Man muss wohl nicht mehr erklären, dass Erdmöbel ein bisschen anders sind als andere Bands. Was sie mit Tutorial (***) abliefern, ist trotzdem eine Überraschung, in mehrfacher Hinsicht: Erstens war das Video dazu erstmals im täglichen Newsletter „Was Für Ein Tag“ zu sehen, den Christoph Amend (Chefredakteur des ZEITmagazins) versendet. Zweitens hat der Clip mit so einem Titel natürlich das Zeug, YouTube zu sprengen. Drittens schaffte es die Band aus Köln, dafür Schauspielstars wie Corinna Harfouch und Lisa Martinek vor die Kamera zu holen. Ohne Bilder ist das zwar nur noch halb so spannend, auf jeden Fall deutet Tutorial aber an, wie ernst der Titel des morgen erscheinenden Albums Hinweise Zum Gebrauch offensichtlich gemeint ist und wie detailversessen und zugleich locker Erdmöbel auch diesmal wieder an ihrem Sound gefeilt haben. Und man erhält auch noch ein bisschen praktische Lebenshilfe von Markus Berges & Co., man kann nämlich lernen, wie man auf Knopfdruck weint. Am 19. April steigt übrigens der Tourauftakt in Leipzig.
Die dritte Kostprobe des neuen Albums Cocoa Sugar (erscheint am 9. März) haben Young Fathers gerade mit Toy (****) rausgehauen. Alloysious Massaquoi, Graham ‘G’ Hastings und Kayus Bankole zeigen auch darauf, was sie ausmacht: ungewöhnliche Sounds, eine eindringliche Stimme, die hier manchmal an Kele Okereke denken lässt, und ein Verständnis von Rap, das weit über die üblichen Grenzen des Genres hinaus geht. Am Anfang steht eine Kampfansage („I’m chasing shadows in the gallows / collecting what was stolen from me“), am Ende klingen die Schotten, wenn sie gemeinsam singen, fast wie eine waschechte Gang. “Cocoa Sugar finds Young Fathers at a fascinating juncture: opening up, moving forward, but still existing in a sonic hall-of-mirrors all of their own”, hat Q den anstehenden Longplayer schon gelobt – angesichts dieses Tracks erscheint das nicht zu viel versprochen.
Eine neue Live-Videoreihe hat das Stuttgarter Label Urban Uniforms gestartet. Urban Sessions nennt sich das Ganze. Diesen Titel nimmt Kwadi für die Akustik-Version von Wrong Side Of My Head (**1/2) ganz wörtlich: In einem Hinterhof hat er den Song gemeinsam mit Deborah Withelm (Gesang) und Omar Berberena (Keyboard) performt. Das Stück ist die aktuelle Single und wird auch auf seiner im April erscheinenden EP mit dem unurbanen Titel Lost In The Woods zu finden sein. In diesem reduzierten Arrangement wird noch klarer, wie wundervoll seine Stimme ist. Die Komposition ist hingegen bei weitem nicht so stark, dass sie in vergleichbarem Maße zu glänzen wüsste – ob Kwadi in dieser Hinsicht noch mehr zu bieten hat, wird wohl die EP beweisen.
https://www.youtube.com/watch?v=D1DbUSIH1Og
Noch ein bisschen länger muss man auf das Debütalbum von Jo Passed warten, das am 25. Mai bei Sub Pop veröffentlicht wird. Mächtig Lust hat man allerdings schon jetzt darauf, denn der Vorab-Track MDM (****) ist ein herrlich wilder Mix aus den schrägen Momenten, zu denen Weezer in ihren frühen Jahren in der Lage waren, der simplen Lärmeffektivität der Pixies und einer großen Lust auf DIY und SHD (Letzeres ist ein Fachbegriff für „Scheiß halt drauf“). Dass Bandleader Jo Hirabayashi an der High School als „freaky music weirdo” galt, glaubt man sofort. Megan-Magdalena Bourne (Bass), Bella Bébé (diverse Instrumente) und Mac Lawrie (Schkagzeug) komplettieren Jo Passed mittlerweile, die beiden Letztgenannten haben sich offensichtlich nicht nur frisurtechnisch von Dinosaur Jr. beeinflussen lassen. Their Prime wird das Album der Band aus Vancouver heißen – das könnte stimmen.
Zum Schluss wird es noch mal Deutsch: „Von Physik habe ich nie viel verstanden“, gesteht Fee Mietz aus Marburg in ihrer neuen Single, die trotzdem Wie bei den Magneten (*1/2) heißt. Der Sound ist nett, die Stimme auch. Allerdings ist der Text nicht einmal mittelprächtig: Wenn man sich schon die Freiheit nimmt, auf Reime zu verzichten, dann sollten mehr Poesie, Tiefgang oder Witz in den Zeilen stecken. Hier klingt es eher, als habe jemand seine erstbesten Gedanken über eine halbwegs besondere Beziehung zu Papier gebracht. Mit anderen Worten: Singer-Songwriter-Substandard. Dass FEE. (mit Versalien und Punkt, darauf legt sie Wert), einst als Sängerin von NEOH beispielsweise im Vorprogramm von Nena oder Wir sind Helden zu sehen, damit einen Karriereneustart hinbekommt, erscheint zweifelhaft. Wenn am nächsten Freitag ihr erstes Soloalbum Ein Zimmer Küche Bad erscheint, lasse ich mich natürlich gerne eines Besseren belehren.