Auch in den neuen schwarzen Trikots hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihre schwarze Serie gegen große Gegner nicht beendet. Mit einem 0:3 (0:1) gegen Europameister Frankreich beschloss die DFB-Elf das Länderspiel-Jahr und verlebte dabei in der zweiten Hälfte einen rabenschwarzen Abend.
Zugegeben: Es hätte anders kommen können. Denn die deutsche Mannschaft spielte in der ersten Halbzeit engagiert und mutig und hatte durchaus ihre Chancen. Doch Kuranyi traf nur die Latte, als er sich nach Zuspiel von Ballack gekonnt durchsetzte und dann knallhart abzog (11.). Schneider schoss nach einer schönen Kombination über die rechte Seite knapp vorbei (14.).
Den satten 18-Meter Schuss von Jeremies nach Schneider-Pass (22.), einen Kopfball von Ballack nach einer Ecke (23.) und Bobics Schuss aus spitzem Winkel nach Fehler von Lizarazu parierte Frankreichs Keeper Coupet (34.). Möglicherweise wäre das Spiel auch anders gelaufen, hätte der bereits verwarnte Sagnol nach seinem Foul an Hinkel Mitte der ersten Halbzeit Gelb-Rot gesehen.
Doch Spekulieren hilft nichts. „Am Ende zählt das Ergebnis. Und das spricht eine klare Sprache“, erkannte auch DFB-Teamchef Rudi Völler nach dem Spiel. „Gegen solche Gegner musst du die wenigen Chancen, die du bekommst, einfach nutzen. Und eine Mannschaft wie Frankreich bestraft knallhart jeden Fehler, den du machst.“
In der Tat: Während Deutschland für wenig Ertrag erneut hohen Aufwand betrieb, kamen die Franzosen über ganz wenige Stationen immer wieder brandgefährlich vor Kahns Tor. Noch etwas hatte der Europameister den Deutschen voraus: Frankreich agierte taktisch viel flexibler. Beim 1:0 kamen diese beiden Tugenden zusammen: Rechtsaußen Pires tauchte plötzlich auf links auf, spielte Lizarazu frei, dessen Flanke nickte Henry am langen Pfosten ein (21.). Schon kurz nach dem Wechsel fiel das 2:0. Henry vernaschte Wörns, war damit frei durch und brauchte nur noch auf Trezeguet quer zu legen, der keine Mühe mehr hatte.
Mit diesem Gegentreffer brach die deutsche Mannschaft völlig ein. Nicht nur die Ordnung ging nun verloren. Bei einigen fehlte auch der Wille, dieses Spiel noch umzudrehen – und bei allen der Glaube, dass dies noch möglich ist. Die Equipe Tricolore glänzte nicht einmal, sondern ergötzte sich einfach an der eigenen Ballsicherheit, wartete auf die Fehler des Gegners und schlug dann unbarmherzig zu. Während die DFB-Elf in dieser Phase nur noch Statist war, zeigte Frankreichs Offensivquartett mit Zidane, Pires, Henry und Trezeguet, was es alles drauf hat. So beim wunderschönen 3:0, als Trezeguet eine klasse Kombination über Henry und Zidane abschloss.
„Auf Wiedersehen“ skandierten danach die französischen Fans – und die deutschen Zuschauer ließen sich das nicht zweimal sagen. Scharenweise verließen sie die Schalker Arena. Wer blieb, feuerte die Gäste an und musste sehen, wie die deutsche Nationalmannschaft vorgeführt wurde wie schon lange nicht mehr.
„Das Problem ist, dass von diesem Spiel nur die letzten 20 Minuten in Erinnerung bleiben. Und da war Frankreich eine Klasse besser. Zu Beginn sah das anders aus. Gerade deshalb ist es ja so schade“, so das Fazit von Rudi Völler.
Deutschland: Kahn – Friedrich – Nowotny (76. Rehmer), Wörns, Hinkel – Baumann (71. Ernst), Jeremies – Schneider (67. Freier), Ballack – Bobic (67. Klose), Kuranyi.
Frankreich: Coupet – Sagnol (61. Gallas), Thuram, Silvestre, Lizarazu – Dacourt, Makelele – Pires (73. Wiltord), Zidane – Trezeguet (83. Govou), Henry.
Schiedsrichter: Stefano Farina (Italien). Tore: 0:1 Henry (21.), 0:2 Trezeguet (55.), 0:3 Trezeguet (81.). Zuschauer: 53574. Beste Spieler: Hinkel, Ballack – Henry, Zidane, Pires. Gelbe Karten: Baumann – Sagnol, Dacourt, Pires.
Die deutsche Mannschaft in der Einzelkritik:
Oliver Kahn: Ohne Schuld an den Gegentoren und ohne Chance, seine Klasse zu zeigen.
Arne Friedrich: Hatte auf der rechten Abwehrseite jede Menge Mühe, aber auch weniger Unterstützung als Hinkel auf links. Muss das 0:1 dennoch mit auf seine Kappe nehmen. Gute Ansätze in der Offensive stellte er nach der Pause ein.
Jens Nowotny: Hatte sich sein Comeback sicher anders vorgestellt und ist längst noch nicht wieder der souveräne Chef der Abwehr. Machte aber über weite Strecken eine ordentliche Partie.
Christian Wörns: Einen Stürmer wie Henry kann man nicht komplett ausschalten. Doch Wörns bekam seinen Gegenspieler nie in den Griff. Henry machte ein Tor und bereitete zwei Treffer vor. Beim 0:2 sah der Dortmunder aus wie ein Anfänger.
Andreas Hinkel: Der Stuttgarter war der Lichtblick in der deutschen Elf, obwohl er auf der für ihn ungewohnten linken Außenbahn ranmusste. In der Defensive sicher und mit mutigen Einzelaktionen nach vorne, bei denen er aber auch einige Bälle verlor.
Frank Baumann: Hatte alle Mühe, die Löcher im deutschen Mittelfeld zu stopfen. Ungewohnt schwach in den Zweikämpfen und blass.
Jens Jeremies: Auch er hatte die Aufgabe, die Offensivaktionen der Franzosen frühzeitig zu unterbinden und erfüllte diese Aufgabe nicht. Gewährte dem ganz starken Pires viel zu große Räume. Allerdings einer der wenigen, die bis zum Schluss Zeichen setzen wollten.
Bernd Schneider: Als Spielmacher war von ihm gar nichts zu sehen. Spielte nur Sicherheitspässe. Keine Flanke, kein Dribbling und völlig zu Recht ausgewechselt.
Michael Ballack: Im ungleichen Duell mit dem überragenden Zidane hielt er zumindest in der ersten Halbzeit mit, als er Dreh- und Angelpunkt des deutschen Spiels war und bei Standards auch torgefährlich wurde. Ging im zweiten Durchgang aber wie das gesamte Team völlig unter.
Fredi Bobic: Von Anfang an ohne Bindung zum deutschen Spiel und nahe an einem Totalausfall. Hätte eher ausgewechselt werden müssen.
Kevin Kuranyi: War der gefährlichste deutsche Stürmer und hatte bei seinem Lattentreffer Pech. Wurde nach der Pause aber lustloser und selbstmitleidig.
Paul Freier: Ohne Akzente nach seiner Einwechslung.
Miroslav Klose: Sah in 25 Minuten gegen Thuram keinen Stich.
Fabian Ernst: Dem Bremer war anzumerken, dass er das Verlieren nicht mehr gewöhnt ist. Er versuchte in den letzten 20 Minuten als einer der wenigen noch, dem Spiel eine Wende zu geben.
Marko Rehmer: Der Hertha-Verteidiger fiel zum Schluss immerhin nicht mehr negativ auf.