Künstler | Fabian Römer | |
Album | L_BENSLAUF | |
Label | Jive Records | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
“Money on my mind, money is all I think of.” (Lil Wayne)
„You lose money chasing women / Never lose women chasing money.“ (Nas)
„We need money. We need hits. Hits bring money, money bring power, power bring fame, fame change the game.“ (Young Thug)
All diese Zeilen zeigen, worum es im Rap geht: Man muss der Beste sein, um maximalen Erfolg zu haben. Man muss hart arbeiten, um die minderwertige Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Und hat man es dann an die Spitze geschafft, kann man das Leben auf dem Thron genießen, mit Geld, Ruhm und Frauen en masse. Dieses Ethos gilt natürlich nicht flächendeckend, weder im US-Rap noch hierzulande, aber es ist nach wie vor der Standard. Insofern steht der nach wie vor anhaltende Erfolg von Rap im erstaunlichen Kontrast zu den jüngst diagnostizierten Vorlieben der Generation Z, die für Geld, Statussymbole und Aufstieg um jeden Preis nur wenig übrig haben soll.
Fabian Römer macht sich auf seinem vierten Album daran, diese beiden Welten zu versöhnen. Der Titel L_BENSLAUF ist nicht etwa eine Reminiszenz ans Glücksrad („Ich kaufe ein E!“), sondern verweist auf die Erkenntnis, die er in den vier Jahren seit dem Vorgänger Kalenderblätter aus dem Leben gezogen hat. Diese lautet: Es läuft nicht immer am Schnürchen, es gibt Rückschläge, Tücken und Lücken, und gerade sie machen das Leben aus. Es bringt nichts, sich in ein Hamsterrad namens „Karriereplan“ zu begeben oder sich sonstwie abzuhetzen, wenn man nicht einmal ein wirklich lohnendes Ziel vor Augen hat. „In der zweiten Reihe zu stehen / finde ich unbeschreiblich bequem“, singt er in L_BENSLAUF, und das ist ganz eindeutig nicht nur auf sein Musikerdasein bezogen. Abwarten, chillen, auf Intuition vertrauen – das ist hier das Grundprinzip. Sein Ehrgeiz bezieht sich nicht auf Statussymbole oder irgendwelche objektiven Ziele, sondern nur darauf, mit sich im Reinen zu sein. „Wenn alle nach Zufriedenheit streben, ist Erfolg vielleicht das Wissen darum, wie man dorthin kommt“, sagt Fabian Römer passend dazu.
Man findet bei dem Mann aus Braunschweig, der zuletzt auch viel für andere Künstler geschrieben hat (etwa Casper, AnnenMayKantereit oder Drangsal), hier immer wieder Hinweise auf dieses Credo. In Bernsteinzimmer hat er sich „im Verlieben verloren“, bei Keine Antwort (feat. Kaind) propagiert er sehr überzeugend Suchen statt Finden und Rätseln statt Wissen als wichtigste Prinzipien. „Die freie Sicht genießen / wenn man am Abgrund steht / es gibt manche Dinge / die sind anders schön“, heißt es in Anders schön, das ebenfalls eine erstaunliche Sensibilität beweist und sich freimütig die eigene Schwäche eingesteht.
Das ist selten im Rap, und auch musikalisch kann man hier an einigen Stellen beinahe vergessen, dass dies eine Platte ist, die aus dem HipHop kommt. Die Skits, die Fabian Römer am Anfang, in der Mitte (Schlüssel wird dank seiner sehr guten Pointe der beste) und am Ende von L_BENSLAUF platziert hat, verweisen darauf, natürlich auch der Sprechgesang, den er vor allem in den Strophen nutzt, während im Refrain gerne „richtig“ gesungen wird. Nicht zuletzt darf man daran erinnern, dass es auch im HipHop natürlich nicht nur Angeber gibt, sondern auch einen Traditionsstrang von Storytellern mit Außenseiter-Mentalität, sensiblen Seelen und Musikern, die eher an Atmosphäre interessiert sind als an Bums, etwa De La Soul, Freundeskreis oder Arrested Development.
In diese Reihe passt Fabian Römer wunderbar. Selbst das heikle Genre der Rap-Liebeslieder meistert er in Nie wieder, für immer unter anderem dank Zeilen wie „Es gibt kein Normal zwischen dir und mir.“ Mit dir langweilen (mit Namika) empfiehlt das Nichtstun als Erfolgsrezept, In Bevor ich dich kannte rechnet er mit seinen eigenen Fehlern ab und zeigt echte Reue, sogar Verzweiflung. Mr. Wilson erweist sich als Zwiegespräch mit einem Volleyball wie in Cast Away, statt eines Beats gibt es hier Folk-Zutaten wie Gitarrenpicking und Streicher.
Was du nicht sagst (feat. Toksi) hat von den ersten Klavierakkorden an eine klasse Atmosphäre, vor allem aber einen tollen Refrain. Im bedrohlichen 32. Dezember hat die Figur, von der Fabian Römer erzählt, den deprimierendsten Jahreswechsel aller Zeiten hinter sich. Besonders typisch zeigen die zwei Songs, in denen es am deutlichsten um Zweisamkeit geht, wie weit er von der klassischen Rap-Attitüde entfernt ist. Bei Sie redet im Schlaf ist er der Liebhaber einer verheirateten Frau, aber er prahlt nicht mit seiner Eroberung, sondern leidet unter dieser Rolle und kämpft mit dem Widerspruch zwischen Intimität und Anonymität, den er erlebt. Bei Infinity Pool macht sich die hier vielfach artikulierte Orientierungslosigkeit selbst während eines Flirts bemerkbar, doch auch dabei zeigt sich die neue Überzeugung von Fabian Römer: Auch auf existenziell erscheinende Fragen kann man mit einer großen Grund-Gelassenheit reagieren.
Ausdruckstanz gibt es im Video zu Was du nicht sagst.
Die Tourdaten für den Herbst:
18.10.19 Bremen – Kulturzentrum Schlachthof
19.10.19 Hamburg – Übel & Gefährlich
20.10.19 Hannover – Musikzentrum
21.10.19 Dortmund – FZW
23.10.19 Frankfurt – Batschkapp
24.10.19 Münster – Skaters Palace
25.10.19 Stuttgart – Im Wizemann
27.10.19 München – Backstage Halle
28.10.19 Köln – Gloria Theater
29.10.19 Leipzig – Naumanns
30.10.19 Berlin – Lido