Futter für die Ohren mit Green Day, Pet Shop Boys, Refused, Lindsey Stirling und Efterklang

Pet Shop Boys Dreamland Review Kritik
Das „Dreamland“ der Pet Shop Boys hat mit Berlin zu tun. Foto: Verstaerker.com/Phil Fisk

Was sie von der politischen Entwicklung im eigenen Land halten, hatten die Pet Shop Boys zuletzt schon mit der EP Agenda deutlich gemacht. Auf ihrer neuen Single wünschen sich Chris Lowe und Neil Tennant jetzt in ein Dreamland (***). „I’m so tired of my homeland“, singt Tennant darauf unter anderem, zu einem klassischen Pet-Shop-Boys-Sound im Stile etwa von It’s A Sin und einem Beat, der die Verwirklichung des Wunschs von „I don’t want to wake up“ in ziemlich weite Ferne rückt. Unterstützung haben sie sich von Olly Alexander (Years & Years) geholt, „eine der originellsten und erfolgreichsten Bands, die dieses Jahrzehnt hervorgebracht hat“, wie sie schwärmen. Produziert wurde das Stück von Stuart Price (der schon bei den letzten beiden Alben Electric und Super an den Reglern saß), es ist der erste Ausblick aufs neue Album Hotspot, das am 24. Januar 2020 herauskommen wird. Das Lyric-Video zeigt die Berliner U-Bahn, in den Hansa Studios der deutschen Hauptstadt wurden große Teile des Lieds auch aufgenommen.

Große Neuigkeiten: Am 7. Februar wird Album #13 aus dem Hause Green Day erscheinen. Es soll Father Of All… heißen (die drei Punkte stehen bestimmt für etwas Unanständiges) und die gleichnamige Single (****) gibt es schon jetzt. Der Song überrascht nicht nur mit einem sehr direkten Riff, das auch zu Stoner Rock oder den Arctic Monkeys passen würde, sondern auch mit der ungewohnten Kopfstimme von Billie-Joe Armstrong. Natürlich haben sich Green Day nicht plötzlich in Muse verwandelt, aber schon alleine diese beiden Zutaten zeigen, dass sich das Trio aus Kalifornien auch nach mehr als 30 Jahren längst nicht auf den eigenen Lorbeeren (darunter über 70 Millionen verkauften Alben) ausruhen will. Die Zeile „There’s a riot living inside of us“ (später sogar: „We are rivals in the riot inside us“) bestätigt das. So viel Abwesenheit von (Selbst-)Zufriedenheit macht dann tatsächlich sehr neugierig auf das anstehende Album. Einen Live-Termin in Deutschland gibt es auch: Am 3. Juni 2020 werden Green Day in der Berliner Wuhlheide spielen, zehn Tage später beginnt eine gemeinsame Stadion-Tournee mit Fall Out Boy und Weezer.

Artemis heißt das gerade veröffentlichte fünfte Album von Elektro-Violonistin Lindsey Stirling, mit The Upside (**) gibt es jetzt ein neues Video dazu. Auch sie hat sich gesangliche Verstärkung an Bord geholt, nämlich Elle King. Das Zusammenspiel von Auto-Tune und einer keltisch anmutenden Geige ist gewöhnungsbedürftig, aber immerhin gerät das Ergebnis eingängig (und weniger peinlich als alles von David Garrett). Das Video ist, wie das gesamte Album, von Anime-Kunst inspiriert – auch in einem Spezial-Konzert schlüpfte Lindsey Stirling zuletzt in die Rolle eines Avatars. Demnächst ist sie auf Tour, am 17. September spielt sie in Leipzig im Haus Auensee.

Erstmals singen Efterklang auf ihrem fünften Album in ihrer dänischen Muttersprache. Altid Sammen heißt der Longplayer, mit Uden ansigt (***1/2) gibt es jetzt die dritte Single daraus. Auf Deutsch bedeutet das: Ohne Gesicht (im Lyric-Video unten gibt es sowohl den dänischen Text als auch die englische Übersetzung). „Die Texte sind für mich wie Bilder. In diesem Fall gehen sie auf ein Erlebnis zurück, das ich einmal beim Radfahren in Kopenhagen hatte“, erklärt Sänger Casper Clausen. „Es hat stark geregnet, alle waren dick eingepackt, mit Regenschirmen, Kapuzen, Mützen und so. Auf diese Weise wurden die Leute gesichtslos, geschlechtslos, alterslos, farblos. Meine Sicht war verschwommen und all diese Gestalten bewegten sich durch die Straßen wie gesichtslose Geister aus einem japanischen Anime-Film. Besessen, einsam und vereint zugleich.“ Die Atmosphäre spiegelt dieses Gefühl von Faszination und Verwirrung wunderbar wider. Die Musik stammt aus der Feder von Rune Mølgaard, der die Band zwar bereits vor mehr als zehn Jahren verlassen hat, aber weiterhin gelegentlich Songs für Efterklang beisteuert. Das Klavier spielt Kjartan Sveinsson (ehemals Sigur Ros).

Die Verdienste von Refused sind bei weitem nicht gering. Mit The Shape Of Punk To Come haben sie gezeigt, was engagierter, innovativer Hardcore leisten kann. Mit Freedom haben sie 2015 bewiesen, dass man ein Comeback integer und relevant hinbekommen kann. Als Nebenwirkung des Erfolgs der 1992 gegründeten Band kann man nach wie vor auch The Hives betrachten. Zwar erscheinen die Gemeinsamkeiten zwischen den Kapitalismus-Gegnern von Refused und dem Hollywood-Glamour von The Hives auf den ersten Blick nicht allzu groß, doch an die gemeinsamen Anfänge bei Burning Heart Records erinnert nicht nur die „Official Swedish Scream-Team-Tour”, bei der beide Acts sich im Frühjahr zusammentaten, sondern nun auch das Video zu REV001 (****). Frontmann Dennis Lyxzén schlüpft darin in das Frack-und-Zylinder-Outfit, das er sich womöglich bei seinem Landsmann Howlin‘ Pelle Almqvist geliehen hat. Dazu gibt es natürlich reichlich Entschlossenheit und Zeilen wie „When there’s blood on the streets / profits being made / Yeah, profits being made on our backs today.“ So gefährlich hat ein Gehstock seit A Clockwork Orange nicht mehr ausgesehen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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