Künstler | Frànçois And The Atlas Mountains | |
Album | Banane Bleue | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Man will bei Musik aus Frankreich ja nicht reflexartig mit Klischees wie Baguette und Gauloise kommen, aber François Marry, der Mann hinter Frànçois And The Atlas Mountains, macht es einem mit Banane Bleue nicht leicht. Man kann hier Einflüsse von Air ebenso prominent erkennen wie von Serge Gainsbourg. Der Künstler hat zuletzt acht Gedichte aus Baudelaires Les Fleurs du Mal vertont. Als einen der wichtigen Ansatzpunkte für sein sechstes Album schildert er folgenden Gedanken: „Ich habe mich oft gefragt, wie die Geschichte meiner Beziehungen aussehen würde, wenn ich auf einem anderen Kontinent geboren worden wäre. Unsere Vorstellung von Liebe, die im 18. und 19. Jahrhundert geprägt wurde, ist schließlich hineingeschrieben in die Wände und Aromen von Städten und Cafés, Nächten in Bars, romantischen Ausflügen und Städtetrips. Es ist, als würde Europa eine Art von romantischen Duft verströmen.“
Das findet seine Entsprechung im Albumtitel. Er bezieht sich auf eine Theorie aus den 1980er Jahren, wonach einige der größten europäischen Städte auf einer bananenförmigen Linie verbunden sind, die von Liverpool bis Mailand reicht. Entsprechend hat es auch The Foreigner auf die Platte geschafft, und zwar gleich als erstes Stück. François Marry hat das Lied schon als 18-Jähriger geschrieben, während einer Interrail-Reise. Die tiefenentspannte Musik wird begleitet von Sprachfetzen, die er an verschiedenen Orten des Kontinents aufgeschnappt hat, in Griechenland („kalispera” = „Guten Abend“), Finnland („vivaa hilta“ = „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“) oder Italien („e pericoloso sporgersi“ = „Vorsicht, nicht anlehnen“).
Verschiedene Stationen quer durch Europa haben Frànçois And The Atlas Mountains auch sonst geprägt. Einige Songs sind in Bristol entstanden, die Aufnahmen für Banane Bleue erfolgten in Berlin, Athen und Paris. Finnland hat seine Spuren in Person von Produzent Jaakko Eino Kalevi hinterlassen. Das Album enthält sowohl Songs auf Englisch wie Holly Golightly, das fluffig klingt, ohne oberflächlich oder albern zu sein, als auch auf Französisch, wie das reduzierte Par le passé mit dem Klavier als zentrales Element.
Häufig werden die beiden Sprachen auch zugleich in einen Song gepackt, auch sonst führt François Marry gerne verschiedene Elemente wie ein Mosaik zusammen. „Ich befinde mich immer in einem Rätsel zwischen der meditativen Musik, die ich höre, und der Welt des Pops, aus der ich komme. Ich wollte mit Arpeggios im Stil von Steve Reich herumspielen und ein Vibraphon, das sich um abprallende Klaviernoten windet. Die zyklischen Rhythmen sorgen dafür, dass du nie sicher sein kannst, ob sie sich vorwärts oder rückwärts bewegen. Es ist ein bisschen wie Zeitreisen“, sagt François Marry. So verströmt das getragene Golden Lips fast ein bisschen Velvet-Underground-Feeling, Dans un taxi überrascht zum Abschluss der Platte mit einem elektronischen Beat, Julie gewinnt seinen Reiz unter anderem aus seinem Backgroundgesang, Tourne Autour gefällt sich in Lautmalerei, hat aber auch genug zu bieten, um nicht selbstverliebt zu wirken, und unterstreicht ebenfalls den Willen zu Experiment: „Ich liebe diese Situation, ganz von vorne beginnen zu können, mit einem weißen Blatt Papier. Man hat dann das Gefühl, alles sei möglich, und kann unerwartete Einflüsse berücksichtigen.“
Lee-Ann & Lucy hat viel Seventies-Flair und wäre auch von seinem Landsmann Nicolas Godin vorstellbar, Revu wird ein bisschen wehmütig, Coucou hat im Beat etwas mehr Kraft, wird im Refrain putzig und in der Atmosphäre leicht und luftig. Das in seiner Heimat gerne als Grußformel eingesetzte Wort, das dem Song seinen Titel gegeben hat (man kann das vielleicht als „Na, du?“ übersetzen) kann François Marry indes überhaupt nicht leiden: „Ich hasse es, weil es für eine fade, leicht geheuchelte Naivität steht. Was noch absurder ist, wenn es von jemandem geäußert wird, in den du einmal verrückt verliebt warst.“ Wenigstens diese Abneigung ist also vollkommen unfranzösisch.
Statt Bananen gibt es im Video zu Coucou andere seltsame Früchte.
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