A River Running To Your Heart Fruit Bats

Fruit Bats – „The Pet Parade“

Künstler*in Fruit Bats

Fruit Bats The Pet Parade Review Kritik
Eric D. Johnson mag jetzt auch, ähm, Fruit Pets.
Album The Pet Parade
Label Merge Records
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: Merge Records

Eine eigene Website hat die Pet Parade in La Grange, Illinois. Seit genau 75 Jahren nutzen die Menschen im Städtchen westlich von Chicago diese Gelegenheit, ihre Haustiere herauszuputzen und dann stolz durch die Stadt zu führen, mit Blasmusik und allem Pipapo. Mehr als 10.000 Besucher*innen kommen zu diesem Anlass regelmäßig nach La Grange. Als Eric D. Johnson als Teenager noch selbst dort lebte, fand er das Event immer hochgradig seltsam. 30 Jahre später erscheint ihm das Format so bemerkenswert, dass er das neunte Album seines Soloprojekts Fruit Bats danach benannt hat, das morgen erscheinen wird.

So ungewöhnlich diese Idee zunächst erscheinen mag, so schnell leuchtet sie doch ein beim Blick auf sein bisheriges Werk und auch auf die Entstehung dieser zehn Lieder. Johnson hatte stets einen scharfen Blick für die Spleens seiner Mitmenschen, für skurrile Bräuche und falsche Prioritäten. So gut die Haustier-Show in diese Reihe passt, so offenkundig ist auch, dass sie noch etwas anderes repräsentiert: Dass die Menschen in La Grange auch mitten in der Pandemie an ihrer Tradition festgehalten haben, mag eigenbrötlerisch oder provinziell wirken. Es zeigt aber auch, wie wichtig ihnen dieses Ereignis ist, das Gemeinschaft über Generationen hinweg und womöglich sogar Trost in schweren Zeiten stiften kann.

Den Titelsong stellt Johnson gleich an den Beginn von The Pet Parade, das Lied braucht nur zwei Akkorde, um sich recht gemütlich und getragen vom zweistimmigen Gesang über fast sieben Minuten zu erstrecken. Später klingen die Covid-Erfahrungen noch einmal sehr deutlich durch: „These days it’s hard to tell dreams from remembering“, lautet eine diesbezüglich bezeichnende Zeile im fragilen, weitgehend akustischen All In One Go.

Corona hat auch die Entstehung von The Pet Parade stark beeinflusst: Das Album wurde produziert von Josh Kaufman (The Hold Steady, Bob Weir, The National), der mit Johnson auch gemeinsam bei Bonny Light Horseman spielt, was ihnen zuletzt zwei Grammy-Nominierungen eingebracht hat. Die Beiträge der weiteren Beteiligten mussten sie aus der Ferne einholen. Gastmusiker wie Joe Russo, Matt Barrick, Johanna Samuels, Thomas Bartlett und Jim Becker haben ihre Parts durchweg alleine zuhause aufgenommen, weil durch die Pandemie keine Zusammenarbeit vor Ort möglich war. „Die Songs haben genug Intimität, damit es nicht klingt, als wäre alles mit einer Million Meilen Abstand gemacht“, ist Johnson dennoch sicher.

Lieder wie das innig-reduzierte Here For Now, For You, das hoch elegante Eagles Below Us oder Gullwing Doors als enorm überzeugendes Plädoyer für Sensibilität bestätigen das. Cub Pilot wird zugleich luftig und beschwingt, sodass man an eine besonders entspannte Version von Tom Petty denken könnte, The Balcony hätte mit seinem unruhigen Jangle, dem recht prominenten Beat und dem hell strahlenden Refrain toll zu The Shins gepasst, bei denen Johnson ja einst gespielt hat.

Wie sehr er längst auch mit Fruit Bats eigene Spuren hinterlassen und eine eigene Ästhetik geprägt hat, zeigen Lieder wie Discovering, das in sich ruht, ohne selbstzufrieden zu sein, oder On The Avalon Stairs mit viel Seventies-Spirit und der typischen Klugheit (und dem gelegentlichen Witz) seiner Texte: „It’s so hard to promise ourselves / that we won’t lie to ourselves.“ Zum 20. Jubiläum seiner Solo-Aktivitäten betont Johnson: „Ich finde es immer noch sehr aufregend, Platten zu machen. Es bereitet mir Glück und Freude, und vielleicht ist es noch ein bisschen schöner für mich geworden, seit ich es langsamer angehen lasse. Ich genieße es viel mehr.“

Auch ein Song wie die Single Holy Rose passt zu diesem Selbstverständnis. Sie hat etwas mehr Opulenz als der Rest von The Pet Parade und obendrein sehr viel Nostalgie und Wehmut, fast wie eine muskulösere Variante des Sounds von Lana Del Rey. Complete beschließt das Album nur mit Gitarre und Gesang. „It’s so hard to know if it’s shit or if it’s gold“, lautet eine der Zeilen darin. Bei Fruit Bats ist diese Unterscheidung glücklicherweise auch diesmal wieder sehr einfach.

Als Horror-Clown tritt Johnson im Video zu The Balcony auf.

Website von Fruit Bats.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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