Neun Extraleben verspricht das neue Album der Aeronauten, das am 20. November erscheinen wird. Das wirkt natürlich zunächst makaber angesichts der Tatsache, dass Sänger Olifr Maurmann alias GUZ im Januar im Alter von 52 Jahren verstorben ist, nachdem er nach zwei Herzinfarkten im Herbst 2019 die letzten Monate seines Lebens in der vergeblichen Hoffnung auf ein Spenderherz im Krankenhaus verbracht hatte. Das hinterließ nicht nur einen Schock bei der seit 30 Jahren bestehenden Schweizer Band und ihren Fans (zu denen beispielsweise Rocko Schamoni, Frank Spilker von den Sternen und Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen gehören), sondern auch die Frage, was mit dem zuvor aufgenommenen Material geschehen sollte. „Nach Olifrs Tod wurde uns schnell klar, dass wir das hier für ihn und uns und auch irgendwie mit ihm zu Ende bringen wollten“, entschieden sich die Aeronauten für die Vollendung ihres elften Studioalbums. Die Arbeit daran hatte im Februar 2019 in einer Hütte im Appenzellerland begonnen und wurde fortgesetzt in Maurmanns Startrack-Studio in Schaffhausen. Sie waren gut vorangekommen, bis der Sänger in die Klinik musste, aber einige Ideen waren Skizzen geblieben. Nach seinem Tod stellten Motte, Dani, Lukas, Marc und Roger die Platte mit Produzent David Langhard fertig, mitten im Corona-Lockdown. Wie spannend das neue Material ist, zeigt beispielsweise das ruppig-kraftvolle Irgendwann wird alles gut (****) mit viel Bläser-Charme und den im Rückblick noch tröstender klingenden Zeilen „Dinge gehen schief / Dinge gehen verloren / doch irgendwann wird alles gut.“ Noch mehr zeigt das Video, wie angemessen die Aeronauten mit der misslichen Lage umgehen, ein Album nach dem Tod ihres Sängers zu veröffentlichen: Im Clip werden die verbliebenen Bandmitglieder zu Klinik-Insassen, die fehlende Position von GUZ (der auch über Archivmaterial im Fernseher präsent ist) nimmt ein Gespenst ein. „Wir waren nirgends groß, nur überall ein bisschen“, hatte Olifr Maurmann 2004 in seiner Geschichte der Band geschrieben. Diesen Außenseiter-Stolz verbreitet auch Irgendwann wird alles gut, und es klingt verdammt danach, als hätten die Aeronauten mit Neun Extraleben einen sehr würdigen Schlusspunkt unter ihre Laufbahn gesetzt.
Nur zwei Songs hatten Working Men’s Club gemacht, als die Band um den 18-jährigen Frontmann Syd Minsky-Sargeant bereits einen Vertrag bei Heavenly Recordings bekam. Der Hype war nicht ganz gesund, denn in der Folge ging ihm die Hälfte seiner Band verloren. Die abtrünnigen Mitglieder sind jetzt durch neue Leute aufgefüllt, der nächste Schritt wird das Debütalbum sein, das am 2. Oktober herauskommt und von Ross Orton (The Fall, M.I.A., Arctic Monkeys) produziert wurde. „He kicked the shit into us“, fasst Minsky-Sargeant die Zusammenarbeit zusammen. Die Single Valleys (***1/2) zeigt zwei Besonderheiten der Band aus West Yorkshire. Zum einem die Sehnsucht nach Ausbruch aus der Frustration der Provinz. „Dort passiert nicht viel, und erst recht als Teenager kann man da kaum etwas erleben. Es kann ganz schön deprimierend werden, vor allem im Winter, wenn es erst um 9 Uhr hell und am Nachmittag schon wieder dunkel wird“, sagt der Sänger. Zum anderen wird die Tatsache überdeutlich, dass es beim Working Men’s Club Drum-Machines statt eines Schlagzeugs gibt. Ähnlich wie bei The Kills ist dieses Markenzeichen eher zufällig entstanden, und dann hat die Band aus der Not eine Tugend gemacht. „Wir waren anfangs viel gitarrenlastiger und haben versucht, unsere eigene Version der Dinge zu machen, die wir mögen, wie The Velvets und so. Das hat sich verändert. Je mehr ich experimentiert habe, desto tanzbarer wurden die Ergebnisse.“ Nicht zuletzt kann man hier sehr deutlich das erkennen, was rund ums Jahr 1990 in England „Rave“ genannt wurde, nämlich das Verschmelzen von House- und Dance-Elementen mit der Indierock-Kultur, wie sie die Happy Mondays oder EMF populär gemacht haben.
„Es wird immer offensichtlicher, dass wir alle in einem gewissen Ausmaß oder zu bestimmten Zeiten in unserem Leben mit psychischen Problemen zu kämpfen haben. Das sollte nicht mehr stigmatisiert werden. Es betrifft uns alle“, sagt Foxes zu einem Thema, das schon seit einiger Zeit eine wichtige Rolle in der öffentlichen Debatte ihrer britischen Heimat spielt und dass sie in ihrem neuen Song Friends In The Corner (****) aufgegriffen hat. Entstanden ist das Lied nach einem Ausflug mit Freunden, die sich während eines Wochenendes immer besser kennen lernten und einander schließlich so sehr vertrauten, dass sie auch über ihre inneren Kämpfe und ihre Verletzlichkeiten sprechen konnten. „Es hat mir sehr deutlich gemacht, dass man nichts für selbstverständlich halten kann und dass wir uns um unsere Freunde kümmern sollten“, lautet die Erkenntnis von Foxes. Dass die Musik des Songs so fröhlich und eingängig klingt, als hätte die Künstlerin noch nie eine düstere Minute erlebt, ist natürlich kein Nachteil. Das Video (Regie: Joshua Trigg), das den Trip nachzeichnet, bildet umso deutlicher das Schwanken zwischen Zweifel und Ausgelassenheit, Distanz und Miteinander ab.
William Fitzsimmons ist jemand, der seit bisher sieben Alben sehr zuverlässig sehr hochklassige, einfühlsame Musik abliefert. Mit der Single No Promises (***1/2) gelingt ihm nun tatsächlich so etwas wie eine Überraschung: Inmitten des ätherischen Arrangements und auch dank des Stimmeffekts klingt er hier ein bisschen wie Peter Gabriel in einem besonders introspektiven Moment. „Der Song handelt vom Gespräch eines Paars über die unbekannte Haltbarkeit von Liebe, Versprechen und Vertrauen. In welchem Maße sind wir in der Lage, uns jemand anderem dauerhaft hinzugeben? Können wir wirklich daran glauben, dass jemand für immer für uns da sein wird? Oder sollten wir uns lieber damit abfinden, dass Versprechen gebrochen werden können und dass die Zukunft ungewiss ist, so sehr wir das auch zu leugnen versuchen?“, schildert er den Ansatz des Songs. Auch die mythologische Geschichte von Ikarus spielt darin eine Rolle, wie das animierte Video von Zach Bell ebenfalls andeutet. Auch den Titel des nächsten Albums von William Fitzsimmons, auf das No Promises den ersten Ausblick bietet, kann man darin ableiten: Es wird Ready The Astronaut heißen.
Auch FEE zweifelt an der Wahrheit und Zuverlässigkeit, auch bei ihr geht es um den Konflikt zwischen Bleiben und Gehen, allerdings auf einer anderen Ebene: Ihre neue Single Dein Haus ist umstellt (***) thematisiert die Gespräche (und das Flunkern) im Nachtleben, wo man bei flüchtigen Begegnungen die abenteuerlichsten Geschichten hören kann, ohne wissen zu können, wie viel davon Wahrheit, wie viel Prahlerei und wie viel glatte Lüge ist. Das ist nicht nur gut beobachtet, sondern auch von einer schönen Melancholie getragen – und das Motto „Hör auf zu lügen, es ist sinnlos“ darf man natürlich auch gerne unterstreichen. Ihr zweites Album, passenderweise Nachtluft betitelt, hat FEE per Crowdfunding finanziert und selbst aufgenommen, es wird im Dezember erscheinen. Auch das Video hält dieses Do-it-yourself-Ethos hoch: Es ist in ihrer eigenen Wohnung gedreht, mit selbstgebastelten Papp-Kulissen.