Künstler | Forth Wanderers | |
Album | Forth Wanderers | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
“Jeder von uns fühlt sich jetzt wohler in seiner Rolle im gemeinsamen Entstehungsprozess unserer Musik. Jeder beherrscht sein Instrument besser und wir können mehr aufeinander vertrauen, weil wir jetzt wissen, wie diese Maschinerie läuft“, sagt Gitarrist Ben Guterl über das heute erscheinende und selbstbetitelte zweite Album der Forth Wanderers.
Wie das gemeint ist, zeigt die aufwühlende Single Not For Me. Die aus Noah Schifrin und Zach Lorelli bestehende Rhythmussektion ist hier besonders energisch, das Zusammenspiel der Gitarren von Ben Guterl und Duke Greenes wird besonders schön, der Weltschmerz von Sängerin Ava Trilling in der Zeile „Flowers bloom / but not for me“ klingt besonders groß.
Das Quintett aus Montclair, New Jersey zeigt hier eine beträchtliche Weiterentwicklung und ein gestiegenes Selbstbewusstsein. Verunsicherung ist freilich dennoch weiterhin das zentrale Thema der Forth Wanderers. New Face ist zerrissen und zwischen den Stühlen, es fällt Ava Trilling darin leicht zu identifizieren, was sie nicht will, und auch, was sie mag, aber es fällt ihr unendlich schwer, daraus eine Entscheidung abzuleiten. Auch Saunter zelebriert die Freude an der Inkonsequenz, mit einer herrlich wehmütigen Gitarre zu Beginn. Tired Games zeigt: Die Unentschlossenheit kann bei ihr schon mit der Frage beginnen, ob das Aufstehen am Morgen überhaupt lohnt. Es führt aber sogleich zur grundsätzlichen Verwunderung darüber, dass wir alle diesen Wechsel aus Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, einfach so hinnehmen.
„Es ist der Soundtrack für diese Momente im Leben, in denen du alles auf einmal fühlst. Die verstopften Nervenbahnen und die leise Verwirrung, die du spürst, wenn du gerade herausfindest, wie man in dieser großen, alten Welt existieren kann“, hat Pitchfork die Musik der Band angesichts der EP Slop beschrieben, und dieser Eindruck trifft auch hier zu. Ages Ago enthält viel Trägheit und Schrammeln, aber auch etwas, das strahlt, und einen unverkennbaren Willen, sich endlich aufzuraffen. Auch der Dialog in Be My Baby ist typisch für die hier häufig anzutreffende Attitüde: “Be my baby, let me love you”, sagt er. „You don’t know what you’re getting into“, erwidert sie.
Am Beginn der innerhalb von fünf Tagen im Sommer 2017 von Cameron Konner in Philadelphia aufgenommenen und produzierten Platte steht Nevermine mit einer leicht unbeholfenen akustische Gitarren und einem putzigen Gesang in der Nähe von Weezer, bis der Refrain dann mit beträchtlicher Kraft überrascht, die eher durch Druck als durch Tempo entsteht. In Taste singt Ava Trilling über die Phase, wenn aus Flirten und Rummachen plötzlich (zumindest für einen der Beteiligten) etwas Ernstes wird. Nach eigenem Bekunden kann sie solche Situationen zwar nicht leiden, genießt sie aber: „He thinks I’m the real deal.“
Der Schwur „I’ll be honest with myself from now on“ in Company wird nicht so sehr durch eine Ermahnung oder Erleuchtung von außen ausgelöst, sondern einfach, weil die Geduld aufgebraucht und die Hoffnung geschwunden ist darauf, dass aus einer Begegnung, die verheißungsvoll schien, noch eine Beziehung werden kann. Der Abschluss Temporary zeigt noch einmal mehrere Elemente, aus denen die Forth Wanderers hier ihre Kraft und Individualität beziehen: den zweistimmigen Gesang, die Gitarre, die ab und zu ebenfalls gerne die Gesangsmelodie mitspielt – vor allem aber die Perspektive, die ihnen zugleich zu Sensibilität wie zu Unbedingtheit verhilft: Ich gegen den Rest der Welt.