Künstler | Fee | |
Album | Ein Zimmer Küche Bad | |
Label | O-Tone Music | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Aus drei Gründen war ich der Meinung, Fee nicht leiden zu können. Erstens bin ich Traditionalist und denke, Poptexte sollten sich reimen. Und wenn sich ein Künstler die Freiheit herausnimmt, auf Reime zu verzichten, dann muss seine Poesie auf andere Weise so beeindruckend sein, dass man ihm das verzeiht. Das trifft bei Fee, die eigentlich Felicitas Mietz heißt, in Marburg geboren wurde, mittlerweile in Frankfurt lebt und mit Ein Zimmer Küche Bad heute ihr erstes Soloalbum vorlegt, nicht zu. Ihre Texte klingen sehr authentisch, aber auch sehr spontan. So, als seien sie Notizen, aus denen man dann noch richtige Texte machen könnte, würde man ein wenig Mühe hineinstecken.
„Mühe“ ist allerdings ein Wort, das im Kosmos von Fee wenig Platz hat, und das ist der zweite Grund für meine ursprüngliche Abneigung. In einem Lied wie Einzimmerwohnung zum Auftakt der Platte feiert sie die Unbeschwertheit mit dem Bekenntnis: „Ich will doch einfach in den Tag leben.“ Orientierung, Sinn, Plan, Zukunft – all das „soll sich bitte von selbst ergeben“. Fee will lieber tanzen, küssen, träumen. In Süden, das sie gemeinsam mit Max Giesinger geschrieben hat, lebt der alte Hippie-Traum von „Hinein in den VW-Bus, auf ins sonnige Unbekannte!“ wieder auf. In Nichts behauptet sie schließlich gar: „Ich brauche nichts in meinem Kopf außer ein bisschen Fantasie.“
Abgelehnt werden mit diesem Credo also nicht nur Konventionen und Anbiederung, sondern leider auch Ehrgeiz, Bildung und der Anspruch, sich selbst herauszufordern. Alles, was nicht intuitiv passiert, am besten noch beim Chillen, unterliegt hier dem Verdacht des Falschen, und das ist natürlich eine fragwürdige, naive Position.
Der dritte Grund ist der Verdacht, dass das Bekenntnis, Herz und Bauch seien viel wichtiger als Hirn und Geldbeutel, wie es etwa in einem Song wie Herzschlag zum Ausdruck kommt, möglicherweise ein Versuch der Verklärung ist. Denn Fee hat sich früh in ihrer Karriere für Herz und Bauch entschieden. Mit ihrer Band NEOH war sie im Vorprogramm von Nena, Christina Stürmer, Wir sind Helden und Culcha Candela unterwegs und hatte einen Major-Vertrag bei Universal in der Tasche. Weil sie sich im Sound der Band und all den Kompromissen des Business aber nicht mehr selbst finden konnte, stieg sie 2012 bei NEOH aus.
„Ich klimperte auf meiner Akustikgitarre und merkte, dass meine neuen Singer-Songwriter-Titel irgendwie nicht mehr zur Band passten. Also entschloss ich mich, solo weiterzumachen. Keiner sollte mehr mitmischen. Fee und Punkt“, hat sie im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau diese Entscheidung begründet. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie das zumindest gelegentlich (wenn Hirn und Geldbeutel den Ton angeben) bereut hat und nun umso stärker ihren neuen Weg und die Priorität von „Höre auf deine innere Stimme“ betont, auch aus einer Position der Rechtfertigung für die damalige Absage an einen womöglich großen Erfolg heraus.
Das Gute an Ein Zimmer Küche Bad ist (und damit sind wir bei den Gründen, warum meine Abneigung nur vorläufig war), wie glaubwürdig sie dieses Credo vertritt. Nach dem Ende der Band hat Fee über 200 Konzerte gespielt, darunter etliche Auftritte mit Straßenmusik oder in diversen Wohnzimmern der Rhein-Main-Region. Sie hat es ins Vorprogramm von Katie Melua geschafft und 2016 weitgehend in Eigenregie die EP Lieber liegen veröffentlicht. So etwas bekommt man nur hin, wenn man die nötige Leidenschaft für die Musik und den nötigen Glauben an den eigenen Weg mitbringt.
Nicht zuletzt bietet Fee (trotz der fehlenden Reime, die bei ihrem Bekenntnis zum Unkonventionellen letztlich bloß künstlerisch konsequent sind) ein Album mit etlichen gelungenen Liedern. Am besten ist sie, wenn der Horizont sich nicht auf „Ich will so bleiben wie ich bin“ beschränkt, sondern auch Enttäuschung und Herausforderung thematisiert. Verloren handelt vom Ende einer Liebe, das offensichtlich ganz beiläufig kam, aber deshalb nicht weniger wehtut. In Kleinstadtlichter erkennt sie bei der Rückkehr in die alte Heimat die eigene Weiterentwicklung. Die Zeilen „In den Straßen von früher / ist alles geblieben / so wie ich es verlassen habe“, sind aber kein deprimierter Vorwurf, sondern verstärken das Gefühl von Verankerung, das Bleibende inmitten der unausweichlichen Veränderung. „Bei mir war es oft so, dass ich genau wusste, was ich will (wenn auch nicht immer, wie ich es umsetzen kann) und mich nicht in Zweifeln verloren habe“, hat Fee bei FRIZZ Frankfurt auf die Frage geantwortet, wie ihre Empfehlung für Musik-Newcomer lautet. Mit einem Lied wie Sorry zeigt sie: Sie weiß auch, was sie nicht will, zum Beispiel unreife, feige Männer.
Man merkt, dass Fee ein eigener Kopf ist, dennoch ist Ein Zimmer Küche Bad sehr gefällig – bei dieser Kombination kann man beispielsweise an Zaz denken. Die fast immer sehr hübsche Atmosphäre beruht meist auf einem Fundament aus Gesang und akustischer Gitarre, gemeinsam mit Produzent Andi Kunze hat Fee diesen Sound mal mit Streichern, mal mit Latin-Rhythmen, mal mit ein paar Rock-Referenzen angereichert. Wie bei den Magneten wäre mit einem etwas kraftvolleren Schlagzeug (und Reimen) von Juli denkbar. Immer wieder zeigt, dass sie sich doch ab und zu nicht wohl mit sich selbst fühlt und dann merkt, dass sie doch nicht heraus kann aus ihrer Haut. Auch der reduzierte Album-Abschluss Steh auf ist erstaunlich (und erfreulich) ernsthaft.
Ein Höhepunkt von Ein Zimmer Küche Bad ist Mit irgendwem anders, ein Lied über einen One-Night-Stand, ein Abenteuer ohne Perspektive, fast ohne Gefühle, ohne ein Versprechen auf Glück. „Gerade so reichen wir für den Moment“, singt Fee und fängt damit sehr klug die Ablenkung, den Trost, die Selbstbestätigung und Selbsttäuschung ein, die in so einer Nacht stecken kann, mit dem Fazit: „Alles geht wieder vorbei / alles wird wieder gut / mit irgendwem anders“. Das beste Lied des Albums ist Eigentlich, denn es bringt die Stärken von Fee auf den Punkt. Der Widerspruch zwischen Wunsch und Realität wird hier komprimiert in einem einzigen Wort und einem sehr netten Song – und Fee hat eindeutig keine Lust mehr, diese Differenz in ihrem Leben hinzunehmen.