Futter für die Ohren mit Noel Gallagher, The Wombats, Counting Crows, Gregor McEwan und Blood Red Shoes

Noel Gallagher Flying On The Ground
Nach drei Alben und drei EPs legt Noel Gallagher ein Solo-Best-Of vor. Foto: Verstärker / Matt Crockett

Tatsächlich schon seit zehn Jahren ist Noel Gallagher mittlerweile als Solokünstler beziehungsweise mit seinen High Flying Birds unterwegs – damit hat er zwei Drittel der Lebensdauer von Oasis erreicht. Natürlich ist das Jubiläum ein guter Anlass für ein Greatest-Hits-Album und so wird am 11. Juni das 18 Songs umfassende Back The Way We Came: Vol 1 (2011-2021) erscheinen. Neben Songs der drei Alben und der zuletzt veröffentlichten EPs Black Star Dancing, This Is The Place und Blue Moon Rising sind auch zwei neue Songs enthalten, nämlich We’re On Our Way Now, das schon seit Ende April verfügbar ist, und das jetzt veröffentlichte Flying On The Ground (****1/2). Im Vergleich ist der neuere der neuen Song mindestens genauso elegant, aber deutlich heiterer und schwungvoller, mit einem wundervollen Chor und noch schöneren Streichern. Das Video knüpft direkt an den Vorgänger an, erneut sind Matt Smith und Gala Gordon in den Hauptrollen zu sehen. Regie haben wieder Dan Cadan und Jonathan Mowatt geführt, die sich vom Kino der Nouvelle Vague inspirieren ließen. „Dieser Clip enthüllt die wahre Dunkelheit hinter der Beziehung der beiden Protagonisten und ihr tragisches Verhängnis. Es ist eine Verbeugung vor A Bout De Souffle und Bande A Part. Wir haben es Matt und Gala überlassen, die einzelnen Szenen in beiden Videos zu improvisieren“, sagen sie zur Entstehung. Noel Gallagher selbst betrachtet Flying On The Ground in seinem typischen Mix aus Größenwahn und Selbstironie als den „besten Song, den ich veröffentlicht habe, seit dem Song, den ich davor veröffentlicht habe. Wenn Burt Bacharach für Motown geschrieben hätte, hätte das wohl so geklungen – natürlich nur nicht so gut.“ Das Best-Of-Album gibt es in einer limitierten Deluxe-Edition mit einer Bonus-Disc, die bisher unveröffentlichte Akustik-Versionen, Remixe, Instrumentals und ein Demo enthält. Zum Record Store Day am 12. Juni, für den Noel Gallagher die Rolle als offizieller Botschafter übernommen hat, wird dann eine nummerierte, handgepresste, farbige Doppel-LP mit exklusivem Kunstdruck in limitierter Auflage nachgeschoben.

Laura-Mary Carter und Steven Ansell könnte man sich auch als Gangster-Pärchen vorstellen, stattdessen haben sie sich aber glücklicherweise dazu entschieden, als Blood Red Shoes zusammen Musik zu machen. Mit A Little Love (***) haben sie gerade ihre neue Single veröffentlicht, angekündigt mit den warnenden Worten: „Wir scheinen nie den einfachen Weg zu nehmen und wir scheinen nie dazuzugehören. Wir sind nie im Takt mit dem, was vor sich geht, wir sind immer die schrägen Kids, mit unseren eigenen schrägen Ideen, die ihren eigenen schrägen Weg gehen.“ In der Tat ist der Song sowohl fieser als der Durchschnitt bei diesem Duo als auch vergleichsweise experimentell mit seinen Brüchen, dem abwechselnden Gesang und der großen Lust auf Effekte. Von einem Nachfolger für das 2019er Album Get Tragic ist aber (vorerst) leider noch nicht die Rede.

Der Sommer 2020 ist zwar kalendarisch betrachtet nicht ausgefallen. Dass Gregor McEwan seine Idee, eine EP zu jeder Jahreszeit zu veröffentlichen, nach Spring Forward (April 2020) und Autumn Falls (Oktober2020) nicht ganz in der chronologischen Reihenfolge umgesetzt hat, leuchtet dennoch schnell ein. Schließlich bot das erste Corona-Jahr wenig Anlass für Ausgelassenheit, und bei einer Summer Breeze (****), wie die jetzt veröffentlichte EP und gleichnamige Single heißt, musste man bis vor einigen Wochen noch reichlich Aerosole befürchten. Der neue Song klingt in der ziemlich treffenden Selbsteinschätzung des Künstlers „vielleicht ein wenig nach The Kooks meets The Beach Boys.“ Das dazugehörige Video zeigt, dass Gregor McEwan trotz Pandemie nicht den Humor verloren hat, samt Kämpfen mit aufblasbaren Flamingos, Lolita-lustvoll geschlecktem Eis am Stiel und erstaunlich vielen Zitrusfrüchten. Entsprechend heiter ist der Song mit einer lockeren Atmosphäre à la Weezers Islands In The Sun, einer schönen zweiten Stimme von Ruby Hartbrich und einem klasse Gitarrenpart, der quasi die Rolle eines zweiten Refrains einnimmt. Das funkioniert während der Vorfreude auf den echten Sommer sicher genauso gut wie in ein paar Wochen als Soundtrack für den Weg zum Strand.

Gute Laune ist man auch von The Wombats gewohnt, auch wenn das Trio seine vordergründig so fröhlichen Songs bekanntlich gerne mit abgründigen Texten kombiniert. So überrascht auch ein Songtitel wie Method To The Madness (***1/2) nicht, wie die neue Single und zugleich der erste neue Song seit dem 2018er Album Beautiful People Will Ruin Your Life heißt. Schon eher aufhorchen lässt, dass die ersten zwei Drittel des Songs doch recht melancholisch sind, mit Klavier, einem fast verloren wirkenden Bass und viel Introspektion, bevor es dann doch noch kraftvoll und mitreißend wird. „Method To The Madness handelt vom Versuch, Muster im Chaos zu finden und diesen Versuch dann schließlich aufzugeben und loszulassen. Einige der Zeilen sind meiner eigenen Flitterwochen-Erfahrung entnommen – durch europäische Städte zu laufen, unter Touristen zu sein und gleichzeitig selbst einer zu sein, und es generell mit Last-Minute-Hotel-Buchungen zu vergeigen. Die Aufregung zu spüren und sich dennoch bewusst zu sein, dass sich nicht viel verändert hat“, erzählt Sänger Matthew „Murph“ Murphy. Das Video hat Regisseur Aaron Brown umgesetzt. „In der Geschichte geht es darum, dass die Muse dich findet, nicht umgekehrt. Es liegt an dir, ohne Angst in diese Inspiration zu treten. Die Welt der Muse macht keinen Sinn, aber ihre Schönheit ist unwiderstehlich. Sie ist allerdings auch beängstigend“, sagt Brown. „Du musst durch dunkle Gänge gehen und deine Ängste herausfordern, aber wenn du das tust, entwickelst du eine Beziehung zur Muse. Du siehst, wo sie sich versteckt und was dich wiederum inspiriert! Am Ende des Videos sehen wir, wie unsere Heldin die Muse auf eine absichtliche Weise zum Leben erweckt. Sie hat herausgefunden, wie sie sich bewusst mit ihr verbinden kann und nicht immer ihren Geboten ausgeliefert ist. Durch diese gesunde Beziehung hat unsere Heldin den Weg einer Künstlerin begonnen.“ Die Wombats hatten zuletzt wohl einen ganz guten Draht zur Muse und haben das vergangene Jahr fleißig zum Schreiben und Aufnehmen genutzt. Mehr neue Songs stehen demnach in den Startlöchern.

Indiehelden mit Hang zur eingängig vertonten Selbstzerfleischung? Eine halbe Generation vor den Wombats haben die Counting Crows rund um Sänger und Songwriter Adam Duritz diese Rolle ausgefüllt, die mit Butter Miracle Suite One vor zwei Wochen ihr Comeback-Album nach siebenjähriger Pause vorgelegt haben. Der Titel deutet das ambitionierte Konzept bereits an: Die Platte versammelt vier ineinanderfließende Songs, die B-Seite der Vinylversion bietet zudem Orchester-Interpretationen der Songs vom mega-erfolgreichen Debütalbum August And Everything After aus dem Jahr 1993. Die neuen Songs hat Duritz im Sommer 2019 während eines Aufenthalts in England geschrieben, der ihn nach fünfjähriger Auszeit dazu inspirierte, wieder neue Musik zu machen. Zuvor hatte ihn die Routine aus Album und Tour im Laufe der 30-jährigen Bandgeschichte immer mehr entnervt und demotiviert. „Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, Teil einer Maschinerie zu sein“, sagt er. „Ich hatte daher Angst, einen neuen Song zu schreiben, weil ich befürchtete, er würde eine Kettenreaktion hervorrufen: Erstes neues Lied, zweites, drittes… nun ist es ein Album, das ist die Single, wann und wo beginnt die Tour?“ Elevator Boots (***), einer der vier Bestandteile der Suite, thematisiert ebenfalls diese Angst vorm Hamsterrad, ist dann allerdings nicht ganz so weit weg vom klassischen Rocksong-Format. Auch die bekannte Nähe der Counting Crows zu Americana (und Pathos) ist weiterhin erkennbar. Dass die Idee einer Suite neue Freiheiten eröffnen soll, ist natürlich trotzdem zu begrüßen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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