Man kennt das von der Tankstelle: Steigt der Ölpreis auf den Weltmärkten, dann wird auch der Sprit an der Zapfsäule im Handumdrehen teurer. Sinkt der Ölpreis hingegen, dann lassen sich die Tankstellenbetreiber gerne reichlich Zeit, bis sich das auch als Entlastung im Geldbeutel des Autofahrers bemerkbar macht.
Nach genau diesem Prinzip verfahren nun die Gesetzlichen Krankenkassen: In Zeiten, in denen sie chronisch defizitär waren, schrien sie permanent nach mehr Geld. Und sie hatten Erfolg: Im vergangenen Jahr wurde der Beitragssatz auf 15,5 Prozent angehoben. Nun machen die Krankenkassen plötzlich satte Gewinne. Allein 10 Milliarden Euro beträgt der Überschuss aus dem Jahr 2011. Aber die Kassen wollen das Geld lieber horten, statt es sofort in Form von Rückzahlungen wieder an die Versicherten zurückzugeben.
Ihre Strategie ist verständlich: Die Krankenkassen müssen langfristig planen, und sie müssen ihre Kunden bei der Stange halten. Wenn eine Kasse in diesem Jahr 60, 70 oder 100 Euro als Rückzahlung ausschüttet, weil die Finanzlage das gerade erlaubt, und dann im nächsten Jahr plötzlich einen Zusatzbeitrag verlangen muss, ist die Gefahr groß, dass die Versicherten in diesem Jahr die Entlastung mitnehmen – und dann im nächsten Jahr zur Konkurrenz wechseln.
Für die Kassen ist das Geschäft nach wie vor unberechenbar. Konjunktur, Tarifverträge, Arzneimittelpreise, Epidemien – all das wirkt sich auf die Kosten aus. Kommen ein paar ungünstige Faktoren zusammen, kann das schnell an die Substanz gehen. Dass mit solchen Rahmenbedingungen keine vernünftige Planung möglich ist, liegt nicht allein an den Krankenkassen. Es liegt daran, dass das System versagt. Eine solide, nachhaltige Finanzierung unseres Gesundheitswesens wird seit Jahren von allen Seiten verlangt und ist trotzdem nicht in Sicht.
Aber diese Argumentation zeigt auch: Wenn die erzielten Überschüsse einbehalten werden, dann haben davon nur die Kassen etwas – nicht die Versicherten. Genau deshalb wären Rückzahlungen jetzt angebracht. Denn die Überschüsse sind keineswegs das Verdienst der Krankenkassen, die diese durch besonders gute Arbeit erwirtschaftet hätten. Nein: Versicherte und Steuerzahler, die die Kassen über ihre Beiträge und den Gesundheitsfonds finanzieren, haben mehr bezahlt, als sie an Gegenleistung bekommen haben – deshalb ist jetzt Geld übrig.
Vor allem aber würden Rückzahlungen dazu beitragen, den Kostendruck im System hochzuhalten. Weniger Krankenkassen, mehr Wettbewerb, effektivere Strukturen – all das ist essentiell, um das Gesundheitssystem langfristig auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen. Denn neben dem demografischen Wandel, der zu einer Kostenexplosion führt, ist Verschwendung das größte Problem im Gesundheitssystem. Nach wie vor gehen die Deutschen zu oft zum Arzt, bekommen massenhaft wirkungslose Medikamente oder unsinnige Behandlungen. Der Bürokratie- und Verwaltungswahn verschlingt Milliarden, ohne dass der Patient etwas davon hat.
Langfristig wird kein Weg daran vorbei führen, Abstriche beim Niveau der Versorgung zu machen. Das sollte lieber heute als morgen geschehen – und Krankenkassen, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, können dabei nur hilfreich sein.