Künstler | Eels | |
Album | The Deconstruction | |
Label | E-Works | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
The Deconstruction ist das zwölfte Album der Eels, aber so viel Zeit für eine neue Platte hat sich E, Mastermind der Band, zuvor nur einmal gelassen. Vier Jahre sind seit dem Vorgänger The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett (so sein bürgerlicher Name) vergangen. Es scheint fast, als habe er mit der Veröffentlichung gewartet, bis die Welt um ihn herum wirklich am Tiefpunkt angelangt war. Denn genau das ist sein Thema diesmal: Hoffnung im Angesicht der Apokalypse.
„Die Welt ist ein Chaos. Und das hier ist bloß Musik. (…) Trotzdem bin ich optimistisch genug, daran zu glauben, dass sie irgendwie den Menschen helfen kann“, schreibt Everett im Begleittext zur neuen Platte, die teilweise von Mickey Petralia (mit dem er seit Electro Shock Blues vor 20 Jahren nicht mehr gearbeitet hat) produziert wurde. Den Bogen zum Frühwerk spannt auch gleich der Titelsong als Auftakt: Viele vertraute Eels-Elemente sind in The Deconstruction wieder da: die putzige Stimme zum sarkastischen Text („The deconstruction has begun / time for me to fall apart”, heißt die erste Zeile), der angedeutete HipHop-Beat, die virtuosen Orchesterarrangements, nicht zuletzt die Verzweiflung, die im Refrain in der Zeile „I fall apart” konzentriert wird.
Doch gerade diese Verzweiflung wird hier nicht hingenommen, sondern so hartnäckig bekämpft wie vielleicht nie zuvor in der Geschichte der Eels. „Die Welt dreht durch. Aber man kann immer noch wahre Schönheit finden, wenn man danach sucht. Manchmal sogar, ohne danach zu suchen. Und manchmal muss man sie eben selbst erschaffen“, sagt Everett. Dieses Credo findet seine deutlichste Entsprechung in Sweet Scorched Earth, einem zauberhaften Liebeslied, in dem die Eels das Glück der Zweisamkeit inmitten allen Elends feiern.
Gerade in der zweiten Hälfte von The Deconstruction finden sich mehrere Lieder, die in eine sehr ähnliche Richtung deuten. There I Said It betrachtet ebenfalls ein Liebespaar als Kokon, voller gegenseitigem Verständnis, Trost und Wertschätzung; all das ist innerhalb dieser Beziehung so wertvoll, weil man es vom Rest der Welt so selten und so gering dosiert bekommt. The Epiphany erzählt von der Sehnsucht nach einer Zeit der Unbeschwertheit, von der man weiß, dass es sie im höchst turbulenten Leben von Mark Oliver Everett niemals gab, am Ende steht (vielleicht auch deshalb) die Erkenntnis: Man sollte lieber das Heute genießen statt dem Gestern nachzutrauern. Die ähnlich universale Botschaft in Be Hurt lautet: „Es ist okay, Fehler zu machen. Es ist sogar okay, sie danach zu bereuen“, verpackt wird das in die wunderbare Weisheit „Be hurt / the world can take it / and so can you.“
Dass all dies nicht wie ein Rührstück oder vertonte Ratgeberliteratur klingt („Wenn es eine Sache gibt, die wir wirklich kontrollieren können, dann ist es die Art und Weise, wie wir die Dinge sehen“, hat E erkannt), liegt unter anderem an der großen stilistischen Vielfalt, bei der Everett alle Kapitel seiner bisherigen Laufbahn noch einmal zu besuchen scheint. You Are The Shining Light bietet Psych-Rock mit Fuzz-Gitarre, auch Today Is The Day hat viel Punch und Feuer. Archie Goodnight hingegen ist tatsächlich ein Schlaflied, dazu gibt es drei teils instrumentale Skizzen auf The Deconstruction.
Rusty Pipes ist ein klasse Song, der durch den Beat und vor allem die Flöte sogar etwas Leichtigkeit bekommt. Dafür, dass E in Bone Dry davon singt, dass ihm gerade alles Blut aus dem Leib gesaugt wurde, ist das ein erstaunlich kraftvoller Shuffle-Beat und ein sehr rockiges Gitarrensolo – in Summe kommt ungefähr die Musik dabei heraus, die man sich seit langer Zeit mal wieder von Beck wünschen würde. Premonition besteht fast nur aus Gitarrenpicking und Gesang, damit wirkt der Song noch verlorener und romantischer, spätestens der Frauenchor im Hintergrund weckt dann eine Assoziation, die man bisher bei Everett erstaunlicherweise noch nie hatte: Leonard Cohen.
Das Plädoyer für mehr Rücksicht und Freundlichkeit, das ebenfalls in dieser Platte steckt, hätte dem 2016 verstorbenen Kanadier wohl auch gut gefallen, ebenso wie der Schlusspunkt des Albums, der den Appell von The Deconstruction noch einmal in aller Deutlichkeit formuliert. Die Kirche in In Our Cathedral ist ein Ort von Glück und Geborgenheit, ein Idyll, ein Refugium, eine Oase. Aber keinesfalls, wie es etliche der vorangegangenen Songs andeuten, für eine einzelne verlorene Seele oder für ein Paar, das vom gemeinsamen Unglück zusammengeschweißt wurde. Sondern für uns alle, betont Everett: „The ‚our‘ is the collective ‚our‘ – all of us.“