Man möchte natürlich innerlich aufheulen. Als „das ehrlichste Album, das ich je gemacht habe“ kündigt James Blunt seine neue Platte Once Upon A Mind an, die am 25. Oktober erscheinen wird. Als wäre das nicht schon berechnend genug, beschwört er auch noch den Bezug zum überaus erfolgreichen Debüt Back to Bedlam (2004) herauf und erzählt im Video zur Vorab-Single Cold (*1/2) die Geschichte weiter, die es im darauf enthaltenen You’re Beautiful zu sehen gab, seinem bis heute größten Hit. War er damals von einer Klippe auf der Isle Of Skye ins Meer gesprungen, taucht er nun wieder auf und sammelt die Kleinigkeiten (und Klamotten) wieder ein, die er vor 15 Jahren bei seinem Sprung zurückgelassen hatte. Mehr Mainstream geht nicht. Freilich hat der ehemalige Berufssoldat bei über 23 Millionen verkauften Alben keinerlei Grund, seinen Stil zu ändern, und der Song bedient folglich auch alles, was bei seinen Fans (und Radiohörern anno 2019) beliebt sein dürfte: Der Beat will so tun, als sei er ursprünglich, der Gesang erlaubt sich etwas Auto Tune, der pseudo-hymnische Refrain braucht natürlich einen „Ohoho“-Teil und trotz Textzeilen wie „I need a little fire / and you’re my gasoline“ klingt das alles sagenhaft zahm. Am 10. März 2020 wird James Blunt in der Arena Leipzig live zu sehen sein.
Noch bis Frühjahr müssen wir uns für das neue Album der großartigen AB Syndrom gedulden. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass das Duo aus Berlin die Wartezeit mit etlichen Vorab-Stücken verkürzen wird. Das zweite davon ist jetzt mit Somnambul (****) verfügbar. Das klingt so aufregend und innovativ, wie man es von ihnen kennt, das Video fängt dazu sehr schön das Gefühl eines Taumels zwischen Traum und Wachzustand ein. Die eigene Wartezeit bis zur Veröffentlichung des neuen Albums verbringen AB Syndrom übrigens unter anderem mit einer Tour durch Asien im Auftrag des Goethe-Instituts. Sehr anständig.
This Is Not The End hieß das Debütalbum von Spielbergs, und erfreulicherweise halten sie Wort. Als erstes neues Stück seit dessen Erscheinen im Februar gibt es jetzt Running All The Way Home (***1/2). Sänger und Gitarrist Mads Baklien beschreibt den Song als „ein Lied übers Bedauern. Du kannst nicht rückgängig machen, was du getan hast. Du kannst dich bei den Menschen, die du verletzt hast, zwar entschuldigen, so oft du willst, du kannst ihnen versprechen, es in Zukunft besser zu machen. Doch das Geschehene kannst du nicht mehr ändern. Du kannst einfach nur abwarten und schauen, was passiert.“ Diese Reue wird hier mit viel Energie umgesetzt, die wohl sowohl aus schlechtem Gewissen gespeist wird als auch aus dem Wunsch, das Gegenüber nun einfach mit sehr viel Leidenschaft überzeugen zu können. Das Stück wird Teil der gleichnamigen EP sein, die am 25. Oktober herauskommt und drei weitere neue Songs sowie unveröffentlichtes Material aus den Sessions zum Debütalbum enthalten wird. Anfang Dezember sind Spielbergs zudem bei fünf Terminen live in Deutschland zu sehen.
Jetzt wissen wir also auch, was Hot Chip vermutlich machen, wenn sie im Tourbus sitzen oder in der Festivalgarderobe (was in diesem Sommer einen großen Teil ihres Zeitvertreibs ausgemacht hat): Sie zocken. Zumindest darf man das vermuten angesichts des Videos zur neuen Single Bath Full Of Ecstasy (****). Der Clip wurde von Oliver Payne alias Safecracker konzipiert, dessen Artworks bereits auf zwei von Alexis Taylors Soloalben verwendet wurden. „Oliver hatte die Idee, ein Video zu drehen, das auf einem fiktiven Computerspiel namens Bath Full Of Ecstasy aus der japanischen Hot Chip-Serie um 1988 basiert. Das Video ist eine Rezension und Demonstration des Spiels im Youtube-Stil. Jedes Bandmitglied ist dabei, das verfluchte Königreich zu retten und ihm mit Hilfe der Seifenblasenfee und eines Mikrofons wieder Melodie und Farbe zu geben“, erklärt die Band die Idee dahinter. Das passt wunderbar nicht nur zur 8-Bit-Ästhetik des Sounds, sondern auch zu der verträumt-fluffigen Grundstimmung, die man so gerne bei Hot Chip findet und die hier etwa in den Versen „Put the beauty of your heartbreak / in the music you and I make“ zum Ausdruck kommt. Der Song stammt vom gleichnamigen Album, das die Band demnächst noch auf Tour in den USA und am 3. Dezember in Berlin (Columbia Halle) sowie am 11. Dezember in Hamburg (Docks) vorstellen wird. Dann wird also auch wieder viel Zeit zum Zocken sein.
Auch mit mittlerweile 48 Jahren legt Will Oldham eine Produktivität an den Tag, mit der es wenige andere Künstler aufnehmen können. Mitte November wird es wieder ein neues Album seiner Inkarnation als Bonnie „Prince“ Billy geben, das den Titel I Made A Place tragen wird. Bei all den Aktivitäten in jüngster Zeit (unter anderem diverse Alben mit Coverversionen und ein paar Schauspielauftritte) hätte man beinahe vergessen können, dass seine letzte Platte mit eigenen neuen Lieder schon acht Jahre alt ist. Ihm selbst ist diese Zeitspanne aber sehr bewusst: „In den vergangenen Jahren sind fast alle Aspekte der Musikwelt geradezu pulverisiert worden –die Art, wie wir sie erdenken, empfangen, aufnehmen, veröffentlichen und verbreiten. Ich habe versucht, die Luft anzuhalten und zu warten, bis der Sturm vorüber ist. Aber der Sturm zieht nicht vorbei, und die Zerstörung, die er hinterlassen hat, ist jetzt unsere neue Welt“, sagt er. Während der Arbeit an der neuen Platte sei er deshalb sicher gewesen, diese Lieder würden nie fertig oder gar veröffentlicht werden. Jetzt ist es aber doch soweit, und als Vorgeschmack ist (At The) Back Of The Pit (***1/2) verfügbar. Passenderweise geht es auch darin um Zerstörung und Neuanfang, Bonnie „Prince“ Billy gibt den traurigen Cowboy, begleitet von noch traurigeren Bläsern – nicht nur die Quasi-Rodeo-Clowns scheinen aber auch Anlass für Heiterkeit zu geben.