Künstler*in | Flora Cash | |
Album | Our Generatipn | |
Label | Flower Money Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung | Foto oben: Cargo Records |
Dass man von außen Schritt für Schritt mitverfolgen kann, wie sich eine große, prominente Liebesbeziehung entfaltet, ist gar nicht so selten. Es gilt, wenn von berühmten Paaren ein Briefwechsel veröffentlicht wird, wie bei Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque in den 1930er Jahren, bei Honore de Balzac und Gräfin Eva Hanska 100 Jahre zuvor (rund ein Drittel der angeblich gut 1500 Briefe, die er seiner Angebeteten geschrieben hat, sind erhalten) oder Max Frisch und Ingeborg Bachmann. Es gilt natürlich auch, wenn sich bei Dreharbeiten ein Techtelmechtel entwickelt und man dann im fertigen Film erkennen kann (oder sich das zumindest einbildet), wie Amors Pfeile über die Leinwand fliegen, etwa zwischen Blake Lively und Ryan Reynolds 2010 bei The Green Lantern, Jennifer Garner und Ben Affleck 2003 bei Daredevil oder, das vielleicht berühmteste Beispiel, bei Mr. und Mrs. Smith, der Geburtsstunde des Pärchens, das wir heute „Brangelina“ nennen.
Auch Shpresa Lleshaj und Cole Randall sind so ein öffentliches Liebespaar. Ihre Romanze begann auf Soundcloud, man kann dort in den User-Kommentaren unter den Tracks noch heute nachlesen, wie der Junge aus Minnesota für die Musik des Mädchens aus Schweden geschwärmt hat – und umgekehrt. Beide hatten auf der Plattform ihre eigenen Lieder veröffentlicht, entdeckten sich und machten sich Komplimente. Daraus wurden Chats, schließlich ein Treffen im echten Leben, dann eine bis heute andauernde Beziehung.
Und natürlich wurde daraus auch Flora Cash. Das Duo wird so etwas wie „Promi-Status“ vielleicht leugnen, aber der Erfolg der ersten beiden Alben spricht für diese Bezeichnung. Sie können eine Nummer 1 in den Alternative-Radio-Charts und eine RIAA-Platin-Zertifizierung in den USA für sich reklamieren, dazu eine Reihe von Gold- und Platin-Schallplatten in Australien, Schweden, Deutschland, Norwegen und Großbritannien.
Was dabei den Appeal von Flora Cash ausmacht, zeigt auch ihr dritter Longplayer Our Generation, der morgen erscheint: Dies ist Musik für hoffnungsvolle Außenseiter, für Versehrte, die ihre Träume nicht aufgeben wollen, weil sich vielleicht gar nichts anderes haben, das ihnen Halt gibt im Leben. Es ist dieser Effekt, der letztlich auch das Band zwischen Shpresa Lleshaj und Cole Randall geknüpft hat („We were two lost souls swimming in a black hole“, heißt es hier bezeichnend in Feeling So Down): Sie war als kleines Mädchen mit ihrer Familie aus dem Kosovo nach Schweden geflohen, er schildert seinen Vater als „Junge mit guten Absichten, aber schlechtem Urteilsvermögen“, was dazu führte, dass der Papa mehr Zeit im Gefängnis verbrachte als mit Erziehungsaufgaben.
Nun eröffnet When I Was Young die Platte, Randall besingt darin die Fantasie, die eigenen Lieder im Radio zu hören und eines Tages eine Headline-Show zu spielen. Das ist dezent und liebevoll umgesetzt, man meint fast die Bescheidenheit herauszuhören, wie in vielen Momenten von Our Generation. So klingt Shpresa Lleshaj im intensiven Don’t You Look At Me That Way wie eine Folk-Version von Robyn, das toll gesungene I Tell Myself Lies lässt erkennen, dass es tatsächlich so etwas wie zeitgemäßen Country gibt, auf geradezu niedliche Weise positiv wird das von der Ukulele begleitete A Good Childhood.
„Als wir uns trafen, haben wir beschlossen, dass wir zusammen Musik machen und damit Geld verdienen würden. Oder dass wir zusammen Musik machen und arm bleiben würden. Es gab keinen Plan B“, sagen Flora Cash. Diese Überzeugung überträgt sich auf Lieder wie Time Machine, das packend nicht so sehr durch Opulenz, Kraft oder Dramaturgie wird, sondern durch Emotionalität. We Used To Laugh 9 To 9 bietet Drama ohne Pomp, You’re A Star, Baby klingt wie Owl City ohne Kalkül, in Soul Mate erinnern nicht nur das Gitarrenpicking, sondern auch die Sensibilität und Wärme an die Lieder von William Fitzsimmons.
Das Miteinander von Stücken, die manchmal elektronisch geprägt sind (Over klingt in der Strophe wie Depeche Mode, wenn sie Gefühle hätten), manchmal Klavier oder Gitarre als Basis haben, sorgt für die Spannung auf Our Generation. Gelegentlich führen sie diese digitalen und analogen Elemente auch zusammen wie in Holy Ghost And Hallelujah, dessen sehr hübsche Melodie das Spiel mit den vielen Stimmeffekten gut verträgt, oder in The Bright Lights, das irgendwo zwischen der Zugänglichkeit von Ellie Goulding und der Verwunschenheit von Kate Bush landet.
Zum Abschluss sampeln Flora Chash in Were You Ever With Me sehr geschickt ihren eigenen Gesang, das stärkt das Gefühl von Zweifel und Verunsicherung, das so zentral ist für ihren Sound. Noch wichtiger ist indes eine andere Eigenschaft: In keinem Moment wirkt die Musik dieses Duos wie ein Wettbewerb zwischen ihnen, zugleich ist klar, auf welche Weise sie künstlerisch voneinander profitieren.