Autor | Steve Martin |
Titel | Sehr erfreut, meine Bekanntschaft zu machen |
Verlag | Manhattan |
Erscheinungsjahr | 2003 |
Bewertung | ***1/2 |
Im Kino ist Steve Martin gerade in „Im Dutzend Billiger 2“ zu sehen, einem entschieden altmodischen Filmspaß. Überhaupt ist er als Komödiant eher einer vergangenen Ära zuzuordnen, als noch Charme zählte, als es noch Pointen ohne Opfer gab.
Das ist auch das hervorstechendste Merkmal von Martins zweitem Roman: Allen Figuren wird hier eine unermessliche Sympathie entgegengebracht.
Im Mittelpunkt steht ein Charakter, der kaum amüsanter sein könnte: Daniel ist Anfang 30 – und komplett neurotisch. Bordsteinkanten sind ihm ein Graus, von Zahlen, Geometrie und dem Alphabet ist er besessen, und die Lampen, die in seiner Wohnung brennen, müssen zusammen immer genau 1125 Watt haben.
Mit diesen Macken erinnert er ein wenig an die Figur, die Jack Nicholson in „Besser geht’s nicht“ so famos verkörperte. Allerdings ist Daniel kein robuster Fiesling, sondern ein sensibler Gutmensch, was seine Lage nur noch schwieriger macht. Das fängt bei den Kleinigkeiten des Lebens an und hört beim Versuch einer Affäre noch lange nicht auf. „Ich wusste nicht, ob Clarissas Verhalten mir gegenüber platonisch, aristotelisch, hegelianisch oder erotisch zu verstehen war. Also lag ich einfach da, an drei Punkten mit ihre verbunden – ihre Hand auf meinem Nacken, meine Hand auf ihrem Rücken, und ihr Haar streifte meine Seite. Ich starrte an die Decke und fragte mich, wie ich in jemanden verliebt sein konnte, dessen Name kein Anagramm gab. Nach einiger Zeit zog Clarissa ihre Hand schläfrig über meine Brust und ging wieder zu ihrem Bett. Zurück blieb ein schemenhafter Eindruck, wie ein phosphoreszierender Handabdruck.“ So funktioniert für Daniel Erotik.
Dass dieser Kauz bei einem Aufsatzwettbewerb als der durchschnittlichste Amerikaner gewinnt, ist eine tolle Pointe. Und wie Daniel schließlich seine Ängste überwindet und sein Selbst findet, ist wunderbar philanthropisch.
Beste Stelle: „Die Nachricht von ihrem Tod ließ mich verstörend ungerührt – eine Zeit lang jedenfalls. Ich fragte mich, ob ich wirklich verrückt sei, weil mich der Verlust nicht überwältigte und ich auch weiterhin funktionierte. Aber der Schmerz kam mit Verzögerung, in Schüben. Er kam nicht, als er hätte kommen sollen, sondern in Intervallen über eine Reihe von Tagen, über Monate. Einmal, als ich Teddy in die Luft warf, erschien er in dem Raum zwischen uns und verschwand, als Teddy wieder in meinen Händen war. Einmal hielt ich meine Hand zwischen meine Augen und die Sonne, und ich spürte, dass dies etwas mit Großmama zu tun hatte, denn sie stand zwischen mir und dem, was mich verbrannte. Es war nicht so, dass sie mir fehlte – zu der Zeit, als alles vorbei war, waren wir so weit voneinander entfernt, dass wir nur noch sporadisch Kontakt hatten. Tot oder lebendig, sie lebte in mir. Selbst jetzt, wo ihre Briefe ausbleiben, ist es so, als kämen sie immer noch, denn wenn ich das vage Gefühl habe, dass einer fällig wäre, empfinde ich denselben vertrauten Trost wie früher, wenn ich wirklich einen Brief in der Hand hielt.“