Ein bisschen Lärm ist nicht nur eine sehr schöne Umschreibung für die Musik von Madsen, sondern wohl auch das, worauf das Quartett nach längerer Corona-Zwangspause wieder richtig Lust hat. Insofern passt das super als Titel der neuen Single (****), die zugleich der erste Ausblick auf das neunte Album der Band aus dem Wendland ist, das Hollywood heißen und am 18. August erscheinen wird, diesmal auf dem bandeigenen Label „Goodbye Logik Records“. Sänger Sebastian Madsen, der zuletzt sein erstes Soloalbum Ein bisschen Seele vorgelegt hatte, sagt über das neue Lied: „Was macht mich glücklich? Was unglücklich? Was will ich? Und vor allem: Was will ich nicht? Diese Fragen haben mich beim Texten zu Ein bisschen Lärm beschäftigt. Spielerisch habe ich die Strophen während längerer Autofahrten geschrieben. Ohne Notizblock oder Telefon. Es war wie ein innerliches Aufräumen.“ Den Refrain hat seine Freundin Lisa Who, zugleich Keyboarderin in der Liveband von Madsen, geschrieben. „Wir hatten noch nie einen schöneren Opener für ein Album“, meint der Frontmann. Das kann man unterschreiben, weil der Text ebenso klug wie unverkrampft ist, der Refrain erhebend wird und sogar zwei nicht (!) überflüssig wirkende Gitarrensoli integriert werden. Fünf Jahre nach dem letzten regulären Album Lichtjahre (wenn man das während der Pandemie veröffentlichte Na gut dann nicht eher als Experiment betrachtet) haben sicher auch die Fans wieder große Lust auf Ein bisschen Lärm, wie man bereits im Videoclip gut erkennen kann. Die können sie auch auf etlichen Festivals im Sommer ausleben, auch eine Tour von Madsen ist offensichtlich in Planung. Wer auf Konzerterlebnisse nicht so lange warten möchte, sollte sich die bereits vorbestellbare Deluxe-Version der Platte sichern, damit gibt es neben dem regulären Hollywood-Album auch eine 7″-Vinyl Single mit zwei exklusiven Non-Album Tracks, ein Songbook mit den Gitarrenakkorden/-Tabs sowie die Zugangsdaten für den Stream eines kompletten Madsen-Konzerts aus dem Jahr 2019 in Hamburg.
Große Liveerlebnisse hat auch Kummer hinter sich. Die beiden Shows in der Berliner Wuhlheide im vergangenen Jahr vor jeweils 17.000 Fans waren der krönende Abschluss der Geschichte, die 2019 mit der Veröffentlichung von Kiox begonnen hatte. Der Kraftklub-Sänger blickt nun mit der dreiteiligen Dokumentation Bye, Bye Kummer auf dieses erstaunliche (und, wie er weiterhin betont, einmalige) Soloprojekt zurück. So kann man die Aufregung rund um die Veröffentlichung nachverfolgen, den Rummel, als die Platte die Spitze der deutschen Albumcharts erreichte, und den Frust, als einen Tag vor dem geplanten Tourstart das Land in den Lockdown geschickt wurde. Man erfährt auch, dass Kummer etliche der Songs von Kiox schon lange vorher geschrieben hat, sie aber nicht geeignet für den Kraftklub-Kontext fand, weil die Texte so persönlich sind. Man kann das beispielsweise in Der Rest meines Lebens (****1/2) bestens nachvollziehen mit Erkenntnissen wie „Irgendwann ist es zu spät, um zu früh draufzugehen“, einer Lagerfeuer-Gitarre und einem gar nicht so kleinen Gänsehaut-Faktor, der durch das Mitsingen der Fans entsteht. Ab 5. Mai ist der Mix aus Konzertmitschnitt und Aussagen vieler Beteiligter in der ARD Mediathek zu sehen, das rbb Fernsehen zeigt alle drei Folgen jeweils Dienstagnacht am 9. und 16.5. und 23. Mai.
Bei Future Franz darf man in zwei Punkten gewiss sein: Sollte es jemals eine Dokumentation über seine Karriere geben, dann wird er sie sicher selbst produzieren, so wie er auch sonst alles rund um seine Musik (Komposition, Instrumente und Gesang, Produktion, Videos, Gestaltung von Merch und Plattencovern) selbst macht. Und ein Nummer-1-Album wird er in nächster Zeit (leider) nicht zu feiern haben. Dabei zeigt auch die neue Single Schick mir eine Nachricht (***1/2), wie wunderbar eingängig sein Sound sein kann und wie gekonnt er Themen in seinen Songs aufgreift, die mitten aus dem Leben kommen. In diesem Fall ist es das Warten auf die versprochene Rückmeldung vom aktuellen Schwarm, die dann allerdings nur in Form von faulen Ausreden erfolgt oder komplett ausbleibt. Ghosting nennt man das wohl. Dass er dieses Schicksal hier mit der wunderbaren Charlotte Brandi teilt, das Ganze mit einer Cure-Gitarre garniert und im Clip sehr clever andeutet, dass das vergebliche Warten womöglich bis ins hohe Alter dauern kann, macht den Song noch besser.
Als Künstlerin aus Leipzig kann man Anna Hauss (sie hat hier seit 2014 gelebt, Jazzgesang studiert und Still In The Woods mitgegründet, die es auf zwei Alben, eine EP und mehr als 150 Konzerte gebracht haben) leider nicht mehr betrachten: Seit 2020 lebt sie wieder in ihrer Geburtsstadt Berlin. Mit dem Ortswechsel ging auch eine künstlerische Neubestimmung einher, so hat sie Bassist Johannes Schauer, Schlagzeuger Philip Schilz und Produzent Alex Binder (Dota Kehr) als neue Mitstreiter gefunden und setzt nun voll und ganz auf ihr Solowerk. „Sich selbst zu begleiten – das ist die intimste Besetzung“, hat Anna Hauss erkannt. Rückenwind für diese Entscheidung hat ihr sicherlich auch der Erfolg der Netflix-Serie Queen’s Gambit gegeben, für die sie als Komponistin, Sängerin und Schauspielerin aktiv war. Der in diesem Kontext 2020 entstandene Song I Can’t Remember Love kommt inzwischen auf fast 6 Millionen Streams auf Spotify und brachte ihr 2021 eine Emmy-Nominierung in der Kategorie „Outstanding Original Music And Lyrics“ ein. Jetzt erscheint die Single Jump (***1/2), von Anna Hauss beschrieben als „ein grooviger, leichtfüßiger Track über das Gefühl sich zu verlieben und den Sprung in etwas Neues“. Das Lied wird getragen von einem federnden Groove, auch in der Stimme lässt sich eine große, wenn auch etwas herbe Entspanntheit erkennen, dazu kommen eine sehr einfallsreiche Gitarre und schöne Zeilen wie „We disappeared somehow / in the here and now.“ Das alles basiert offensichtlich auf einem sehr tief reichenden musikalischen Selbstvertrauen und ist Vorbote für das Album How Long Is Now, das für 29. September angekündigt ist.
Tatsächlich noch immer in Leipzig sind Kapa Tult zuhause, und das sollte unbedingt so bleiben, denn auch die neue Single Leck Mich (****) ist wieder ganz wunderbar geworden. Das Quartett schafft es darin, den Spaß an Oralverkehr zu feiern und zugleich eine fiese Abrechnung mit dem/der Ex zu liefern. „Es ist einiges passiert seit du weg bist / zum Beispiel amüsier ich mich prächtig / nur eins vermiss ich, einen Wunsch hätt‘ ich / komm zurück für eine Nacht und leck mich“, heißt das dann zu einem Irgendwie-Reggae-Beat und einem Klavier, was an Fritzi Ernst denken lässt, und einem spacigen Gitarrensolo. Auch die Zeile, die dem anstehenden Debütalbum den Titel geben wird, findet sich darin: Es schmeckt nicht kommt am 23. Juni.