Künstler | Fee | |
Album | Nachtluft | |
Label | O-Tone Music | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Vielleicht kann man den Punkt, den Fee (bürgerlich: Felicitas Mietz) in ihrer Eigenschreibweise „FEE.“ hinter ihren Künstlernamen setzt, so interpretieren: Ich bin ich. Punkt. Ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, dass ich nicht perfekt bin, aber das ist okay. Ich weiß, was ich will (Glück), und ich weiß, dass der Weg zu diesem Ziel nicht gerade verläuft, aber das passt schon. Ich werde mich dabei nicht verbiegen oder anbiedern, auch nicht an meinen Überzeugungen zweifeln. Aus dem Punkt wird kein Frage- und auch kein Ausrufezeichen. Es bleibt FEE. Punkt.
Diese Interpretation stützt ihr zweites Album Nachtluft. Die Eigenständigkeit zeigt sich unter anderem darin, dass die in Frankfurt lebende Künstlerin die Platte via Crowdfunding finanziert hat. Dass Fee auf dem richtigen Weg ist, kann man etwa daran erkennen, dass sie nach Stationen als Frontfrau von Neoh, dann dem Solo-Neustart als Straßenmusikerin, bei Wohnzimmerkonzerten und Club-Auftritten zuletzt mit dem „Panikpreis“ der Udo-Lindenberg-Stiftung ausgezeichnet wurde, der explizit unangepasste deutschsprachige Musik fördert. Nicht zuletzt kann man festhalten: Im Vergleich zum Debüt Ein Zimmer Küche Bad (2018) hat sich Fee deutlich weiterentwickelt und nun noch mehr Charakter. Was Nachtluft ausmacht, ist das Gefühl von Lebendigkeit, und dazu gehören bei Fee (und natürlich bei uns allen) Freude und Unbeschwertheit ebenso wie Kummer und Sinnieren.
„Wir sind wirklich exzellente Amateure / so zu tun als wäre alles wunderbar“, lautet die zentrale Zeile im Album-Auftakt Chérie, dessen Sound zu Boy passen würde. Diese Beobachtung kann auf eine Beziehung zutreffen (wie es hier der Fall ist), aber natürlich auch auf uns als Gesellschaft insgesamt. Man kann die hier gestellte Frage auf Nachtluft immer wieder finden: Wie sehr stimmt die Realität noch mit dem Ideal überein, oder wenigstens mit der Erinnerung an eine bessere Zeit?
Das reduzierte Dein Haus ist umstellt zeigt einen guten Blick für die (wahren oder erfundenen, schmerzhaften oder prahlerischen) Geschichten, die man bei flüchtigen Begegnungen aufgetischt bekommt. Im mädchenhaften Kein Problem hängt Fee der (als solcher erkannten) Illusion nach, man könne vor all den Problemen und „einer Million To Dos“ vielleicht einfach die Augen verschließen. Mit dir zelebriert die Lust auf Faulenzen, Genießen und Spinnen im klassischen Folk-Arrangement inklusive Vogelzwitschern, Ernst des Lebens verbreitet einen ähnlichen Hippie-Spirit, aber mit Augenzwinkern, Banjo und bittersüßer Melodie.
Die Single Zusammen kann uns nichts passieren ist nicht nur melancholisch, sondern nur eine Winzigkeit von depressiv entfernt – diese Winzigkeit ist vielleicht der Trost, den Zusammenhalt und Zweisamkeit versprechen. Die Strophe von Elixier könnte man als Rap betrachten, der Refrain würde hingegen zu Wir sind Helden passen. Der Schwachpunkt des Lieds ist, dass beides nicht allzu elegant verbunden ist. Dafür wird Straßburger Straße ein Höhepunkt: Es geht hier offensichtlich um einen Abschied, vielleicht um einen Tod, womöglich um eine Haushaltsauflösung. Das wird so traurig, tief und erwachsen, wie man das auch bei Enno Bunger erleben kann, und wirkt gerade durch die kleinen Details so echt und eindringlich.
Utopie (gemeinsam umgesetzt mit 2Ersitz) baut sehr gekonnt Spannung auf, sowohl mit der Stimme als auch mit dem Arrangement. „Ich verschließe meine Augen vor der Realität, bevor ich an ihr zugrunde geh'“, lautet eine Zeile, und nicht nur deshalb wirkt dieses Lied, als hätte Haiyti auf Singer-Songwriter umgeschwenkt. Den Abschluss der Platte macht Landebahn. Wieder geht es um eine Begegnung im Schwebezustand, aus der vielleicht gleich ein Abschied wird, vielleicht auch eine große Geschichte. Fee wird wissen, was es für Letzteres braucht, und was auf Nachtluft so gut erkennbar ist: Mut, Überzeugung und die Freiheit, manchmal auch zu träumen.