Bombay Bicycle Club haben es mit ihren bisherigen fünf Alben noch nicht ganz geschafft, dass man bei der Abkürzung BBC nicht mehr an öffentlich-rechtlichen Rundfunk denkt, sondern an ihre Band. Aber die Bilanz des Quartetts ist trotzdem sehr vorzeigbar: Viermal erreichten sie die Top 10 in ihrer englischen Heimat (so auch zuletzt 2020 mit Everything Else Has Gone Wrong), viermal wurden ihre Longplayer mit Gold ausgezeichnet. Mit My Big Day, das am 20. Oktober erscheinen wird, wollen sie die Erfolgsserie fortsetzen. Wie beim 2014er Werk So Long, See You Tomorrow hat Sänger und Gitarrist Jack Steadman selbst produziert, aufgenommen wurde in den Church Studios im Norden ihrer Heimatstadt London. Als prominente Unterstützung sind Damon Albarn, Jay Som, Nilüfer Yanya und Holly Humberstone dabei, außerdem ein Special Guest, dessen Namen die Band noch nicht verrät. Die erste Kostprobe ist der Titelsong (***1/2), der sich von einem fast disziplinierten Beginn hin zu einer schönen Ausgelassenheit steigert und dabei so cool, verspielt und wunderbar britisch klingt wie es beispielsweise bei Blur in ihrer Blütezeit zu erleben war. Im November sind Bombay Bicycle Club dann auf Europatournee.
Mehr als zehn Jahre lang gab es keine neue Musik mehr von Sigur Rós, jetzt senden sie mit der Single Blóðberg (***1/2) ein Lebenszeichen. Der fast zehn Minuten lange Track ist typisch für den Sound der Isländer: Es gibt eine geflüsterte Stimme und wenige, kaum zu definierende Instrumente, das Resultat ist auf magische Weise zugleich majestätisch und zerbrechlich. Ebenso eindrucksvoll ist das Video von Regisseur Johan Renck (er hat Clips für Madonna, Robyn und Beyoncé gemacht und zuletzt einige Preise für die HBO-Miniserie Chernobyl abgeräumt), das eine mit Leichen gepflasterte Wüstenlandschaft zeigt. „Was unsere Zukunft angeht, bin ich so nihilistisch und schwarzseherisch wie man es nur sein kann. Wir sind unseren eigenen Dummheiten offensichtlich machtlos ausgeliefert“, sagt Renck. „Einige Aspekte davon überlagerten sich schließlich mit jenen Themen, die ich in Blóðberg zu erkennen meine. Die Musik wurde der Soundtrack zu meinen eigenen elenden Gedankengängen – und gab ihnen so eine gewisse Schönheit, wie nur die Musik es vermag.“
Ein bisschen Apokalypse könnte man sich auch gut im Repertoire von Royal Blood vorstellen, schließlich steht des Duo aus Brighton für einen Sound, der im Zweifel alles pulverisiert, was sich ihm in den Weg stellt. Der neue Song Mountains At Midnight (***1/2) unterstreicht das mit Zeilen wie „I’m a ticking timebomb hooligan come to light your fuse“ und einem Mix aus Kraft und Dreck, Finesse und Unberechenbarkeit, wie es beispielsweise Black Rebel Motorcycle Club auch kaum besser hinbekommen würden. Das Lied ist ein Ausblick aufs Album Back To The Water Below, das am 8. September erscheint und von der 2015 mit dem Brit Award als „Best British Group“ ausgezeichneten Band erstmals in kompletter Eigenregie produziert wurde. „Ich glaube, bei diesem Album ging es darum, dass wir den Ideen folgen, wo immer sie hinmussten“, lässt Schlagzeuger Ben Thatcher zum vierten Album von Royal Blood wissen. „Wenn ein Song etwas von uns verlangte, wofür wir normalweise nicht bekannt sind, haben wir uns trotzdem ganz bewusst darauf eingelassen. Die Songs haben das Sagen, und wenn das bedeutet, dass die Platte sehr breit gefächert ist, dann werden wir uns auch darauf einlassen, anstatt zu versuchen, alles in dieselbe Welt zu pressen. Das Ergebnis ist ein Album, das ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt ist. Wir haben alles da reingebuttert.“ Bassist und Sänger Mike Kerr unterstreicht: „Wir leben für diese Sache.“ Davon kann man sich im Juni auch live bei den anstehenden Shows in Deutschland überzeugen – und darf dann gerne den Konzerttaumel aus dem Video zu Mountains At Midnight nachstellen.
Gute Laune herrscht hingegen bei My Ugly Clementine, zumindest vordergründig. Ihr neues Album wird The Good Life heißen und am 11. August erscheinen, in der Single Feet Up (****) schaffen es Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs und Nastasja Ronck, sogar Lethargie konstruktiv klingen zu lassen und das Ganze irgendwo zwischen Wet Leg und den Breeders zu platzieren. „Boredom muss ja nicht immer negativ sein, manchmal ist es auch gut, langsam zu leben. Nach einem Konzert zum Beispiel sitzen wir auch gerne noch im Backstage, trinken einen Gin-Tonic und spielen Brettspiele“, erklären die drei Musikerinnen aus Wien, die 2022 im Vorprogramm der Parcels zu sehen waren und alle neben My Ugly Clementine auch in anderen Projekten aktiv sind. Fast noch besser als der neue Song ist der dazugehörige Clip von Gersin Livia Paya, der viele schöne Anspielungen auf legendäre Videos von Green Day, Nirvana, Blink-182, Avril Lavigne oder den Red Hot Chili Peppers enthält. Im Herbst kommen sie auf Tour, bereits am 6. Juli sind sie gemeinsam mit Dream Nails auf der Sommerbühne am Panometer in Leipzig zu sehen.
Eine Schnittmenge aus Scooter und Ton Steine Scherben hatte man bisher nicht für möglich gehalten, aber Acid.Milch & Honig aus Leipzig siedelt seine Musik genau dort an und beweist mit der neuen Single Panzersong (****), dass dieser Ort tatsächlich existiert. Man könnte auch an Andreas Dorau auf Steroiden oder ein Stück vom Remix-Album denken, das Tocotronic im Jahr 2000 veröffentlicht haben. Diese Datierung ist auch nicht ganz falsch: Den Song hat der Musiker und Produzent bereits zu Zeiten geschrieben, als er seine Musik noch bei Myspace hochgeladen hat. Am 2. Juni wird es nun erstmals ein Album von ihm geben, das ebenfalls Acid.Milch&Honig heißt – unter diesem Namen ist er bereits seit rund 20 Jahren aktiv. Seinen Künstlernamen erklärt er übrigens so: „Irgendwann soll Walter Ulbricht als ehemaliges Staatsoberhaupt der DDR mal etwas gesagt haben wie: ‚Wenn die nächsten Fünfjahrespläne von allen DDR-Bürgern gut umgesetzt würden, dann werde Mich und Honig aus sämtlichen Leitungen fließen.‘ Milch & Honig aus dem Boxen, also. Aber irgendwie fehlte mir da noch etwas Destruktives. Also machte ich davor noch ein Acid, um diesem komischen vermeintlichen Wohlstandsmodell etwas Reibung zu verpassen. Vielleicht war es aber auch einfach so, dass mir am Anfang meine Songs immer zu poppig erschienen – Milch & Honig – und weil mir das nicht gefiel, musste ich die Harmonie dann irgendwie noch hinterher mit Verzerrern und dem Zerschnippeln von Samples kaputt machen – also Acid.“