Künstler | Greg Dulli | |
Album | Random Desire | |
Label | Royal Cream | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
In seiner fast 35-jährigen Musikkarriere hat Greg Dulli hat ein gutes Dutzend Alben herausgebracht, unter anderem mit The Afghan Whigs, The Twilight Singers und Gutter Twins. Aber Random Desire ist tatsächlich das erste davon, das unter seinem eigenen Namen erscheint. Als er 2017 mit In Spades fertig war, der damaligen Platte der Afghan Whigs, hatte er Zeit für sich. Es entstanden in einem Zeitraum von anderthalb Jahren viele Songs, von denen er fast alle wieder verwarf, bis dann schließlich in den Joshua Tree Studios diese zehn Lieder ihren Weg auf das Werk fanden.
Kann man das als halbherzigen Zeitvertreib verstehen, während die eigentliche Band gerade Pause macht? Weit gefehlt! Vieles an dieser Platte wirkt zunächst durchschnittlich: Es gibt zehn Lieder in insgesamt 37 Minuten, es gibt ein paar der erwartbaren Gäste, die auch mit den Afghan Whigs musizieren oder sich regelmäßig im legendären Wüstenstudio herumtreiben, die Tracks sind sehr klassisch instrumentiert. Aber innerhalb dieser Songs passieren abenteuerliche Dinge, die keinen Zweifel daran lassen, wie viel Kreativität und Inspiration Greg Dulli in dieses Album gesteckt hat.
The Tide ist dafür vielleicht der klarste Beweis, denn der Zeile „I got things to do before I fade away“ lässt der 55-Jährige hier Taten folgen. Klavier, Gitarre und Bass eröffnen den Song. Sie alle deuten nur an, wozu sie in der Lage sind und was sie im Schilde führen – und genau daraus erwächst die Spannung. Das große Finale mit Streichern und viel Drama sieht man beim besten Willen nicht kommen – auch nicht, dass es nicht den Schluss des Lieds bildet, sondern schon in der Mitte des Songs einsetzt.
Marry Me verwandelt sich von beschaulich zu verschwörerisch zu unheimlich, A Ghost bekommt durch den Rhythmus und die Streicher etwas Latin-Flair und viel Atmosphäre, It Falls Apart erinnert daran, dass das Attribut „cool“ für ein Lied nicht bedeuten muss, dass keine Emotionen darin stecken. Scorpio erweist sich als eine Klavierballade, die erst große Lust auf Rock entwickelt und sich dann zu sagen scheint: Ich scheiße auf alles und mache, was ich will.
Pantomima eröffnet Random Desire bereits mit großer Unruhe und viel Drive, vor allem durch den Bass. Auch die freigeistige Gesangsmelodie und die Handclaps lassen es so lebendig und individuell wirken, was gut zur Botschaft des Songs passt: Greg Dulli wundert sich hier darüber, warum so viele Menschen sich wie Pantomimen durchs Leben bewegen, die nur die Handlungen und Worte anderer imitieren. Auch das direkt folgende Sempre baut gut Spannung auf, hier setzt das Brodeln erst kurz vor der Halbzeit ein, aber es ist genauso unverkennbar, in diesem Fall unterstützt von Percussions und der heiseren Stimme.
Lockless überrascht mit einem elektronischen Beat, der erstaunlich gut zur getragenen Stimmung des Songs passt, der mit jeder Sekunde ein Stückchen mehr in Richtung Gospel wandert. Ein Stück wie Black Moon wäre vielleicht herausgekommen, hätte Tom Petty sich jemals an einem Opus à la Brian Wilsons Smile versucht. Slow Pan schließt die Platte ab, erweist sich dann doch noch als eine echte Klavierballade, die sogar mit einer Harfe verziert wird – und mit der Zutat, die Greg Dulli hier ebenso großzügig wie gekonnt einsetzt: Hingabe.