Fury In The Slaughterhouse Hope 2023

Fury In The Slaughterhouse – „Hope“

Künstler*in Fury In The Slaughterhouse

Fury In The Slaughterhouse Hope Review Kritik
Fury haben (neuerdings) kein Problem mit Eskapismus.
Album Hope
Label Starwatch Entertainment
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung Foto oben: Fleet Union / Ronja Hartmann

Vor einem Vierteljahrhundert haben Fury In The Slaughterhouse mit Super Fury ein Greatest-Hits-Album veröffentlicht. 27 Tracks waren drauf, von den größten Erfolgen über ein paar Remixes bis zu einer Liveaufnahme. Wohl kaum jemand hätte damals gedacht, dass es die Band aus Hannover 25 Jahre später noch immer geben würde. Und wohl noch weniger Menschen hätten – erst recht, nachdem im Anschluss an Don’t Look Back (2008) mehr als ein Jahrzehnt der Funkstille folgte – damit gerechnet, dass sie anno 2023 eine Platte vorlegen würde, die wie ein weiteres Best Of klingt, aber voller neuer Lieder steckt. Aber mit Hope passiert heute genau das.

Kai Wingenfelder (Gesang), Thorsten Wingenfelder (Gitarre), Christof Stein-Schneider (Gitarre), Rainer Schumann (Schlagzeug), Christian Decker (Bass) und Gero Drnek (Keyboards, Gitarre) zeigen auf Hope, dass sie ganz genau wissen, wo ihre Stärken liegen und was ihre Fans erwarten. Don’t Give Up eröffnet das Album, neben vielen schönen Gitarrenfiguren hört man darin auch eine Mandoline wie einst in ihrer Version von When I’m Dead And Gone. Das folgende Better Times Will Come setzt etwas Elektronik und abgedämpfte Gitarrentöne ein, wie es früher schon bei Every Generation Got It’s Own Disease so gut funktioniert hat. Das auf Mallorca geschriebene Island In The Sun kombiniert Schwermut in der Strophe mit Hoffnung im Refrain, was auch bei ihrem größten Hit Radio Orchid die Erfolgsformel war.

Ein Lied wie Ghost In The City hätte wunderbar auf Mono und noch besser auf The Hearing And The Sense Of Balance gepasst, also die Alben aus der Blütezeit dieser Band. Far Cry From Home überrascht mit keltischen Elementen, zeigt aber auch die bestens bekannte Lust auf große Gesten, die man schon in Time To Wonder beobachten konnte.

Natürlich kann man all das auch fürchterlich kalkuliert finden, wie eh und je gibt es bei Fury In The Slaughterhouse auch diesmal wieder sehr mittelprächtige Reime, ziemlich überambitionierte Momente wie S.O.S. oder Lieder wie So Are You, die klarmachen, dass man auch als Niedersachse einen Bono-Komplex haben kann. Es gibt mit Who Am I als Hidden Track sogar einen Song, in dem (leider) Richard David Precht zitiert wird. Aber ganz offensichtlich ist das Sextett auf Hope mit ordentlich Rückenwind und einer neuen Unbeschwertheit unterwegs.

Das liegt zum einen am 2021 veröffentlichten Comeback-Album Now. Platz 2 in den Charts und eine erfolgreiche Tour zur Platte haben der Band bewiesen, dass sie auch nach zuvor 13 Jahren ohne neue Songs noch gefragt ist. Zugleich ist es erstmals seit ewigen Zeiten gelungen, im Studio einen vernünftigen Umgang miteinander zu finden. „Es war schon so, dass die Now-Produktion uns den Glauben daran zurückgebracht hat, dass es machbar ist, mit dieser Band im Studio eine Platte aufzunehmen. Das war ja vorher unser Problem“, gesteht Kai Wingenfelder. Produzent Vincent Sorg (Die Toten Hosen, In Extremo, Donots), der schon bei Now dabei war und nun auch Hope betreut hat, habe großen Anteil daran, dass die Zusammenarbeit „neuerdings total stressfrei“ sei. Schlagzeuger Rainer Schumann bestätigt: „Das macht richtig Freude gerade und ist sehr kreatives, entspanntes Arbeiten. Für mich war so ein Schlüsselmoment, als Christof einmal meinte, als wir einen besonders guten Lauf hatten: ‚Äh, worum ging es bei unserem Streit damals eigentlich noch mal?‘ Das sagt doch alles, wenn einem der Grund nicht mehr so recht einfallen will!“

Deutlich lockerer sind Fury In The Slaughterhouse ganz offensichtlich auch beim Blick auf den eigenen Status und ihre Möglichkeiten als Band geworden. Auf Hope wird nicht mehr krampfhaft versucht, die Welt zu retten, die Bösen zur Rechenschaft zu ziehen oder dem Feuilleton zu beweisen, dass man woke, edgy, innovativ und auf internationalem Niveau unterwegs ist. Die Hannoveraner haben sich offensichtlich mit der Rolle angefreundet, einem nicht mehr ganz jungen Publikum als Gitarrenmusik-Dienstleister für ein paar Minuten Nostalgie und Eskapismus zur Verfügung zu stehen. Schließlich ist das ja auch ein Beitrag, den man als Künstler*in leisten kann, und nicht einmal ein kleiner.

So ist auch der Albumtitel zu verstehen. „Die letzten Jahre waren in vielen Punkten eine sehr bedrückende Zeit. Das ging mit Corona los, dann kam noch die Ukraine obendrauf. Jetzt sind es die Türkei und Syrien. Die Lage im Mittelmeer. Man könnte die Liste endlos weiterführen. Irgendwann haben wir uns aber gedacht: Das Wichtigste, das wir machen können, ist: Den Leuten ein bisschen von dem zu geben, was man braucht, um durch solche Zeiten durchzukommen“, sagt Kai Wingenfelder. „Sich irgendwo hinzustellen und immer zu jammern, wie fürchterlich alles ist, bringt uns eben auch nicht weiter. Man muss Wege finden, um Kraft zu tanken, mal zu lachen, oder ganz einfach das Gefühl bekommen, dass man mit den ganzen Herausforderungen nicht alleine ist. Es ist kein ‚Das Leben ist schön‘-Album. Wir wollten einfach ein Statement setzen. Es hilft nicht, wenn man sich alles noch schlechter redet. Man kommt durch, wenn man irgendwie Mut und Hoffnung hat, dass es besser wird. Und da wollten wir mit unseren Fans ein Teil von sein.“

Neben Optimismus und Kraft (beides wird besonders deutlich in Why Worry, mit einem guten Riff und ordentlich Tempo) finden sich auf Hope entsprechend viel Demut und Dankbarkeit. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist Always Now mit der zentralen Zeile: „The good old days are always now.“ Als Co-Autoren sind hier Ali Zuckowski (Helene Fischer, Roger Cicero, Max Giesinger, Joy Denalane) und Daniel Flamm (Udo Lindenberg, Clueso) dabei. Auch auf More Than A Friend, das zu den Gin Blossoms oder Rembrandts passen würde und einen von vielen guten Refrains dieser Platte bietet, wird das musikalische Netzwerk der Band deutlich, denn das Lied ist ihrem Manager Holger Hübner (der auch das Wacken-Festival veranstaltet) gewidmet. „Freundschaft ist in herausfordernden Zeiten eben auch ein wichtiger Hoffnungsfaktor und ein großer Halt“, hat Kai Wingenfelder erkannt.

Solche Statements sind natürlich nicht besonders aufregend und kein bisschen sexy. Die Abkehr vom Größenwahn und Verkopftheit und die Entdeckung von Gelassenheit und „Schau’n mer mal“-Attitüde stehen Fury In The Slaughterhouse aber auffallend gut. Man muss ja nicht leich „cool“ dazu sagen.

Gute Studio-Stimmung herrscht auch im Video zu Don’t Give Up.

Website von Fury In The Slaughterhouse.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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