Der Verzehr von Menschenfleisch lag schon für die Väter des deutschen Strafgesetzbuchs so weit außerhalb ihres Vorstellungsvermögens, dass sie für den Tatbestand des Kannibalismus keinen Paragrafen schufen. Deshalb haben die Richter im Prozess gegen Armin Meiwes Neuland betreten.
Rechtsunsicherheit ist aber keine Entschuldigung für Ungerechtigkeit – und erklärt auch nicht, wie die Kasseler Richter dafür sorgen konnten, dass der Kannibale von Rotenburg womöglich schon 2008 wieder auf freiem Fuß ist.
Armin Meiwes hat einen Menschen gegessen. Die Tatsache, dass er allein dafür nicht bestraft werden kann, ist erschreckend. Beunruhigend war der Prozess aber auch aus einem anderen Grund: Opfer und Täter, beide jahrelang von perversen Fantasien besessen, führten nach außen ein ganz alltägliches Leben, mitten unter uns. Dazu gestand Armin Meiwes seine abscheuliche Tat mit fast unverfrorener Ruhe und frappierender Selbstverständlichkeit. Er wirkte ganz normal.
Mit dieser Masche hat er offensichtlich Gutachter und Gericht in seinem Sinne beeinflusst. Ausgerechnet der Umstand, dass er während seiner Horror-Tat ganz zielgerichtet vorging, Herr seiner Sinne war und somit laut Gutachten voll schuldfähig ist, führte dazu, dass er nicht in die Psychiatrie eingewiesen werden kann. Für den Laien sind solche Begründungen nicht nachzuvollziehen. Wer einen Menschen schlachtet und isst, kann nicht normal sein und muss dringend behandelt werden. Wie das Gericht zu der Erkenntnis kam, es handele sich in diesem Fall nur um Totschlag, der laut Strafgesetzbuch keine besonders grausamen oder verwerflichen Beweggründe aufweist, ist ein Rätsel.
Es bleibt die Hoffnung, dass der Bundesgerichtshof in der Revisionsverhandlung zu einer anderen Ansicht kommt. Und die Erkenntnis, dass die Gesetze dringend angepasst werden müssen. Es leuchtet nicht ein, dass die Schuldfähigkeit einziges Kriterium für die Unterbringung in der Psychiatrie oder Sicherheitsverwahrung sein soll. Wenn Rückfallgefahr oder eine Abartigkeit besteht – beides haben die Gutachter Armin Meiwes attestiert -, kann es nicht sein, dass keine Behandlung erfolgt.
Wie groß die Gesetzeslücken sind, hat der Prozess in Kassel gezeigt: Hätte das Schlachtopfer sich selbst getötet, wäre Meiwes womöglich straffrei geblieben.