Künstler | Fat White Family | |
Album | Songs For Our Mothers | |
Label | Pias | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Die Figur ist nackt. Sie trägt in der linken Hand einen Hammer, in der rechten eine Sichel. Auf ihrem Schweinskopf steht eine überlaufende Champagnerflasche, zwischen den Beinen baumelt ein bis zu den Knien reichender Pimmel.
So sieht das Cover von Champagne Holocaust aus, dem 2013 veröffentlichten Debütalbum der Fat White Family. Die Musik darauf war entsprechend provokant, obszön und verstörend. Für den drei Jahre später erscheinenden Nachfolger wählen sie ein weitaus schlichteres Motiv: weißer Rahmen, schwarzer Hintergrund, weiße Schrift. Der Titel lautet Songs For Our Mothers, die beiden Substantive darin sind in Versalien geschrieben. Wer nun glaubt, die 2011 gegründete britische Band um Frontmann Lias Kaci Saoudi sei brav geworden, liegt natürlich falsch. Auch diese Platte wimmelt von Abseitigem, Radikalem, Ekligem und Schockierendem.
„Es ist eine Einladung, gesandt vom Elend, um zum Rhythmus des menschlichen Hasses zu tanzen“, sagt die Band. Wie auf dem Debüt, spielt auch hier Nazi-Symbolik eine große Rolle. Lebensraum heißt ein Song mit windschiefen Gitarren und einem alten Drumcomputer, der klingt wie Jack White auf Abwegen. Goodbye Goebbels beschließt die Platte, die Fat White Family singt darauf wie ein Gefangenenchor. Duce ist besonders düster, durch das trostlose Trommeln, aber noch mehr durch die Chöre. Die Single Whitest Boy On The Beach eröffnet das von Liam Trashmouth co-produzierte Album mit einem Sound, der in New Wave verwurzelt ist und sich von beschaulich zu wahnsinnig entwickelt, von stoisch zu komplex. Der Titel von Hits Hits Hits ist natürlich zynisch gemeint, das Stück ist nur vornehmlich einschmeichelnd. When Shipman Decides erweist sich als ein in mehrfacher Hinsicht kaputter Walzer, Love Is The Crack bleibt träge.
Satisfied wurde von Sean Lennon co-produziert. Darin trifft ein einfacher Beat, der von Iggy Pops Nightclubbing inspiriert zu sein scheint, auf eine sehr plakative Surf-Gitarre. Tinfoil Deathstar wird von einem motorischen Rhythmus angetrieben und versucht (auch) damit zu kaschieren, wie schön eigentlich die Melodie im Refrain ist. We Must Learn To Rise, das vorletzte Lied der Platte, ist ein besonders typischer Moment für Songs For Our Mothers. Der Song ist grotesk, theatralisch und wuchtig, er könnte perfekt einen Film von Tim Burton untermalen. „Es ist ebenso ein Katalog unserer Obsessionen wie eine sinnliche Odyssee; Sex, Drogen, Politik, Tod, der nordirische A-Lister Sam Neil, alles ist hier“, fasst die Fat White Family diese Platte zusammen, „alles was jetzt noch zu tun ist, ist es einzuatmen.“