Enfant Sauvage Petrichor

Enfant Sauvage – „Petrichor“

Künstler*in Enfant Sauvage

Enfant Sauvage Petrichor Review Kritik
Das Visuelle ist auf „Petrichor“ gleichrangig mit der Musik.
Album Petrichor
Label Animal 63
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: Beats International / Sofiane Boualia

Man kann das erstaunlich finden: Das französische Duo The Blaze hat 2018 sein Debütalbum veröffentlicht, damit Goldstatus in der Heimat erreicht und eine fast drei Jahre währende Tournee bestritten. Doch statt nach diesem Bilderbuch-Start direkt nachzulegen, entschieden sie sich danach erst einmal für eine Pause. Und jetzt sogar für ein Soloprojekt. Hinter Enfant Sauvage steckt nämlich Guillaume Alric, eine Hälfte von The Blaze.

Die Ausrichtung von Petrichor ist indes keineswegs überraschend. Denn die Platte wird von drei Videos, einem Fotoprojekt und einer durchdesignten Live-Show begleitet. Das Visuelle steht also noch mehr im Mittelpunkt als es im Band-Kontext schon der Fall war, denn Alric lebt hier nicht nur ein Hobby und Faible aus, sondern eine große Leidenschaft und Berufung. Er hat nach seinem Abitur zunächst Fotografie studiert, sein The-Blaze-Kompagnon Jonathan Alric (zugleich sein Cousin) hat eine Filmhochschule besucht. Die gemeinsame Arbeit an einem Videoclip war es einst auch, die zur Geburtsstunde ihres musikalischen Miteinanders wurde.

Die Musik von Enfant Sauvage funktioniert indes auch ohne Bilder. Etliche Tracks sind auf einem Klavier aufgebaut, bei Fame & Roses ist es hingegen eine verloren wirkende und dabei doch hypnotische Gitarrenfigur. Ein gutes Beispiel für den Sound auf Petrichor ist auch A Misty Day, das über die gesamte Spieldauer von fast siebeneinhalb Minuten spannend und atmosphärisch dicht bleibt. Force Field wird abwechselnd schwermütig und erhaben, das einnehmende Tale Complete erweist sich als so etwas wie Soft-House, die Erotic Friendship wird zart und auch ein bisschen unschuldig.

In Louve werden die Einflüsse von Dub erkennbar, der auch für The Blaze so elementar sind, passend dazu beschwört der Text eine innige Freundschaft. Der Auftakt 58500 glänzt mit einem schönen Beat irgendwo zwischen Massive Attack und Fatboy Slim. Der Track bleibt unscheinbar, wie es Instrumental-Musik häufig ist, aber nicht kraftlos. Solitude klingt wie Chemical Brothers für die After Hour, ein Stück wie Time To Fall könnte herauskommen, würde man Underworld beauftragen, einen Beitrag für Kuschelrock zu liefern. Ein Highlight ist Silent Love mit seinem schicken Gitarrenpicking, dem sanften Gesang und dem schwebenden Refrain. An die Glanztaten von Air müsste man da vielleicht auch denken, wenn sie keine Landsleute von Alric wären.

Die Jugend in der Provinz packt das Video zu Silent Love in schicke Bilder.

Enfant Sauvage bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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