Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? – „Jazzbelle 1984/1988“

Künstler Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS?

Jazzbelle 1984/1988 Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? Review Kritik
Niedlich und krawallig führt „Jazzbelle 1984/1988“ problemlos zusammen.
Album Jazzbelle 1984/1988
Label Vild
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Man muss bei diesem Bandnamen wohl nicht erklären, dass Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? reichlich Lust auf Spaß haben. Man muss bei einer Besetzung, die aus Susanna Stemma-Sihvola (Gesang & Bass), Ekku Lintunen (Keys & Gesang) und Janne-Petteri Pitkälä (Schlagzeug) besteht, wohl auch nicht darauf hinweisen, dass das Trio aus Finnland (genauer gesagt: aus Kouvola) kommt.

Ein paar Eigenschaften sind aber deutlich weniger offensichtlich. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Band für ihr zweites Album Jazzbelle 1984/1988 das Genre „Garage Pop“ gewählt hat (zumindest bei iTunes). Das klingt wie ein Oxymoron, macht in diesen elf Liedern aber voll und ganz Sinn. Man kann das in Songs wie Corazone mit seinem interessanten Rhythmus und schlauen Arrangement erkennen, ebenso im Album-Schlusspunkt Period, dessen Bläser beinahe wie Fanfaren klingen, die eine Party eröffnen. Auch Bambi Act ist ein typischer Vertreter für dieses selbst erfundene Kategorie: Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? haben in diesem Song extrem viel Spaß und das ist extrem ansteckend.

Höchst ungewöhnlich ist auch, dass beim Blick auf die Besetzung und die dazugehörigen Instrumente nirgends das Wort „Gitarre“ auftaucht. Dieses für die Garage so prägende Werkzeug fehlt hier größtenteils. Stattdessen setzen die Finnen auf Casio-Keyboard, Heimorgel und Akkordeon. Wer glaubt, deshalb fehle es ihnen an Druck oder Härte, wird auf Jazzbelle 1984/1988 sein blaues Wunder erleben. In einem Stück wie The Herman Song steckt viel Überzeugung und Energie, nicht nur im fast übermütigen Refrain. Die Zähne in Teeth sind natürlich scharf, auch wenn die ersten Sekunden den Hörer noch in Sicherheit wiegen wollen. Sheep zeigt: Das Trio braucht gar kein hohes Tempo (und auch keine Gitarre), um viel Kraft zu entwickeln, mit dem famosen Finale sorgt es dann für den besten Moment des Albums.

Natürlich werden die Songs bei diesem Instrumentarium manchmal trashig, es gibt auch ein unverkennbar niedliches Element in diesem Sound (ihr Debüt hieß Teenage Sweetheart). Das wichtigste Charakteristikum ist allerdings: Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS? sind straight. Wer eine Schnittmenge aus Those Dancing Days, Riot Grrrl und Bleached findet, kann sie dort ganz gut verorten. In What Would Phil Dunphy Do? (zu ehren des Familienoberhaupts in Modern Family) zeigen sie, dass sie auch böse sein können, so sehr die Orgel auch davon ablenken will. Auch in Mareride ist die Orgel so gut gelaunt, dass es beinahe infantil wirkt, der Rest würde allerdings gut zu Hole passen.

Magic Swimming Pants eröffnet die Platte und verbreitet sofort Ausgelassenheit, nicht nur durch die Heimorgel. Man merkt bei aller Niedlichkeit, wie viel Lust auf Krawall da auch drin steckt und lernt auch in den folgenden Tracks von Jazzbelle 1984/1988: Grölen ist keine rein männliche Fähigkeit. Eggs punktet wieder mit den sehr effektiven Bläsern, das umwerfende Hanky Panky lässt den Verdacht aufkommen, hier seien die finnischen Töchter und Söhne der Ramones am Werk. Am Ende meint man sogar erkannt zu haben, warum sie sich die Fitnessvideos für den Bandnamen ausgesucht haben: Diese Musik ist auf herrlich gesunde Weise schweißtreibend.

Eggs live, ohne Gitarren (und ohne Eier).

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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