Muse haben sich seit ihrer Gründung im Jahr 1994 gerne mit Phänomenen im All beschäftigt, von Dead Stars über das Supermassive Black Hole bis hin zur Neutron Star Collision. Für ihr neuntes Album Will Of The People, das für den 26. August angekündigt ist, haben Matt Bellamy, Dominic Howard und Chris Wolstenholme nun aber entdeckt, dass es auch genug irdische Phänomene gibt, über die es sich zu singen lohnt, und über die man vielleicht sogar singen muss. Denn die britischen Grammy-Gewinner sind politisch geworden. Das neue Album, selbst produziert und aufgenommen in Studios in London und Los Angeles, „ist von den zunehmenden Ungewissheiten und Unsicherheiten in der Welt beeinflusst“, sagt Frontmann Matt Bellamy. „Eine Pandemie, neue Kriege in Europa, massive Proteste und Unruhen, versuchte Aufstände, das Taumeln der westlichen Demokratie, zunehmender Autoritarismus, Waldbrände und Naturkatastrophen, ganz allgemein die Destabilisierung der globalen Ordnung – all das hat Will Of The People beeinflusst. Lange haben das westliche Imperium und die Natur für unseren Schutz und unser Auskommen gesorgt, nun sind beide ernsthaft bedroht. Es sind beunruhigende und beängstigende Zeiten für uns alle. Dieses Album ist ein persönlicher Wegweiser durch diese Ängste und eine Vorbereitung auf das, was kommt.“ Diese Thematik spiegelt sich auch in der neuen Single Compliance (***). Sie handelt davon, „dass sich Menschen autoritären Regeln und besänftigenden Unwahrheiten fügen, um in einer Gruppe akzeptiert zu werden“, erklärt Bellamy. „Gangs, Regierungen, Demagogen, Social-Media-Algorithmen & Religionen verführen in fragilen Zeiten, indem sie willkürliche Regeln und verdrehte Ideen aufstellen, denen wir uns unterordnen sollen. Sie verkaufen uns besänftigende Märchen und sagen uns, dass nur sie die Realität erklären können, während sie gleichzeitig unsere Freiheit, Autonomie und unser freies Denken beschneiden. Wir werden nicht nur genötigt, wir werden getrieben, verängstigt und zusammengepfercht, um täglich ‚2 Minuten Hass‘ auf eine von ihnen ausgewählte Gruppe Außenstehender zu schleudern und unsere eigene innere Stimme der Vernunft und des Mitgefühls zu ignorieren. Alles, was sie dazu brauchen, ist unsere Fügsamkeit – unsere Compliance.“ Dazu passt das dystopische Musikvideo, das in Polen unter der Regie von Jeremi Durand gedreht wurde und vom Science-Fiction-Film Looper (2012) inspiriert ist. Dazu passt auch die beinahe penetrante Keyboard-Melodie, die im Zentrum des Songs steht und von einem erstaunlich funky Bass und vergleichsweise wenig theatralischem Gesang begleitet wird. Das erzielt einen bei Muse seltenen Effekt: Das Lied ist plakativ, aber ohne Wucht – und entwickelt seinen Reiz nicht unmittelbar, sondern vor allem gegen Ende und bei wiederholten Durchläufen. Wie ernst die Band die Sache mit dem düsteren Blick auf die Zukunft nimmt, zeigt ein Blick auf die Tracklist des neuen Albums: Der letzte Song darauf wird We Are Fucking Fucked heißen.
Auch PABST haben natürlich längst bemerkt, dass die Lage der Welt derzeit wenig mit eitel Sonnenschein zu tun hat. Die neue Single Mercy Stroke (****) erzählt aus der Perspektive einer jungen Generation, die für die Gestaltung ihrer Zukunft fast nur noch Trümmer vorfindet. Angesichts von Klimakatastrophe, Inflation, Krieg und dem schwindenden Vertrauen in vermeintliche Gewissheiten scheint es allenfalls noch ihre Aufgabe zu sein, dieser Zivilisation den Gnadenstoß zu geben. Immerhin haben sie mit dem Song einen spektakulären Soundtrack zum Niedergang geschaffen, mit Energie auf Hives-Level, ein paar pseudo-Eingängigkeiten, vielen Überraschnungen und einem von der Band selbst animierten Video, für das Sänger und Gitarrist Erik Heise die mehr als 1700 Frames alle einzeln per Hand gezeichnet hat. „We’re the mercy stroke so what’s the use?!“, heißt das Motto für die erste Single vom dritten PABST-Album, das Crushed By The Weight Of The World heißen wird und am 2. September erscheint. Danach hat das Trio aus Berlin eine ausgiebige Tour geplant, dazu gehört auch eine Station in Leipzig, nämlich am 11. September im Naumanns.
Schon im Januar gab es für Fans von Bill Fay eine nette Überraschung: Die Wiederveröffentlichung Still Some Light versammelte Lieder, die zum Teil in den 1970er Jahren als Demos aufgenommen wurden, zum anderen Teil 2009 als Homrecordings des britischen Altmeisters entstanden und damals auch auf CD veröffentlicht wurden, seither aber nicht mehr verfügbar waren. Am 6. Mai erscheint der zweite Teil der Folge. Begleitet wird Still Some Light: Part 2 von der Fortsetzung der limitierten 7″-Single-Serie, in denen jüngere Künstler*innen die Lieder von Bill Fay neu interpretieren. Nach Beiträgen von Steve Gunn, Kevin Morby und Julia Jacklin ist diesmal die Harfenistin Mary Lattimore mit einer zauberhaften, sehr intimen Version von Love Is The Tune (***1/2) dabei. „Mein Freund Max machte mich mit dem Werk von Bill Fay bekannt, als wir vor über einem Jahrzehnt zusammen in einem Plattenladen in Philadelphia arbeiteten. Seine Lieder haben mir auf vielen langen Autofahrten Gesellschaft geleistet und viele schöne, ruhige, irgendwie suchende Momente in meinem Leben untermalt. Sie haben eine solche Wahrheit und beobachtende Einsamkeit in sich. Ich fühle mich geehrt, ihm zu Ehren einen Song auf der Harfe zu spielen“, sagt die Künstlerin aus Los Angeles.
Als „zart, aber doch bestimmt“ hat Jolie die Musik von June Cocó treffend zusammengefasst, als sie vor drei Jahren ihr Debüt Fantasies & Fine Lines veröffentlicht hat. Dem ließ die Leipzigerin das Rework-Album Métamorphoses (2021) folgen, derzeit entsteht das nächste Werk. Die neue Single Hovering Clouds (***) sieht die Künstlerin als „Bindeglied“ zwischen dem letzten Album und einem neuen Sound, der poppiger und opulenter sein wird. Das hört man dem Song bereits an, der von Yoko Ono’s „Sky-TV“ inspiriert ist. „In dieser Installation wird eine Live-Schaltung zum Himmel in einem Fernsehschirm gezeigt, verbunden mit dem Aufruf ‚look up'“, erklärt June Cocó. Hovering Clouds spannt den Bogen von verträumt und ätherisch à la Kate Bush über verspielt, wie man das von Björk oder Angel Olsen kennt, bis hin zu kraftvoll im Stile von Florence & The Machine. Am 7. April ist sie live im Kupfersaal Leipzig zu sehen.
Bleiben wir vor der Haustür: Der in Chemnitz geborene Peter Piek ist in Leipzig nicht nur als Künstler und Maler tätig, sondern auch musikalisch. Er bringt es auf mittlerweile sieben Studioalben, das letzte davon wurde 2020 veröffentlicht, er hat darauf eine Reise mit der transsibirischen Eisenbahn vertont. Für den 27. Mai ist seine neue Platte „irgendwo zwischen Prince, Moderat und Bright Eyes“ angekündigt. Wie man sich das vorstellen kann, illustriert Tip Of Your Tongue (***1/2) als Vorgeschmack. Die Atmosphäre ist angenehm, aber einige Details sind verstörend, der Gesang ist entspannt, an den richtigen Stellen aber leidenschaftlich und alles ist so raffiniert wie das spektakuläre Animationsvideo.