Durchgelesen: Iceberg Slim – „Pimp“

„Pimp“ zeigt die Gier nach Bestätigung – ganz ohne Tuning.
Autor Iceberg Slim
Titel Pimp – Die Geschichte meines Lebens
Verlag Heyne
Erscheinungsjahr 1969
Bewertung ****

Die Sprache lebt. Wörter werden erfunden, vergessen oder umgedeutet. In den heiligen Hallen der Dudenredaktion kennt man inzwischen sogar Begriffe wie „Hip-Hop“, und zwar als „eine Richtung der modernen Popmusik“. Diese Definition ist zwar falsch. Aber Fakt ist: Gerade im Rap, den der Duden mit „Hip-Hop“ meint, erfreut sich die Sprache einer besonderen Vitalität.

Die Fantastischen Vier waren einst „Zu geil für diese Welt“ und verliehen dem Wort „geil“ damit eine neue Bedeutung, die der Duden vorsichtshalber in seiner unnachahmlichen Diktion erklärt: „Jugendsprache auch für großartig, toll“. Drei Jungs aus dem Norden lieferten kurz darauf „Die Definition von fett“, was gar nichts mit dem Leibesumfang zu tun hat und längst von Kids im ganzen Land als Synonym für „klasse“ verstanden wird.

Jüngst fand wieder so ein Rap-Wort Eingang in den nationalen Sprachschatz: Pimp. Schwergewichtige Experten machen in einer Fernsehserie aus schrottreifen Autos echte Luxuskarossen, und diese Show heißt „Pimp My Ride“. Auch „Pimp My Fahrrad“ wird schon gesendet, angeblich soll es in Hamburg sogar eine Show namens „Pimp My Bollerwagen“ geben. Wofür „pimp“ dabei steht, ist klar: „aufmotzen“.

Eigentlich aber wieder falsch. Denn „Pimp“ ist natürlich kein Verb, sondern ein Substantiv und heißt „Zuhälter“. Das ist die nüchterne Übersetzung. Was „Pimp“ aber eigentlich bedeutet, in der Kulturgeschichte Amerikas, in der Mentalität der Schwarzen und im Rap sowieso, das steht in „Pimp“, der Autobiographie von Iceberg Slim, die erstmals 1969 erschien und nun wieder auf deutsch vorliegt.

Iceberg Slim, der eigentlich Robert Beck heißt, begann in den 1930er Jahren seine Karriere im Rotlichtmilieu, die ihm beachtlichen Reichtum und drei Aufenthalte im Gefängnis einbrachte. Ende der 1950er Jahre zog er sich zurück und schrieb fortan über sein Leben als Zuhälter. Zwölf Millionen Exemplare wurden von seinen Büchern verkauft, „Pimp“ ist sein bedeutendstes Werk.

Es ist eine Orgie von Sex, Gewalt und Drogen, schonungslos und brutal in der Darstellung, ebenso faszinierend wie abschreckend in der Wirkung. Vor allem aber lässt „Pimp“ erkennen, was Iceberg Slim auf die schiefe Bahn brachte: Es ist die Gier nach Bestätigung in einer Welt, in der er sich wie ein Gefangener vorkommt. Es ist das Wissen, dass nur der Reichtum ihm Anerkennung in der Welt der Weißen bringen kann.

Diese Mentalität ist es, die den Begriff in den Rap brachte, wo sich die erfolgreichsten Künstler heute als Pimps brüsten. 50 Cent hat einen Song namens „Pimp“ aufgenommen, Snoop Dogg ein Stück namens „Pimp slapp’d“. Die dazugehörigen Alben heißen „Get Rich Or Die Tryin“ und „Paid Tha Cost To Be Da Boss“. Wie nah sie daran am Lebensweg von Iceberg Slim sind, wissen die beiden nur zu gut. Und wie aktuell die Problematik ist, hat unlängst erst der Hurrikan „Katrina“ wieder gezeigt.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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5 Gedanken zu “Durchgelesen: Iceberg Slim – „Pimp“

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