Autor | T. C. Boyle |
Titel | Zähne und Klauen |
Verlag | Hanser |
Erscheinungsjahr | 2005 |
Bewertung | **** |
Man mag kaum sagen, was mehr erstaunt: T. C. Boyles ungeheure Produktivität oder das konstant hohe Niveau seiner Werke. „Zähne und Klauen“ ist bereits sein dritter Band mit Erzählungen innerhalb der vergangenen zehn Jahre, dazu kommen noch fünf Romane. Doch der fast 60-Jährige, der nebenher auch noch Literaturprofessor ist, büßt weder an erzählerischer Könnerschaft ein, noch verliert er den Blick für spannende Themen.
Was ihn antreibt, zeigen auch diese 14 Stories. Es ist ein unerschütterlicher Humanismus, der sich als brennendes Interesse an den Menschen und der Menschheit äußert. Und es ist ein bitterer Zorn, der entsteht, wenn Boyle betrachtet, wie die Welt aussieht und wohin der Weg führt.
Im Zentrum seiner Geschichten steht diesmal die Katastrophe in all ihren Variationen: das Aussterben bedrohter Tierarten, ein auf die Erde zurasender Asteroid, ein gewaltiger Sturm, der Klimawandel oder auch bloß die Tatsache, dass einen gerade die Freundin rausgeschmissen hat. Boyle erkennt mit seltener Schärfe die Gier des Menschen, sei es in sexueller Hinsicht oder als Triebfeder des Kapitalismus. Er weiß um die Sehnsucht seiner Protagonisten, aus beidem auszubrechen und die Verheißung, die lockt, wenn dies gelingen könnte. Es ist nichts weniger als der Kampf zwischen Trieb und Vernunft, der hier ausgefochten wird.
Das Schlachtfeld ist dabei Amerika. Man ahnt Boyles Schmerz, wenn „Die Unwägbarkeit des Wassers: Madam Knights Reise nach New York, 1702“ andeutet, welche Möglichkeiten diese Neue Welt einst bot, und wenn etwa das bitterböse „Jubilation“ zeigt, was daraus geworden ist. Die Diskrepanz zwischen Verheißung und Realität ist hier am größten, die Gier natürlich auch. Und doch ist dies auch eine Liebeserklärung an Amerika. Auch wenn es eine unglückliche Liebe ist.