Feine Sahne Fischfilet, Gloria, Köln

Konzert Feine Sahne Fischfilet Köln Gloria
Ja, dieser Typ reitet einen Hammerhai.

Wir müssen ausnahmsweise mit der Vorgruppe anfangen. Normalerweise verpasse ich Support-Acts ja gerne mal oder stelle, wenn ich gerade noch ihr letztes Lied mitbekomme, fest: Haste nichts verpasst.

Heute Abend ist das anders. Den Anheizer für Feine Sahne Fischfilet in Köln machen Afterpartees, und sie machen ihn großartig. Die Musik könnte man dabei (wenn man so doof ist, hoch effizienten Powerpop-Punk im Stile der Buzzcocks nicht umwerfend zu finden) noch für halbwegs durchschnittlich halten. Das Quintett aus den Niederlanden hat aber einen ganz besonderen Trumpf: Frontmann Niek Nellen. Er vereint die Stimme des jungen Liam Gallagher mit der Besessenheit von Ian Curtis, den engsten Jeans außerhalb des Kleiderschranks von Harry Styles und dem Versuch, Howlin’ Pelle Almqvist noch eine Lektion (oder zwei) in Sachen Showmanship zu lehren. „This was our first German show, and our best German show “, sagt Niek Nellen zum Abschluss. Man kann sich kaum vorstellen, dass der zweite Teil dieses Satzes demnächst an Gültigkeit verlieren sollte. Famos.

Wir müssen außerdem, auch das ist ungewöhnlich, über die Musik reden, die zwischen Vorband und Haupt-Act aus der Konserve ertönt. Unter anderem haben Feine Sahne Fischfilet dafür Alleine in der Nacht von den Ärzten ausgesucht, der letzte Song, bevor sie die Bühne im Gloria betreten, ist dann Halbstark von den Toten Hosen. Beides Songs aus dem Frühwerk der jeweiligen Band, beides Bands, die eine ganze Generation junger Menschen in Deutschland geprägt haben. Man kann das sehr uncool finden. Aber als das Konzert in Köln zu Ende ist, macht es Sinn. Sehr viel Sinn.

Wie die Toten Hosen und die Ärzte in ihren Anfangsjahren, so machen auch Feine Sahne Fischfilet die perfekte Musik für Außenseiter. Musik, die jungen Menschen aus dem Herzen spricht. Musik, die am besten funktioniert, wenn man sie mit anderen Außenseitern teilt, aus denen dann vielleicht Freunde werden. Musik mit einer Energie, die man nur haben kann, wenn man weiß, dass Anerkennung keine Selbstverständlichkeit ist. Es sind Lieder von der Dorfjugend für die Dorfjugend, und genau das macht sie so wirkungsvoll.

Man kann im Gloria gar nicht anders als überzeugt sein: Es wäre völlig egal, wenn diese Band morgen implodieren sollte, solange wir heute Abend noch so viel Spaß haben können. Aber zugleich fühlt es sich an wie der Beginn von etwas Bedeutendem. Es gibt zwischen Bühne und Publikum ein Ausmaß an Identifikation, das vielleicht nur eine so bunt zusammengewürfelte Band auslösen kann: Der Schlagzeuger ist ein Tier, der Gitarrist mag gerne ein bisschen Virtuosität zeigen, der Sänger bringt geschätzte 120 Kilogramm pure Autorität auf die Bühne, der Bassist scheint nachts heimlich von Krist Novoselic zu träumen und einer der zwei Trompeter ist im Nebenjob Rapper. So sehen Bands sonst nicht aus. So sehen echte Menschen aus, die in der selben Straße gewohnt haben, zur selben Schule gegangen sind oder sich im selben Feuerwehrverein gelangweilt haben.

Das sorgt für einen Grad an Authentizität, den eine Band wahrscheinlich gerade noch bei diesem Level von Erfolg bewahren kann: Es geht nicht nur darum, wie diese Lieder klingen, sondern genauso sehr darum, woher sie kommen. Geschichten vom Geburtstag der Mama, der zum Massenbesäufnis ausartet, vom Ärger mit Nazis und Bullen, vom Aufstand gegen die Perspektivlosigkeit – all das ist erlebt und echt und deshalb so packend.

Der Sound dazu ist ein knüppelhartes und sagenhaft mitreißendes Punkrockinferno, gleichzeitig gibt es beinahe rührende Momente. Bei Wasted In Jameln holt Sänger Jan „Monchi“ Gorkow seinen kleinen Bruder auf die Bühne. Der hat Sommerferien, muss erst sein Bier abgeben („Du sollst nicht so viel saufen!“), darf dann aber einen Song lang das Leben als Crowdsurfer genießen. Viel cooler kann man als großer Bruder wohl nicht mehr werden. Später erinnert Gorkow daran, dass Feine Sahne Fischfilet einst dankbar gewesen wären, „vielleicht mal zwei Auftritte außerhalb unseres Landkreises zu spielen“. Jetzt sind sie auf Deutschlandtour und werden in Köln ebenso gefeiert wie zuvor beim Highfield-Festival. „Wir wissen das echt zu schätzen“, sagt Gorkow ohne einen Hauch von Anbiedern.

Der Höhepunkt ist nicht der Moment, als die Nordlichter das Gloria mit aufblasbaren Riesenfischen und einer ebenso aufblasbaren Palmeninsel fluten. Sondern die Zugabe, die noch politischer wird als der Rest der Show in Köln: Feine Sahne Fischfilet rufen zur Teilnahme an der Antifa-Demo am 24./25. Oktober auf, einen ganzen Song lang ist die Bühne von einem Transparent ausgefüllt, inklusive vermummter Mitstreiter und linker Fäuste, die in die Luft gereckt werden. Das sind Feine Sahne Fischfilet auch (und das gilt für die Ärzte und die Toten Hosen leider längst nicht mehr): eine Band mit einer Agenda.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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