Electric Würms – „Musik, Die Schwer Zu Twerk“

Künstler Electric Würms

Musik, Die Schwer Zu Twerk Electric Würms Review Kritik
Die Electric Würms verbreiten eine Space-Religion.
Album Musik, Die Schwer Zu Twerk
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Es gibt ein paar Dinge, ohne die diese Platte nicht vorstellbare wäre. Elektrizität gehört dazu, Synthesizer, Effektgeräte. Neben solchen technischen Rahmenbedingungen ist aber unverkennbar noch eine weitere Zutat für Musik, Die Schwer Zu Twerk elementar gewesen: LSD.

Das zeigen zum einen die personellen Eckdaten: Electric Würms bestehen aus zwei Mitgliedern der Flaming Lips (Wayne Coyne und Steven Drozd) und vier der fünf Mitglieder von Linear Downfall aus Nashville (Chance Cook, Charlee Cook, Dom Marcoaldi und Will Hicks). Beide Bands sind schon in ihrem jeweiligen Hauptberuf eher für Experimente als für Konventionelles bekannt, beide haben erwiesenermaßenn auch größtes Interesse daran, mit diversen Mitteln die Grenzen des eigenen Bewusstseins zu erweitern.

Noch deutlicher wird die Acid-Komponente bei der Rahmenhandlung, die sich die Künstler für Musik, Die Schwer Zu Twerk ausgedacht haben: Es gibt demnach eine Lebensform namens Electric Würms. Sie sind „Blitze aus elektrisierter Elektrizität, die durch Wurmlöcher schlüpfen können und so in die äußeren Bereiche des unbekannten Himmelreiches gelangen“, wie uns der Pressetext der Plattenfirma informiert. Diese Lebewesen machen gerne Musik. Sie ahnten in den 1970er Jahren unserer Zeitrechnung schon, dass die Menschen auf der Erde gut 40 Jahre später einem Tanzschritt namens „Twerk“ verfallen würden, und sie haben zudem eine Heilige Schrift in Klangform aufgenommen, die Entdeckungen und Verfehlungen enthält. Diese musste allerdings erst entziffert und für menschliche Ohren übersetzt werden, und genau diesen Gefallen tut uns die Band jetzt.

Wer jetzt „abgedreht“ oder „durchgeknallt“ denkt, findet in den sechs Stücken dieser Platte natürlich die entsprechende akustische Bestätigung. Das instrumentale Futuristic Halluzination vereint einen Bounce-Bass mit einem Synthesizer wie aus einem alten Horrorfilm. Heart Of The Sunrise ist zwar eine Coverversion von Yes (das Original stammt aus dem Jahr 1971), wirkt aber wie eine Aufnahme aus dem Archiv der Byrds, die bei ihrer Reise durch Raum und Zeit eine seltsame Prog-Rock-Degradation erlitten hat. I Could Only See Clouds eröffnet das Album mit wilden Trommeln und Keyboards, der Gesang ist dann wie abwesend (oder eben wie von einem anderen Planeten entsandt), später kracht eine extrem schroffe E-Gitarre herein und am Ende bleibt, natürlich, Chaos.

Das ist interessant und hörbar ein Heidenspaß für die beteiligten Musiker, für den (nüchternen) Konsumenten indes, bei aller Fantasie, die hier drin steckt, von überschaubarem Reiz. The Bat zeigt immerhin: Zumindest sehr langsames Twerken erscheint zu dieser Musik theoretisch doch denkbar, auch wenn dieser Tanz dann vermutlich von einem verwirrten Drill Instructor propagiert werden müsste, gegen den sich die Gesangsstimme in diesem Lied nicht wirklich aufzulehnen wagt. In Transform!!! steckt womöglich der Geist von James Brown, aber als Heimsuchung. Und Living ist der Moment, bei dem sogar Spannung aufkommt. Erstmals wird der Sound hier konkret, sogar beinahe entschlossen, auch wenn der Gesang dann anscheinend den Gegenbeweis antreten will. Zudem finden wir hier die zentrale Botschaft der Electric Würms: „Live as if you were living already for the second time. And that you had acted wrong the first time.“ Das ist als Credo auch nicht schlechter als das, was weniger spacige Religionen so anzubieten haben.

Auch schön durchgeknallt: Wayne Coyne und Steven Drozd erklären die Idee hinter den Electric Würms.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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