Künstler | Fünf Sterne Deluxe | |
Album | Flash | |
Label | Warner | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
„Nenn es bitte kein Comeback / es geht weiter im Kontext“, fordern Fünf Sterne Deluxe in SMS. Trotzdem ist das eine Rückkehr, mit der man – 17 Jahre nach dem Vorgänger – nicht mehr gerechnet hatte. Und sie hätte kaum besser werden können als auf diesem Track: Tobi, Das Bo, Marcnesium und DJ Coolman formulieren in SMS (was bei ihnen für „Sei mal sicher“ steht) ein nachträgliches Dankeschön an Public Enemy, Run DMC, Grandmaster Flash, Eric B. & Rakim, Naughty By Nature und die Beastie Boys, teilweise per Sample, teilweise mit Textzitaten. Das ist absolut großartig. Zugleich ist es allerdings ein Wermutstropfen, weil es zeigt, zu was die Hamburger auf Flash hätten in der Lage sein können, hätten sie ihr Können und die Möglichkeit, die eigene Bandgeschichte clever und ironisch zu thematisieren, öfter auf so geniale Weise verbunden.
Stattdessen bietet das dritte Studioalbum der Hamburger (nota bene: die Zwischenzeit nach Neo Now haben sie unter anderem für Soloplatten oder die Aktivitäten mit Moonbootica genutzt) ein sehr großes Qualitätsgefälle. „Das fand ich das Schöne bei diesem Album: Dass wir viele Sachen gemacht haben, die wir uns vorher nie getraut hätten“, sagt Das Bo. Was man als lobenswerte musikalische Freiheit interpretieren kann, erweist sich allerdings vielmehr als Problem, das eng mit Begriffen wie „derbe“ oder „krass“ verbunden ist: So bezeichnet man vielleicht eine Idee in einer ersten, spontanen Reaktion. Was Flash fehlt, ist die Fähigkeit, danach noch einmal zu hinterfragen, ob die Idee wirklich trägt. Vieles bleibt deshalb allenfalls halbgar, die meisten Tracks haben eine Halbwertszeit, die genauso lang (also: kurz) ist wie ihre Spielzeit.
Das gilt leider nicht nur für die Skits (sie seien „wie eine Schokolade zwischen zwei Drinks, um den nächsten Drink vorzubereiten“, erklärt Das Bo die anhaltende Vorliebe der Fünf Sterne Deluxe für diese Form) wie Bruzzelbude, das kurz (genauer gesagt: 21 Sekunden lang) mit dem Gedanken spielt, sich in Eurodance zu versuchen, Gut Eingestellt (Blödsinn zu Latin-Beat) oder die Endrille, die 66 Sekunden lang das Knistern einer Vinylplatte hören lässt. Mindestens die Hälfte der regulären Tracks haben ähnlich wenig Substanz – und das ist eine erstaunlich klägliche Ausbeute, wenn man bedenkt, dass die Musiker mehr als anderthalb Jahrzehnte Zeit hatten, um Ideen für diese Platte zu sammeln.
Afrokalle bietet fast drei Minuten Selbstbeweihräucherung zu einem Afrobeat-Funk-Jam, bevor überhaupt eine Strophe kommt, die dann allerdings auch völlig blass bleibt. Die Single Moin Bumm Tschack ist eine Minute lang extrem cool, dann geht dem Track aber sehr schnell die Luft aus. Das Feeling ist Sensational könnte man ein paar Sekunden lang für ein Lied von Lionel Richie halten, im Text geht es um Chillen und Relaxen – also lauter Tätigkeiten, die nicht nur den Körper entspannen, sondern auch keinerlei Aktivität im Hirn brauchen. Bleibmalogga zeigt, wie viel die Fünf Sterne Deluxe alleine mit der sagenhaft coolen Stimme von Das Bo machen können, hat darüber hinaus aber fast nichts zu bieten. Flieg wie ein Engel thematisiert die Auswüchse von Social Media und lässt die Ü40-Band tatsächlich ein wenig altväterlich klingen. Bei Beatboxrocker erschließt sich kaum, wo bei den Fünf Sternen auch nur der Verdacht hergekommen sein sollte, das könnte irgendjemanden umhauen.
Die Antwort liegt vielleicht in der Arbeitsweise, die bei Flash darin bestand, dass Das Bo eine Textidee hatte und diese dann schnellstmöglich mit Produzent Tobi umzusetzen versuchte, wobei er diesen notfalls auch an der Arbeit an einem anderen Track herausriss. „Ich sag dann so: ‚Tobi, Tobi, Tobi! Du musst jetzt einmal kurz aufhören!’ Ich hab meistens Ideen, die nicht so haften. Wenn sie kommen, muss ich das einmal reinmachen, damit sie gesichert sind“, sagt er. Tobi reagierte darauf, indem er das Mikro direkt in den Studioraum holte, „damit wir sofort zack rein da geben können“. Auch dieses „Sofort, zack“ könnte ein Grund für die hier oft auf so eklatante Weise fehlende Qualitätskontrolle sein.
Natürlich gibt es nicht nur Murks auf dieser Platte. Im Gegenteil: Hätte man Flash auf 12 statt 20 Stücke gekürzt, hätte eine richtig runde Sache daraus werden können. In Ichsen & Ihmsen beispielsweise feiern sich die Hamburger selbst mit vielen Rap-Klischees und laden zum Mitfeiern ein, aber hier macht es (anders als in einigen anderen Momenten) auch Spaß. Davon ist zwar so konventionell und zahm, dass man es sich auch von Cro vorstellen könnte, funktioniert aber. Louis V. nimmt Dekadenz, Sittenverfall und Hybris vergangener Zeitalter in den Blick – natürlich mit Parallelen zu heute. Genau mein Ding (mit reichlich Auto-Tune, was Das Bo mittlerweile legitim findet: „Das gab’s zu unserer Zeit nur von Cher, heute ist es ein ganz normales Vocal Tool, gerade für die Cloud-Rap-Fraktion.“) erweist sich als gut geeignet für die Afterhour oder das Morgengrauen und wird so zum wichtigen Element für den Spannungsbogen des Albums.
Der Titelsong als Auftakt wird unter anderem mit einem durchgeknallten Chor, Lasersounds und Klimperklavier sehr unterhaltsam. Monulani nennen die Fünf Sterne ein fiktives Hype-Modelabel und präsentieren dazu rund um Kritik an Markengläubigkeit und Marketingopfern den bis dahin konsitentesten Text des Albums, leider ist die Musik bis zum durchgeknallten Pauken-Trompeten-und-Chor-Finale ein wenig dünn (um im Bild zu bleiben: eher Jogginganzug als Haute Couture). „Wie soll man sagen: Es ist Exzess. Die Götter reichen dem Proletariat die Hand, irgendwo zwischen Gucci und Ed Hardy liegt die Wahrheit. Es ist wie eine Art Karl-Lagerfeld-Inszenierung, aber nach hinten raus. Vorne ist es eher so Aladin Center, Sankt Pauli. Wir sind die Tim Burton des Rap. Und Tobi und ich sind die Jonny Depp des Tim Burton“, erklärt Das Bo noch als Hintergrund. Ähnlich gelagert ist Regeln Machen Tun: Der Song weist darauf hin, wie sehr der Wunsch nach immer mehr Konsum unser Leben prägt. Das wird smart und auch musikalisch originell und endet konsequenterweise in einem Blödel-Werbespot für den „ersten Heimregulator der Welt“.
Ein echtes Highlight gibt es auch noch, nämlich Inspektor Jabidde. Der Track wird eine klasse Hörspiel-Geschichte, irgendwo zwischen dem Dadaismus von Käptn Peng und der Comicliebhaberei aus den Anfangsjahren von Fettes Brot. Beinahe will man das Wort „Meisterwerk“ in den Mund nehmen, so viele Ideen und so viel Leichtigkeit sind da endlich einmal zu erleben. Es sind wahrscheinlich Momente wie diese, die Das Bo noch immer von seiner Band schwärmen lassen: „Es gibt viele Menschen mit ganz dicken Eiern und richtig starken Muskeln. Aber einer der größten Muskeln und einer der Muskeln, die am meisten leisten, permanent, das ist das Herz. Und Fünf Sterne ist eine Gruppe fürs Herz, das kann man glaube ich sagen. Flash, Seele, Herz. Kommt Leute, let’s go!“