Futter für die Ohren mit Philipp Poisel, Cornshed Sisters, Yppah und Holmes

Philipp Poisel ist bald wieder auf Tour - und verschenkt einen Live-Song. Foto: Add On Music/Michael Demuth
Philipp Poisel ist bald wieder auf Tour – und verschenkt einen Live-Song. Foto: Add On Music/Michael Demuth

Wenn man mit einem Livealbum die Spitze der deutschen Charts erreicht, dann kann man auch ein bisschen großzügig werden. Dieses Credo vertritt offensichtlich Philipp Poisel, der nach dem Erfolg von Projekt Seerosenteich nun auf seiner Facebookseite ein Lied zum kostenlosen Download verschenkt. Froh dabei zu sein (***) ist nicht auf dem Album enthalten, bietet ein bisschen mehr Fan-Geschrei als die meisten Lieder auf Projekt Seerosenteich, seine übliche, atemlose Ansage und dann den leicht vernuschelten Gesang zur akustischen Gitarre sowie einen Text, der ohne das geringste Rätsel so etwas wie die Angst vor dem Tod oder die pure Dankbarkeit für das Erleben des Moments behandelt. Große Gefühle sind dabei und natürlich ganz viele Herzen, die ihm zufliegen, von Fans, die in seiner Musik eine Heimat, einen Trost, eine Rettung gefunden haben. „Ich hab zwar kein Vermögen / aber ein paar Leute, die mich mögen“ – lange wird er zumindest den ersten Teil dieses Verses nicht mehr singen können, wenn das so weiter geht. Im Dezember und Januar ist Philipp Poisel übrigens erneut live unterwegs.

Gleich drei Lieder von ihrem Debütalbum Tell Tales bringen die Cornshed Sisters aus Sunderland auf der Homepage ihrer Plattenfirma Memphis Industries unters Volk. Der Name der Band ist nur zur Hälfte irreführend. Jennie, Cath, Liz und Marie klingen zwar, als seien sie „von einem Vater mit engelsgleichem Gesang und einer Mutter, die die Musik des Teufels liebt“ erzogen worden, wie das Presseinfo zu Tell Tales treffend feststellt. Echte Schwestern sind sie aber nicht. Dafür stimmen die Assoziationen, die man bei „Cornshed“ hat: Landleben, Folk, Harmoniegesang, Geisterhaftes. Dresden (***1/2), eine Coverversion des Songs von Les Cox Sportifs, wartet mit dem provokanten Refrain „If bombs were love / then you can call me Dresden“ auf. The Beekeeper (***) erzählt die Geschichte eines obsessiven Wahrsagers und baut mit ganz wenigen Mitteln eine bedrohliche Atmosphäre auf. Dance At My Wedding (**1/2) wirft einen Blick auf seltsame Männer in paillettenbesetzten Anzügen, die sich bei Hochzeiten so gerne tummeln, zu sanfter Akustikgitarre und ein paar Tupfern Klavier. So könnte Kate Nash klingen, wenn sie sich irgendwann mit all ihren Dämonen in ein Kloster auf dem Land zurückziehen sollte.

„Scandinavian Americana“ lautet, zumindest wenn man dem Rolling Stone glauben mag, das Genre, in dem Holmes zuhause sind. Die sechs Schweden aus der Kleinstadt Vänersborg haben im Frühjahr ihr drittes Album Burning Bridges veröffentlicht. Auf ihrer Bandcamp-Seite gibt es daraus die Single Debris (***1/2) zum kostenlosen Herunterladen. Mit Akkordeon und sanftem Gesang klingt das erstaunlich normal und ausgeglichen für eine Band, die seit ihrer Gründung 2003 in einer ehemaligen Irrenanstalt probt. Ihrem Ziel, im Studio nach “a potentially classic song for a slow dance” zu streben, kommen die Schweden damit schon ziemlich nah. Die knackige B-Seite Luxury Is Treachery (***1/2), die im Download ebenfalls enthalten ist, deutet zumindest an, dass Holmes auch eine Punk-Vergangenheit haben. Das Tempo zieht an, Schlagzeug und Gitarre haben reichlich Power. Das hätten The Gaslight Anthem nicht besser hinbekommen können. Übrigens: Auf der Bandcamp-Seite von Holmes kann man auch das komplette Album herunterladen und selbst bestimmen, wie viel man dafür bezahlen möchte.

Durchaus unterschiedliche Vorbilder weiß auch Joe Corrales Jr. aka Yppah zu benennen. Er mag HipHop ebenso wie My Bloody Valentine, und seinem dritten Album Eigthy One (benannt nach seinem Geburtsjahr) hört man das auch an. Der Mann, der aus Texas kommt, aber wegen seiner neuentdeckten Liebe zum Surfen neuerdings in Kalifornien lebt, liefert hier sehr robuste und komplexe Beats, gepaart mit einem guten Blick für Harmonien und vor allem eine stimmige Atmosphäre. Den Kwes-Remix der Single Film Burn (**1/2) gibt es auf der Seite seines Labels Ninja Tune zum kostenlosen Download: Ist das Original mit der Stimme von Anomie Belle noch verträumt und dezent träge wie es einst auch Morcheeba waren, haut Kwes den Beat in Stücke und setzt auf einen verfremdeten Gesang. Das klingt dann nicht mehr wie Strand, sondern wie ein Club, in dem gerade alles durcheinander gerät.  Spannend.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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