Fatherson – „Sum Of All Your Parts“

Künstler Fatherson

Fatherson Sum Of All Your Parts Review Kritik
In chronologischer Folgen haben Fatherson die Lieder von „Sum Of All Your Parts“ aufgenommen.
Album Sum Of All Your Parts
Label Easy Life Records
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Es gibt eine Stelle auf Sum Of All Your Parts, die sehr bezeichnend ist für den Charakter des dritten Albums von Fatherson. Es ist die zweite Strophe von Nothing To No One. Völlig überraschend wird diese von Sarah Howells (Bryde) gesungen, und dass diese Frauenstimme in diesem Moment so ein Schock wird, liegt auch daran, dass der Sound bis dahin so vollständig und die Ästhetik so geschlossen war. Ross Leighton (Gesang und Gitarre), Marc Strain (Bass) und Greg Walkinshaw (Schlagzeug) haben offensichtlich sehr genau erkannt, was sie wollen und wie sie das hinbekommen.

Die morgen erscheinende Platte wird deshalb alle glücklich machen, die das Debüt I Am An Island mochten, und auch die zahlreichen Landsleute, die den Vorgänger Open Book gekauft haben (damit erreichten Fatherson Platz 2 der schottischen Charts, in der Folge waren sie beispielsweise mit Biffy Clyro auf Tour und spielten Konzerte mit den Kings of Leon). Sum Of All Your Parts wird auch sehr vielen Leuten gefallen, die noch nie von dieser Band gehört haben, aber weiterhin an Rock glauben. Schon in den ersten Sekunden des Albums in The Rain zeigt das 2010 gegründete Trio aus Glasgow: Wir machen Gitarrenmusik, ehrlich, sensibel („I’m looking for a hiding place“, heißt eine zentrale Zeile), traditionell, aber nicht 08/15.

Making Waves ist ein weiteres typisches Beispiel für diesen Sound, der hier ganz kurz sowohl vor ausgelassen als auch vor hymnisch stoppt und auf reizvolle Weise auf Abstand bleibt. Charm School nimmt, vor allem durch das kraftvolle Bass-Riff, eine erstaunliche Entwicklung. Oh Yes hat – natürlich eine sehr begrüßenswerte Eigenschaft in einem Song – so viel Leidenschaft, dass man beinahe die Komplexität dieser Komposition übersehen kann.

So rund und konsistent diese Platte klingt, so sehr bedeutete das Album für Fatherson doch einen Neuanfang. Denn nach dem Erfolg von Open Book mussten sie für ihr Leben und ihre Band in gewisser Weise den „Reset“-Knopf drücken. „Egal wie groß dein Ego auf Tour oder auf den Festivals vor unzähligen Leuten geworden ist: Wenn du zurück nach Hause kommst, bist du einfach nur der Mensch, der du bist. Niemand Besonderes. Dieses Gefühl hat mich geerdet und uns allen gut getan“, erzählt Ross Leighton. Auch Marc Strain betont diesen Aspekt: „Wir waren so lange pausenlos auf Tour, dass wir dringend eine Pause brauchten, und wieder mal richtig nach Hause kommen mussten. Es war genau das Richtige, in Glasgow wieder die volle Ladung Realität abzukommen. Ich glaube, die neuen Songs spiegeln das wieder.“

Die zehn Lieder der Platte wurden in chronologischer Reihenfolge live mit Claudius Mittendorfer (Arctic Monkeys, Interpol, Weezer) aufgenommen. „Wir haben diesmal einfach zusammen in einem Raum gespielt, und die Songs so rau, locker oder einfach gemacht, wie es sich richtig angefühlt hat. Wir haben immer gemerkt, dass wir auf dem richtigen Weg waren, wenn wir beim Spielen das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen haben“, schildert Strain die Atmosphäre des Entstehungsprozesses. Man hört diese ursprüngliche Spielfreude in Tracks wie Gratitude, das an ihre Landsleute von Snow Patrol nach einer doppelten Dosis Testosteron denken lässt, oder Ghost, das mit viel Wucht und Romantik auch gut zu Phantom Planet passen würde.

Zur geerdeten Herangehensweise gehört auch eine neue Offenheit in den Texten. „Ich habe mich diesmal getraut, lyrisch spezifischer zu sein“, sagt Leighton. „Ich habe in der Entstehung viel Frank Ocean gehört, und vor allem auf seine Texte geachtet. Er ist sehr direkt in dem was er singt, und dabei doch immer mehrdeutig. Das hat mich inspiriert, denn er vermeidet Verallgemeinerungen, sondern sagt dir: So fühle ich das, und das kannst du verstehen oder eben nicht.“ Ein Song wie Reflection belegt das; der Sänger beteuert darin, stets sein Bestes zu geben, und ahnt dabei: Es könnte trotzdem nicht genug sein. Auch The Landscape fällt in diese Kategorie und ist zugleich ein Beispiel für die stilistische Bandbreite der Band: Der Anfang klingt wie ein verlorener Grunge-Klassiker, der Refrain hingegen erinnert an klassische Powerballaden. Mit Building A Wall schließen Fatherson ihr drittes Album ab. Der Song ist genau der Schlusspunkt, den man für eine Platte wie Sum Of All Your Parts erwarten konnte. Auch hier liegt eine der Stärken dieser Band dabei in dem, was sie nicht tun: Die Ballade verkneift sich genau das bisschen Pathos, das zu viel gewesen wäre.

Spieglein, Spieglein ist die Ausgangssituation im Video zu Charm School.

Website von Fatherson.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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