Künstler | Great Grandpa | |
Album | Four Of Arrows | |
Label | Double Double Whammy | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Humorvoll, energisch, unbeschwert: Das waren Attribute, mit denen vor zwei Jahren Plastic Cough bezeichnet wurde, das Debütalbum von Great Grandpa. Jetzt legt das amerikanische Quintett mit Four Of Arrows seine zweite Platte vor, und der Unterschied könnte auf den ersten Blick kaum auffälliger sein: Es gibt ein instrumentales Klavierstück wie Endling, das wie klassische Musik klingt. Es gibt reduzierte, intensive, kontemplative Songs wie Split Up The Kids, das eine Scheidung behandelt. Zu den Themen der anderen Lieder gehören Tod, Demenz und die Schwierigkeit, ein glückliches, erwachsenes Leben zu führen.
Natürlich wurden Pat Goodwin (Gitarre, Gesang), Carrie Goodwin (Bass, Gesang; das Ehepaar steuert die meisten Songs bei Great Grandpa bei, auch wenn diesmal alle fünf Bandmitglieder insbesondere an den Texten mitgearbeitet haben), Alex Menne (Gesang), Cam Laflam (Schlagzeug, Gesang) und Dylan Hanwright (Gitarre, Gesang) nicht plötzlich einer Gehirnwäsche unterzogen. Stattdessen hat sich die Band einfach enorm weiterentwickelt. „Four Of Arrows is not so much a step up as it is a catapult into the stratosphere, capitalising on all that has come before”, hat The Line Of Best Fit sehr treffend über diese Platte geschrieben.
In der Tat schaffen es Great Grandpa, trotz der neuen Reife und Vielfalt, ihre beim Debüt gefeierten Stärken zu bewahren. Das erwähnte Klavierstück (aus der Feder von Pat Goodwin) sticht zwar stilistisch heraus, passt von der Stimmung her aber sehr gut in dieses Album. Ein Lied wie Mono No Aware ist im Sound recht heiterer Folkpop und verweist zugleich darauf, dass die 2014 gegründete Band aus Seattle auch früher schon in der Lage war, Energie und Zweifel zu vereinen. Der Song kreist um die Frage „Do you feel the same thing that I do?“, und das ist vielleicht diejenige, die im Zentrum von Emo steht.
Dass dieses Genre weiterhin zutreffend ist, auch wenn die Songwriter-Elemente auf Four Of Arrows deutlicher geworden sind, macht schon der Album-Auftakt Dark Green Water klar: Die Gitarre klingt von der ersten Sekunde an betrübt, der zweistimmige Gesang erst recht. Später integriert das Stück ein paar überraschende Momente wie die Verzögerung vor dem zweiten Refrain oder die Streicher – das erweist sich als sehr beliebtes Stilmittel dieser von Mike Vernon Davis produzierten Platte. Great Grandpa vereinen immer wieder Widersprüchliches, und Four Of Arrows bietet einige Male erstaunliche Wendungen, die manchmal sogar die Band selbst zu überraschen scheinen.
Rosalie beginnt zerbrechlich und betrübt, entwickelt dann aber viel Schwung und Kraft. Die zentrale Zeile in Human Condition heißt „Sometimes living is hard, hard work“, aber sie ist nicht auf sich selbst bezogen, sondern als ein Rat an ein Gegenüber gemeint – deshalb wirkt sie nicht eitel, sondern empathisch. Bloom benennt Tom Petty als Orientierungspunkt, was man dann auch dem Sound anhört. “I get anxious on the weekends / when I feel I’m wasting time / but then I think about Tom Petty / and how he wrote his best songs when he was 39.”
Neben dieser Cleverness bleibt Frontfrau Alex Mennes die wichtigste Stärke von Great Grandpa. Ihre Stimme kann zart klingen wie im komplexen English Garden, viel öfter aber auf fast körperliche Weise eindringlich. Den Ausruf „That’s why I hate you“ wiederholt sie in Digger gleich vier Mal und erreicht damit eine Intensität wie der legendäre Schrei von Kelis in Caught Out There. Auch in Treat Jar gibt es einen ähnlichen Moment: Eine Zeile wie „That’s why you hate me like you do“ muss man erst einmal mit so viel Selbstbewusstsein, so tiefer Reflexion und so wenig Argwohn aussprechen können.
Das großartige Mostly Here führt als Abschluss von Four Of Arrows noch einmal die neuen Stärken von Great Grandpa zusammen, wird hymnisch und zugleich zerbrechlich – und zeigt noch einmal, dass die Emo-Zuordnung weiterhin gültig ist. „If life is a dream / then I am not sleeping“, singt sie darin und dann kommt ein noch wichtigerer Satz: „I’m no freak“ – das ist keine trotzige Behauptung, sondern eine Gewissheit, die offensichtlich gegen ein verständnisloses und intolerantes Umfeld hart erkämpft werden musste.