgien, mit Waffen und schnellen Autos, auch mit gefährlichen Wegbegleitern wie Charles Manson oder den Gangmitgliedern aus Los Angeles, die in seinem Film Colors mitspielten.

Hopper war in all dieser Zeit ein Rebell, getrieben von seiner Leidenschaft und dem Durst nach Freiheit. Dass er (obwohl er das durchaus wiederholt angedacht und sogar schon Verträge mit Verlagen unterschrieben hatte) nicht die Zeit und Konzentration fand, tatsächlich einen strukturierten Rückblick auf sein Leben zu Papier zu bringen, überrascht dann letztlich doch nicht mehr. Er war viel zu sehr Chaot dafür – und er hatte stets etwas Spannenderes zu tun, als sich wochenlang hinter eine Schreibmaschine zu setzen.

Folsom versucht auf sehr eigene Weise, diese Lücke zu füllen. Er schreibt in einem angedeuteten Gonzo-Stil und will sich so der unkonventionellen, impulsiven Kunst Hoppers annähern. Das gelingt über weite Strecken, wirkt – zumal in der deutschen Übersetzung – aber manchmal auch ein wenig verkrampft. „Wo Hopper draufsteht, war Hopper drin, nur wusste man nie, was drin sein würde“, fasst der Autor die Arbeit des Schauspielers an einer Stelle zusammen – ein bisschen gilt das auch für sein eigenes Buch.

Die Kapitel sind eher wie Features, unzusammenhängend, szenisch, spontan. Sie werden damit wohl durchaus dem ebenso manischen wie inspirierenden Charakter des Schauspielers gerecht. Viele Wegbegleiter kommen zu Wort, zudem hat Folsom reichlich Zitate Hoppers aus dem Archiv zusammengetragen. So wird das Buch  letztlich doch eine halbwegs vollständige, zudem weitgehend chronologisch erzählte Lebensgeschichte.

Als kleiner Junge auf einer Farm in Kansas hat Hopper nichts als seine Fantasie. Die einzige Abwechslung ist der Schnellzug, der regelmäßig vorbeijagt – und scheinbar aus einer anderen Welt kommt. Zugleich erlebt der kleine Dennis im benachbarten Dodge City, wo viele Western gedreht werden, früh die Möglichkeiten der Filmindustrie, all das Geld, all die Überzeugungskraft, all die Akribie, mit der Hollywood eine Fantasie erst zur Realität (während der Dreharbeiten) und dann erneut zu einer Fantasie (auf der Leinwand) werden lässt. Es wird für ihn eine prägende Erfahrung. „Ich war sofort hin und weg“, erinnert sich Hopper an seine erste Kinovorstellung. „Die Orte, die ich auf der Leinwand sah, waren diejenigen, von denen der Zug kam und zu denen er fuhr. Die Welt auf der Leinwand war die wirkliche Welt, und ich hatte das Gefühl, mir würde das Herz zerspringen, so sehr wünschte ich mir, ein Teil von dieser Welt zu sein.“

Es ist diese Fixierung auf das Kino, das Wissen um seine Möglichkeiten und Produktionsbedingungen, die zum Leitmotiv im Leben Dennis Hoppers wird. Als Teenager zieht er mit seinen (bis dahin in erster Linie durch Abwesenheit glänzenden) Eltern nach Kalifornien und macht erste Erfahrungen als Theaterschauspieler. Gleich seinen ersten Filmauftritt hat er im Klassiker Denn sie wissen nicht was sie tun an der Seite von James Dean, den er abgöttisch verehrt.

Schnell ist Hopper nicht nur Schauspieler, sondern Filmefühler, Filmedenker und schließlich auch Filmemacher. Er feiert einen phänomenalen Erfolg als Regisseur von Easy Rider, wird zum Aushängeschild der Gegenkultur, zum Pop-Vordenker und -Seismograph. „Wir sind ein neuer Menschenschlag. Wir gehen mehr Freiheit ein und auch mehr Risiken. Spirituell sind wir die vielleicht kreativste Generation der letzten neunzehn Jahrhunderte. Ich finde, wir sind Heroen. Ich will Filme über uns machen“, sagt er auf dem Höhepunkt seines Ruhms.

Folsom widmet dieser turbulenten Phase erfreulich viel Raum, auch den chaotischen Dreharbeiten von The Last Movie, das sein Meisterwerk werden sollte, aber als Flop endete und seinen Absturz in den drogendurchtränkten 1970er Jahren einleitete. Die Zeit nach dem faszinierenden Comeback als Frank Booth in Blue Velvet (1986) wird im Vergleich dazu eher spärlich betrachtet.

Dennoch gelingt es dem Autor, Konstanten herauszuarbeiten, denn es geht ihm ganz offensichtlich weniger um Fakten als vielmehr um die Suche nach dem Wesen dieses Schauspielers, den ein Kritiker einmal als „die perfekte Verkörperung des verlorenen Idealismus der Sixties“ bezeichnet hat. Hoppers Kunst – als Schauspieler, als Regisseur, auch als Fotograf und Maler – besteht fast nur aus Enthusiasmus, Talent und Illusion, aber sie kennt so gut wie keine Strategie, Organisation, Realität. Dennis Hopper ist besessen von Amerika, seiner Verheißung, seiner Geschichte, seinen Sünden und seiner Selbstzerstörung (A Journey Into The American Dream heißt der Originaltitel dieser Biografie). Gerade die Lust auf Zerstörung ist in diesem Leben omnipräsent: Sie bezieht sich zuerst auf die Konventionen seiner kleinen Welt, dann auf die Strukturen im Hollywood-Business, schließlich auf sich selbst.

So werden auch die Kämpfe und Niederlagen, die das Dasein als Außenseiter mit sich bringt, zu einem prägenden Element in der Karriere von Dennis Hopper. Viel mehr Geld, Ruhm und Anerkennung hätte sein Wirken bringen können, wenn er bereit gewesen wäre, sich unterzuordnen und nach den klassischen Hollywood-Regeln zu spielen. Dennis Hopper wusste durchaus, dass er letztlich ein Unvollendeter blieb. „Gescheitert? Ich meine, ja, vielleicht“, zog er in einer Fernsehtalkshow Bilanz über seine Karriere. „Aber es gab Momente, in denen ich wirklich brillant war, verstehen Sie? Ich glaube, die gab es. Manche Karrieren kommen mit solchen Momenten aus.“

Bestes Zitat: „Wir waren so naiv zu glauben, wenn man Drogen nahm, Alkohol trank oder nymphomanisch war, würde dadurch das Tor zur Kreativität geöffnet. Und Kreativität, die wollten wir erreichen.“

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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