Frida Gold, Anker, Leipzig

Zwischen Kunst und Kommerz: Frida Gold. Foto: Warner/Robert Wunsch
Zwischen Kunst und Kommerz: Frida Gold. Foto: Warner/Robert Wunsch

2198 Menschen waren nach offiziellen Angaben Ende September in Hattingen arbeitslos. Es wären noch drei mehr, wenn Frida Gold nicht gerade auf Tour wären. Denn die Band aus dem Ruhrpott wirft bei ihrem Auftritt im Anker in Leipzig zunächst vor allem eine Frage auf: Warum sind da sechs Leute am Werk, wenn drei doch völlig genügen würden?

Zwei Schlagzeuger, ein Keyboarder, ein Bassist und ein Gitarrist tummeln sich schon auf der Bühne, bevor Sängerin Alina Süggeler dazu kommt. Zu hören ist dann fast das ganze Konzert über aber quasi nur ihre Stimme, eine penetrant aggressive Bassdrum und das Keyboard. Gitarrist Julian Cassel hat zwar ein üppiges Solo am Ende von Denn Liebe ist, wirkt ansonsten aber so deplatziert (und unhörbar), dass man beinahe glauben mag, er darf bei Frida Gold nur noch mitmachen, weil er früher immer der einzige war, der ein Auto hatte. Noch schlimmer: Bassist Andi Weizel. Er schafft es nicht nur, sich mit einem Outfit aus Tarnhose, Glitzershirt und Don-Johnson-Gedächtnis-Sakko auf die Bühne im Anker zu wagen. Er trägt auch noch die Frisur von Aron Strobel auf (jawohl, der schmierige Typ von der Münchner Freiheit) und gibt dazu den größten denkbaren Poser vor dem Herrn. Kein Wunder, dass er sich so toll findet: Wohl niemand sonst schafft es, derart virtuos immer bloß einen Ton zu spielen.

Alina Süggeler, von der Grazia unlängst unter die Top10 der schönsten Frauen der Welt gewählt, entschädigt zwar für derlei optische Folter. Als sie in Leipzig auf die Bühne kommt, trägt sie einen Jumpsuit mit Pelzkragen und kleinem Bauchfrei-Einblick. Und sie ist ganz offensichtlich in ihrem Element. Eine gute Woche sind Frida Gold auf der aktuellen Tour schon unterwegs, Saarbrücken, Rostock oder Frankfurt waren einige der bisherigen Stationen. „Für uns fühlt sich das alles wie zuhause an“, sagt Alina Süggeler zum Leben auf Tour – und es fällt nicht schwer, ihr zu glauben, wie sehr die Band den Erfolg genießt.

Auch im Anker in Leipzig ist der Saal voll (obwohl Frida Gold erst im Juni in der Moritzbastei Station gemacht hatten) und der Jubel groß. Mit Morgen beginnen Frida Gold die Show, Undercover heizt die Stimmung noch ein bisschen mehr an, nach einer guten Viertelstunde ist die Coverversion von Spandau Ballets Gold allerdings ein kleiner Dämpfer. Mit dem Hit Zeig mir wie du tanzt (zu dem die Fans in die Knie gehen und aufspringen) kriegen sie freilich wieder die Kurve und zeigen dann mit den Balladen Nackt vor deiner Tür und Ich atme weiter ihre ruhige Seite.

Gerade dabei, wenn Frida Gold mit ihren Songs quasi nackt dastehen, wird aber deutlich: So richtig funktioniert diese Musik nicht. Alina Süggeler will ganz offensichtlich so stilsicher und innovativ sein wie Robyn, am Ende gibt es gemeinsames Getrommel wie bei Foals und zwischendurch darf als nette Indie-Geste ein befreundeter Singer-Songwriter ein Liedchen vortragen. Trotzdem haben die Lieder von Frida Gold auch eine gute Portion Eurodance und sogar eine nicht geringe Prise Helene Fischer in sich. „Die Menschen dürfen gern Pop zu dem sagen, was wir machen. Uns geht es eher darum, dass Pop nicht gleichgesetzt werden muss mit Castingshow und Musik aus der Dose“, hat Alina Süggeler in einem Interview mit news.de einmal das Selbstverständnis von Frida Gold erklärt.

Doch bei dem Konzert in Leipzig merkt man, wie schwer sich Frida Gold tun, den Begriff „Pop“ uneingeschränkt zuzulassen. Manches wirkt halbherzig ambitioniert, an anderen Stellen scheitern gute Melodien, weil sie von zu viel Style erdrückt werden. Nach dem Erfolg des Debütalbums Juwel scheinen Frida Gold gefangen zwischen Kunst und Kommerz. Die Show in Leipzig zeigt, wie schwer es für die Band werden kann, sich auf der nächsten Platte für eine der beiden Richtungen zu entscheiden. Denn das Konzert zeigt auch: Genug Talent, um beides dauerhaft zu vereinen, haben Frida Gold nicht.

Frida Gold spielen Unsere Liebe ist aus Gold live (allerdings nicht in Leipzig):

httpv://www.youtube.com/watch?v=r18OsWafSSE

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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