Künstler | Friedemann Weise | |
Album | Das Weise Album | |
Label | Staatsakt | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Wer kein Experte für die deutsche Kleinkunst-Szene ist, wird Friedemann Weise wohl vor allem aus der heute Show kennen, wo er meist etwas verhuscht komödiert und seine umfangreichen musikalischen Meriten (dies ist bereits sein viertes Album, dazu kommen drei EPs) meist verbirgt. Dass in seinem selbsternannten „Satirepop“ Letzteres genauso wichtig ist wie Ersteres, zeigt Das Weise Album aber sehr schnell. Für die fachkundige Produktion sorgte Nicolas Epe (The Screenshots), zu den Mitstreitern gehören Albrecht Schrader, Björn Sonnenberg (Locas In Love), das Liedermacherduo Simon und Jan sowie Christopher Martin (Rundfunktanzorchester Ehrenfeld).
Musikalisch ist das Album enorm abwechslungsreich und macht schnell klar: Friedemann Weise steht in der Tradition von Leuten, denen musikalische Kompetenz genauso wichtig ist wie gelungene Gags. Als Bezugspunkte kann man beispielsweise Die Doofen oder Funny van Dannen heranziehen. Das weise Album teilt das Problem, das in diesem Genre unumgänglich ist: Es wird nicht gerade lustiger, je öfter man es hört – aber die Musik sorgt dennoch für eine gewisse Haltbarkeit.
Personal Coach eröffnet die Platte als Kritik an Selbstoptimierungsterror via Sport und Ernährung, am besten durch eine App unterstützt. Der plötzliche Wechsel vom Folk-Arrangement zu Südstaaten-Sounds kommt ebenso überraschend wie die tragische Wendung, die das Leben des besungenen Fitnessgurus nimmt. Das schmissige Die Kunst wäre auch mit einem nicht-lustigen Text ein sehr unterhaltsamer Song und bietet zudem die beste Zeile des Albums: „Mozart war keine Amöbe.“ Badekappe ist ausgelassen bis albern, verweist damit sowohl auf Gitarrenclown-Vorbilder wie Otto Waalkes oder Mike Krüger, zugleich wird hier auch die Albumtitel-Anspielung auf die Beatles mit Leben erfüllt, denn vom Sound her hätte das Stück etwa gut zur Magical Mystery Tour gepasst. Der Witz der Folk-Ballade Schüchterner Mike besteht darin, dass eben nicht die kunstvoll aufgebaute (und erwartete) Pointe kommt, Ich wär so gerne eine Frau hat Lust auf Absurditäten, Digital Detox in der Eifel verbindet Weltschmerz-Gestus mit Cello und vermeintlicher Sozialkritik, bis zur feinen Pointe, die zwar leider schon im Songtitel verraten, aber mit passender Infantilität vertont wird.
Der Kaffeemann fühlt sich zwischen Beat und Rockabilly zuhause und ist deutlich inspiriert von Helge Schneiders Telefonmann. Als originellster Moment des Albums erweist sich der Twitter Song. Man erkennt, dass Friedemann Weise ein Kenner ist (Social Media gehört zu seinen liebsten Betätigungsfeldern), der genau weiß: Twitter ist dann am besten, wenn man es nicht allzu ernst nimmt. Liebeskummer im Sommer wird eine sehr stilechte Eighties-Schmonzes-Ballade und wirkt, als hätte er im Studio ein paar vergessene Aufnahmen von Duran Duran oder INXS gefunden. Der Song liefert tatsächlich überzeugende Argumente, das nächste Mal auf die richtige Jahreszeit zu achten, wenn man sich mal wieder das Herz brechen lässt.
Wenn 68er 68 werden wundert sich, wie aus Freigeistern langsam (oder auch schnell) Wutbürger werden („Früher in der Soli-Gruppe Nicaragua / heute hast du Angst vor Kindern in der Shisha-Bar“), Warum laufen hier alle nackt rum‘ ist der perfekte Gag, um das Album zu beenden. Danach packt Friedemann Weise in den Bonustrack noch zwei Skizzen aus dem Ordner namens „Revolverheld“, in dem er seine verworfenen Songideen ablegt.
Nicht alles ist gelungen, schon gar nicht bei wiederholtem Hören. Die recht dünne Stimme von Friedemann Wiese ist ein Problem, weil sie stets auf die Attitüde als (hyper-)sensibler Beobachter verweist und auch melodisch keine allzu großen Sprünge zulässt. Ein Stück wie Samenstau auf der Pimmelparade wird auch deshalb schlicht langweilig – jedenfalls hat man schon deutlich amüsantere (und spektakulärere) Abrechnungen mit bescheuerter Männlichkeit gehört. Dass Das Weise Album manchmal bloß mittelprächtig ist, liegt auch daran, dass der „King Of Understatement“ so brav bleibt. Er macht sich lustig über uns alle und die Widersprüche und Blödsinnigkeiten des Alltags, aber letztlich bleibt er damit gemütlich und versöhnlich, statt wirklich jemandem wehzutun.