Gregor McEwan – „Winter Sleep“

Künstler*in Gregor McEwan

Gregor McEwan Winter Sleep Review Kritik
„Winter Sleep“ ist die vierte Jahreszeiten-EP von Gregor McEwan.
EP Winter Sleep
Label Stargazer Records
Erscheinungsjahr 2022
Bewertung

„Ein gutes Hotel bietet einfach den Raum und die Atmosphäre für das, was der Einzelne braucht. Ein gutes Hotel macht Raum und Atmosphäre zu etwas Großzügigem, etwas Einfühlsamem – ein gutes Hotel macht Gesten, die einer Berührung, einem freundlichen Wort gleichkommen und zwar genau in dem Moment (und nur in dem Moment), wo man das braucht. Ein gutes Hotel ist immer da für den Gast (…), aber der Gast darf nie das Gefühl haben, dass man ihm auf die Pelle rückt.“

Das hat John Irving vor gut 40 Jahren in Das Hotel New Hampshire geschrieben. Auf Hotels, deren Name mit den Worten „Four Seasons“ beginnt, dürfte diese Anforderung in der Regel hoffentlich zutreffen. Die mehr als 70 Häuser dieser Kette gehören schließlich zur „AAA Five Diamond“-Kategorie, was maximalen Luxus und maximalen Service verspricht. Und eine ganz besondere Zuwendung darf man als Gast vielleicht auch erwarten bei Zimmerpreisen, die im 208 Meter hohen Four Seasons New York – wenn man heute dort unterkommen möchte – bei 865 US-Dollar für eine Nacht im Doppelzimmer und im legendären Four Seasons Hotel George V in Paris bei 1855 Euro beginnen.

Für die Musik von Gregor McEwan passt das Zitat indes auch. Der aus Hagen stammende und in Berlin lebende Musiker schließt mit dem heute erscheinenden Winter Sleep sein eigenes Four Seasons-Projekt ab, das er 2020 begonnen hat. Nach den EPs Spring Forward, Summer Breeze und Autumn Falls gibt es vier weitere Songs, die den Reiz der jeweiligen Jahreszeit einfangen. Am 25. Februar wird das als Gesamtwerk im Albumformat erscheinen, mit dem naheliegenden Titel Four Seasons. Und wie bei der Definition eines guten Hotels gilt auch hier: Diese Musik fühlt sich an wie ein Zuhause. Sie wirkt sehr vertraut und gibt dir die Möglichkeit, in ihr dein ganz und gar eigenes, sehr privates Glück einzurichten. Sie kann spektakulär sein, ist aber niemals aufdringlich. Sie reicht dir die Hand, lässt dir im richtigen Moment aber auch Raum.

Passend zur Assoziation mit einem Luxushotel wird im Auftakt New Year’s Resolutions zu einem Fünf-Gänge-Menü geraten, im Kern des Songs steht aber der Hinweis auf die schlimmen Folgen des Böller-Wahnsinns an Silvester, der am Ende des Lieds mit aggressiven Gitarren, wildem Chor und Explosionsgeräuschen auch vertont wird – was nach dem Beginn mit einer wunderschönen Klaviermelodie ein ziemlich überraschendes Finale ist. Auch Winter Sleep (hier wird übrigens auch wieder ein üppiges Essen im Text erwähnt) nimmt eine ähnlich erstaunliche Entwicklung: Am Anfang steht ein düster verfremdeter Chor, dann entfaltet sich eine nur 96 Sekunden lange Betrachtung über die Möglichkeit der Verbundenheit von Menschen über die Grenzen von Leben, Tod und ganzen Zeitaltern hinaus, inspiriert vom Film Cloud Atlas, der diese Idee 2012 auf die Leinwand gebracht hat. „If death is only a door / we strode through before / time is only a trick / but I don’t get it“, singt Gregor McEwan darin.

Lousy Lullaby beschließt die EP mit Klavier, sehr schönen Streichern und der Einladung, den Trubel der Stadt und die hysterische Jahresend-Hektik doch einfach links liegen zu lassen. Auch Sweets And Sadness beschwört diesen Rückzug, denn der Songtitel verweist auf zwei Dinge, die man am besten teilen sollte, besonders gerne im Winter. Die Songidee hatte Gregor McEwan schon länger, die Winter Sleep-EP bietet nun den richtigen Kontext, um sie endlich zu verwirklichen und zu veröffentlichen. Der Sound mit dem beinahe niedlichen Gesang und der sanften akustischen Gitarre macht tatsächlich klar, dass sich die kalte Jahreszeit durchaus genießen lässt, in einem Hotel ebenso wie Zuhause: vielleicht mit Kuscheldecke, einem duftenden Tee und Eisblumen am Fenster.

Wie bei John Irving spielt auch im Video zu Lousy Lullaby ein Bär eine wichtige Rolle.

Website von Gregor McEwan.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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