Futter für die Ohren mit Nick Cave And The Bad Seeds, Metronomy, Clipping, Gender Roles und Noel Gallagher’s High Flying Birds

Nick Cave Ghosteen Album
Ein zweigeteiltes Konzeptalbum hat Nick Cave mit „Ghosteen“ im Gepäck. Foto: Gosha Rubchinskiy

Gut einen Monat vor der regulären Veröffentlichung geben Nick Cave And The Bad Seeds einen Vorgeschmack auf Ghosteen (**1/2), und zwar gleich auf das gesamte Album. Es wird 3. Oktober bei YouTube verfügbar sein, bevor die Vinyl- und CD-Varianten folgen. Das Album – Longplayer #17 in der eindrucksvollen Karriere des Neuseeländers – ist wie der Vorgänger stark vom Unfalltod seines Sohnes geprägt und in zwei Teile gegliedert. „The songs on the first album are the children. The songs on the second album are their parents. Ghosteen is a migrating spirit“, sagt Nick Cave zu diesem Konzept. Das klingt nach vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten für das geneigte Feuilleton und an vielen Stellen sehr hübsch. Was dem Album fehlt, ist indes der Furor, der Nick Caves ultimative Stärke ist. Als musikalischer Direktor war wieder Warren Ellis am Werk, zudem waren Thomas Wydler (Schlagzeug), Martyn Casey (Bass), Jim Sclavunos (Vibraphon) und George Vjestica (Gitarre) mit dabei. Aufgenommen wurde in Los Angeles, Brighton und Berlin.

Zwei Dinge scheint es in Brighton in unbegrenzten Mengen zu geben: Möwenscheiße und tolle neue Bands. Gender Roles gehören zu Letzterem und haben im August ihr erstes Album PRANG vorgelegt. Wer das verpasst hat, bekommt nun mit dem Video zu School’s Out (****) eine zweite Chance, das Trio zu entdecken. Eine Vorliebe für Slacker-Kultur ist da schon in den Outfits und Frisuren zu erkennen, aber spätestens im Refrain zeigen Gender Roles, wie viel Kraft und Optimismus auch in ihrem Sound stecken kann. Nicht zuletzt sieht man dem Clip an (und hört das auch auf Platte), wie viel Spaß es auch anno 2019 noch machen kann, mit ein paar Kumpels in einer Rockband zu spielen – absolute Empfehlung.

Auch Metronomy legen zum gefeierten aktuellen Werk Metronomy Forever noch einmal nach und haben jetzt Wedding Bells (****) als vierten Song aus dem Album ausgekoppelt. Beim Video hat (wie zuletzt fast immer bei dieser Band) Daniel Brereton Regie geführt und sich eine turbulente Party- und Flirtgeschichte ausgedacht, bei dem das Quintett rund um Mastermind Joe Mount natürlich für die gute Unterhaltung zuständig ist. Statt Hochzeitsglocken gibt es am Ende eine Torten- und Kissenschlacht, aber das sind wohl nicht die schlechtesten Vorzeichen für die anstehende Tournee, bei der es Ende Oktober auch fünf Termine in Deutschland geben wird.

Dass Noel Gallagher mit This Is The Place (so der Titel seiner am Freitag erscheinenden EP) wohl immer noch seine Heimatstadt meint, macht A Dream Is All I Need To Get By (***1/2) deutlich, das er mit seinen High Flying Birds nun als weiteren Vorboten veröffentlicht. Das Lied klinge für ihn „wie eine dieser ikonischen B-Seiten von The Smiths, bloß offensichtlich nicht so gut. Es ist ein Lied, das sehr schnell entstanden ist, was immer ein gutes Zeichen ist. Als hätte es schon immer irgendwo existiert – womöglich in Manchester.“ Wie schon auf der Black Star Dancing-EP spielt die Gitarre nur eine untergeordnete Rolle, stattdessen rückt der Rhythmus (hier: lateinamerikanisch) in den Vordergrund. Trotz Zeilen wie „What for the love that got me so high? / Remember the days they made us feel so alive?“ geht damit seine Emanzipation vom klassischen Oasis-Sound weiter, und es bleibt spannend, ihn dabei zu begleiten.

Clipping zählen zu den innovativsten und kreativsten Acts im HipHop, und für ihr anstehendes Album There Existed An Addiction To Blood (kommt am 18. Oktober heraus) haben sich Rapper Daveed Diggs und die Produzenten William Hutson und Jonathan Snipes ein ganz besonders Konzept ausgedacht: Die Songs sind inspiriert von einem Rap-Splitter-Genre, das Mitte der 1990er Jahre mit Künstlern wie Gravediggaz oder Geto Boys für ein paar Schlagzeilen sorgte: Horrorcore. Wie das klingt, deutet jetzt die Single La Mala Ordina (****) an, mit den Rapperinnen Benny The Butcher und Elcamino als Unterstützung, auch die Noise-Künstlerin The Rita war beteiligt. Der Beat hat genauso viel Aggressivität wie die Synthesizer, dazu gibt es etliche Elemente, die an Gruselfilm-Soundtracks erinnern und klasse Sprechgesang. Das perfekt passende Lyric-Video haben Clipping mit Cristina Bercovitz konzipiert.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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